„Ein paar Kölsch zu viel gehabt?“Atomwaffen-Vorstoß von Barley provoziert harsche Reaktionen

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Die SPD-Politikerin Katarina Barley zeigt sich offen für EU-Atomwaffen – und bekommt dafür scharfe Kritik, auch aus der eigenen Partei. (Archivbild)

Die SPD-Politikerin Katarina Barley zeigt sich offen für EU-Atomwaffen – und bekommt dafür scharfe Kritik, auch aus der eigenen Partei. (Archivbild)

Die Kölner Politikerin Katarina Barley befeuert nach Trumps Drohung die Debatte über EU-Atomwaffen – und bekommt Gegenwind.

Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, hat wegen der Präsidentschaftskandidatur von Donald Trump Zweifel an der Verlässlichkeit des US-Atomwaffen-Schutzschirms für Europa geäußert. „Angesichts der jüngsten Äußerungen von Donald Trump ist darauf kein Verlass mehr“, sagte sie dem „Tagesspiegel“ und brachte auch eigene EU-Atomwaffen ins Spiel.

Der Vorstoß der Kölner SPD-Politikerin sorgte am Dienstag für scharfe Reaktionen aus den Reihen der Opposition, aber auch aus der Ampel. Auch Kanzler Olaf Scholz hatte derartige Überlegungen in der Vergangenheit deutlich abgelehnt. 

Scharfe Reaktionen auf Atomwaffen-Vorstoß von Katarina Barley

Zur Frage, ob die EU eigene Atombomben brauche, antwortete Barley: „Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann also auch das ein Thema werden.“ Die Sozialdemokratin sagte zugleich, es liege weiter im Interesse der Amerikaner, die nukleare Abschreckung für Europa maßgeblich bereitzustellen. Angesichts der jüngsten Äußerung von Trump, wachsen derzeit allerdings die Zweifel an der Verlässlichkeit der USA, sollte der Republikaner erneut zum Präsidenten gewählt werden. 

Trump hatte am Wochenende gesagt, dass er Nato-Partner, die nicht genug in Verteidigung investierten, im Ernstfall nicht vor Russland beschützen würde. Er würde Russland „sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen“. Diese Infragestellung der Nato-Beistandspflicht hatte eine Welle der Empörung von Washington über Brüssel bis nach Berlin ausgelöst. Trump will im November erneut für das Amt des US-Präsidenten kandidieren.

Emmanuel Macron bietet Europäern Gespräche über atomare Abschreckung an

Nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist Frankreich das einzige EU-Land mit Atomwaffen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Deutschland und anderen EU-Partnern bereits mehrfach Gespräche über eine europäische atomare Abschreckung angeboten. Konkret folgte daraus jedoch bislang nichts.

Wenn es nach der Opposition geht, soll das auch weiterhin so bleiben. Barleys Äußerung lasse „an ihren politischen Verstand zweifeln“, zitiert der „Spiegel“ den CDU-Außenexperten Johann Wadephul am Dienstag. „Ist das etwa die Position der Bundesregierung und der SPD?“, fragte der Unionspolitiker. Die bisherige Abschreckung durch US-Atomwaffen könne durch ein EU-Arsenal nicht ersetzt werden, so Wadephul, der „rationale Entscheidungen und keinen Alarmismus“ forderte. 

CDU: Barleys Äußerung lässt „an ihren politischen Verstand zweifeln“

Kritik bekam Barley auch von Ralf Stegner und damit aus der eigenen Partei. Nukleare Aufrüstung sei „brandgefährlich und verantwortungslos“, sagte der SPD-Politiker dem Hamburger Nachrichtenmagazin. Kritik gab es auch aus den weiteren Koalitionsparteien. FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann wies Barleys Vorstoß ebenso zurück wie die grüne Verteidigungspolitikerin Sara Nanni.

Strack-Zimmermann stimmte Barley jedoch grundsätzlich zu, „dass atomare Abschreckung hochrelevant“ sei. Man müsse davon ausgehen, dass die Ukraine von Russland nie angegriffen worden wäre, hätte sie ihre eigenen Atomwaffen nicht abgegeben.  

Linke reagiert scharf auf Barley: „Es gibt kein Szenario, in dem Atomwaffen irgendwie hilfreich sind“

Aus der Linken kam unterdessen scharfe Kritik. Parteichef Martin Schirdewan fragte bei X (vormals Twitter) in Barleys Richtung: „Beim Karneval ein paar Kölsch zu viel gehabt?“ Die Antwort auf Trump sei nicht „atomare Aufrüstung, sondern mehr Willy Brandt und weniger Rheinmetall“, fügte Schirdewan an. „Es braucht eine EU für Ausgleich, soziale Gerechtigkeit und Diplomatie.“

Barleys Idee sei „völlig verrückt“, schrieb derweil die Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke bei X. „Es gibt kein Szenario, in dem Atomwaffen irgendwie hilfreich sind – im Gegenteil: den Aufrüstungswettlauf nun auch noch auf Atomwaffen auszudehnen, zeigt, wie realitätsfern Teile der Ampel sind“, fügte Gohlke an.

Die Unionsfraktion fordert angesichts Barleys Vorstoß nun eine Positionierung des Kanzleramts und hat Olaf Scholz aufgefordert, sich zu den Aussagen Barleys zu äußern. Der Kanzler hatte seine Position in der Debatte um eine mögliche europäische nukleare Abschreckung unterdessen in der Vergangenheit bereits deutlich gemacht.

„Europa muss militärisch so stark werden, dass sich keiner mit uns messen will“

Anders reagierte derweil der CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl, Manfred Weber. „Europa muss militärisch so stark werden, dass sich keiner mit uns messen will“, sagte er der „Bild“-Zeitung. „Dies bedeutet, wir brauchen Abschreckung. Zur Abschreckung gehören Nuklearwaffen.“

Auch am Montag unterstrich Scholz diese Haltung noch einmal, dass er auf das bestehende System der nuklearen Abschreckung der Nato setzt, das auf US-Atomwaffen basiert. „Wir haben eine funktionierende Nato, eine sehr gute transatlantische Partnerschaft. Dazu gehört auch das, was wir an nuklearer Zusammenarbeit entwickelt haben“, sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk.

Bundeskanzler Olaf Scholz setzt trotz Donald Trump auf nukleare Abschreckung durch US-Atomwaffen

Scholz verwies darauf, dass Deutschland an der sogenannten nuklearen Teilhabe der Nato beteiligt ist. Das bedeutet, dass US-Atomwaffen in Deutschland stationiert sind und die Bundeswehr Kampfjets bereitstellt, um sie im Ernstfall einzusetzen.

Tusk hatte zuvor angesichts der Äußerungen Trumps und mit Blick auf Macrons Gesprächsangebot gefordert, „alle Ideen und Projekte“, die Europas Sicherheit auch in der Hinsicht der nuklearen Abschreckung „stärken“ würden, „sehr ernst zu nehmen“. (mit dpa)

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