Ryan GermanyDer trockene Held des brisanten Trump-Telefonats

Lesezeit 4 Minuten
trump head down

US-Präsident Donald Trump

Es vergehen mehr als 20 Minuten, bis er zum ersten Mal zu Wort kommt: „Hier ist Ryan Germany“, stellt sich der Mann vor, der gleich sehr unaufgeregt das tun wird, was sich nur wenige trauen: Donald Trump persönlich zu widersprechen. Das Gespräch wird kurz darauf um die Welt gehen.

Germany, der Anwalt mit dem Nachnamen, der dem US-Präsidenten Respekt abringt und hierzulande für Lacher sorgt, dürfte bis zum Sonntag den wenigsten Menschen ein Begriff gewesen sein. 38 Jahre alt, verheiratet mit Kind, und seit sechs Jahren Rechtsbeistand für das Büro des Innenministers von Georgia.

Eben jener Innenminister, der Republikaner Brad Raffensperger, fand sich am Wochenende in einer misslichen Lage wieder. In einem Telefonat versuchte der US-Präsident, ihn mit fraglichen Mitteln dazu zu bringen, ihm doch noch zum Wahlsieg zu verhelfen. Dem Präsidenten zur Seite standen dabei sein Stabsschef Mark Meadows und ein Rudel Anwälte. Doch auch Raffensperger brachte Verstärkung: Ryan Germany. Gemeinsam ließen die beiden in einem mehr als 60 Minuten langen Gespräch Verschwörungstheorien, Tiraden, Vorwürfe und unterschwellige Drohungen über sich ergehen – und hielten mit nahezu stoischer Trockenheit dagegen. Die simple Botschaft: Bei allem Respekt, Herr Präsident, aber Sie haben Unrecht.

Trump glaubt, er habe Hunderttausende Stimmen mehr erhalten

Trump und sein Team hatten sich zum Ziel gesetzt, Neuauszählungen im Bundesstaat Georgia zu erwirken, der bei der US-Wahl mit knapp 12.000 Stimmen Vorsprung an den Demokraten Joe Biden gegangen war. Wohlgemerkt nachdem bereits neu ausgezählt worden war, ohne dass sich das Ergebnis verändert hätte. Dabei brachte Team-Trump Scheinargumente an, die längst vielfach widerlegt sind: die Wahlmaschinen seien manipuliert gewesen, Wahlzettel seien ausgetauscht worden, Tote hätten gewählt, Republikaner hätten nicht wählen dürfen. Was auch immer die Gründe, die Wahrheit, so Trump, sei, dass er mit Hunderttausenden Stimmen Vorsprung gewonnen habe. Somit sei es nun am Innenminister, etwas zu tun.

Während Raffensperger im Gesprächsverlauf zwischen zahlreichen Unterbrechungen durch Trump sein Bestes gibt, dem Präsidenten Schritt für Schritt zu erklären, warum diese Verschwörungstheorien nicht haltbar sind, und dass die Zahlen aus Georgia eine andere Sprache sprechen, scheint Germany weniger Geduld für ausufernde Erklärungen zu haben. Auf die Frage, ob Teile der Wahlautomaten im Nachhinein ausgetauscht werden, antwortet Germany schlicht: „Nein.“ „Sind Sie sicher, Ryan?“, schiebt Trump nach. „Ich bin sicher, Herr Präsident.“ Später im Gespräch macht Germany deutlich: „Lassen Sie mich Ihnen sagen, was wir sehen. Was wir sehen, ist nicht annähernd das, was Sie beschreiben.“

Trump: „Sie haben einen schönen Nachnamen“

Wiederholt stemmt sich Germany im weiteren Verlauf gegen die Forderung, sensible Wahldaten an das Trump-Team weiterzugeben. „Es gibt Dinge, auf die Sie kein Anrecht haben. Und gesetzlich gibt es Dinge, die wir nicht weitergeben dürfen.“ Dennoch bietet er Trumps Anwälten ein Gespräch an, um ihnen noch einmal genau zu erklären, warum ihre Daten falsch sind und die Vorwürfe nicht haltbar. Als ihm einer der Trump-Anwälte das Wort im Mund herum drehen will („Das klingt, als könnten wir uns darauf einigen, uns diese Bereiche anzusehen (...), und dass wir Zugang zu Ihren Daten erhalten, um Ihre Behauptungen zu belegen oder zu widerlegen, ist das richtig?“), entgegnet Germany: „Nein, das ist nicht, was ich gesagt habe. Ich freue mich, dass sich unsere Anwälte mit den Anwälten der anderen Seite zusammensetzen können, um zu erklären: Darum wissen wir, warum dieses und dieses und dieses und jenes falsch ist.“

Trump selbst scheint von Germanys Gegenwehr irritiert aber nicht völlig überrascht zu sein: „Was stimmt mit Ihnen nicht, Ryan? Ich habe gehört, dass ihr Anwalt sehr schwierig ist (Anm. d. R.: an Raffensperger adressiert), aber ich bin sicher, Sie sind ein guter Anwalt. Sie haben einen schönen Nachnamen.“

Für viele Hörer des brisanten Telefonats war es nicht Germanys Name, der begeisterte, sondern die Tatsache, wie simpel er dagegen hielt, während einer der mächtigsten Männer der Welt versuchte, auf ihn einzuwirken. Wie es eine Twitter-Nutzerin ausdrückt: „Ryan Germany wird nie wieder in seinem Leben in einer Bar seine eigenen Getränke bezahlen müssen.“

KStA abonnieren