Putin-Freund an der FrontRussischer Großmeister spielt Schach in den Trümmern von Awdijiwka

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Wladimir Putin weiß, dass er auf die Unterstützung von Russlands bestem Schachspieler bauen kann. (Archivbild)

Wladimir Putin weiß, dass er auf die Unterstützung von Russlands bestem Schachspieler bauen kann. (Archivbild)

2016 kämpfte Sergei Karjakin um die Weltmeisterschaft im Schach, 2024 spielt er an der Front in Awdijiwka gegen russische Soldaten.

Der russische Schach-Großmeister Sergei Karjakin hat mit einer Aktion in Awdijiwka für Aufsehen gesorgt. Der 34-Jährige, der vor wenigen Jahren zu den besten Schachspielern der Welt gehörte, spielte in den Trümmern der von der russischen Armee besetzten Stadt gegen russische Soldaten Schach. Dies zeigen Bilder und Videos, die in den sozialen Medien kursieren – und in der Schachwelt kontrovers diskutiert werden. 

Laut dem Historiker Matthäus Wehowski trägt Karjakin während seines Aufenthalts in Awdijiwka ein „Zeichen der Neonazi-Gruppe ‚Russitsch‘ auf der Uniform“. Bei „Russitsch“ handelt es sich um eine russische paramilitärische Organisation, die unter anderem am Bürgerkrieg in Syrien, dem Krieg im Donbas und dem russischen Überfall auf die Ukraine beteiligt war beziehungsweise ist. Karjakin gilt seit Jahren als großer Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Der Herausforderer von Weltmeister Magnus Carlsen bei der Schachweltmeisterschaft 2016 wurde 1990 in Simferopol, der Hauptstadt der Autonomen Republik Krim, geboren und trat in den ersten Jahren seiner Karriere für die Ukraine an. 2009, inzwischen zum Großmeister gereift, nahm er die russische Staatsbürgerschaft an und begründete dies damit, dass er sich als Einwohner der Krim schon immer als Russe gefühlt habe.

Propaganda für Putin: Sergei Karjakin spielt in Awdijiwka Schach gegen russische Soldaten

Für Aufsehen sorgte er spätestens ab 2014 mit politischen Propaganda-Aussagen. So unterstützte und legitimierte er unter anderem die völkerrechtswidrige Annexion der Krim. Seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine beteiligt sich Karjakin aktiv an der Verbreitung von Propaganda, befürwortete den Angriffskrieg Putins und verbreitete Lügen über die ukrainische Regierung. Er erklärte, er sei „an der Seite Russlands und meines Präsidenten. Egal, was passiert, ich werde mein Land in jeder Situation unterstützen, ohne eine Sekunde darüber nachzudenken.“

Der Weltschachverband Fide zog daraufhin Konsequenzen und sperrte Sergei Karjakin zunächst für sechs Monate. Seine Begnadigung sorgte in der Schachwelt für eine Kontroverse, an Turnieren nahm er seither allerdings trotzdem nur selten teil, weil Karjakin sich weigert, unter neutraler Flagge anzutreten.

Schachweltverband wegen Haltung zu Sergei Karjakin in der Kritik

Viele Beobachter fordern die Fide nach dem Auftritt von Karjakin in Awdijiwka erneut auf, den Großmeister zu sperren. „Karjakin verbreitet Putin Propaganda. Das Glorifizieren eines mörderischen Angriffskrieges disqualifiziert ihn von jeglicher Teilnahme am Schachsport“, schreibt etwa der Düsseldorfer Schachklub auf X, ehemals Twitter.

Auch der dänische Großmeister Peter Heine Nielsen äußerte sich ähnlich. „Warum wird Karjakin nicht von der Fide gebannt?“, fragte Nielsen in Richtung des Dachverbands. Karjakin verbreite „knallharte Militärpropaganda“. Der ukrainische Schachgroßmeister Mikhail Golubev erklärte den Umgang der Fide mit Karjakin auf X damit, dass der Schachverband vom Kreml unterwandert sei. Belege dafür nannte er nicht, vermutlich bezieht sich Golubev mit seiner Aussage auf die Tatsache, dass mit Arkadij Dworkowitsch ein Russe die Fide als Präsident leitet. 

So oder so: In der Schachwelt hat sich Karjakin längst selbst Schachmatt gesetzt. Zu internationalen Turnieren wird er schon länger nicht mehr eingeladen. Obwohl der Großmeister seine besten Jahre noch vor sich haben dürfte – Schachspieler erreichen ihren Zenit in der Regel zwischen 35 und 45 Jahren – ist der Weltmeistertitel für ihn ferner denn je. 

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