„Skandal“ beim HochwasserschutzLand hat hat keine einzige neue Messstelle gebaut

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Die Flut sorgte im vergangenen Jahr vielerorts für katastrophale Zustände (Archivfoto)

Die Flut sorgte im vergangenen Jahr vielerorts für katastrophale Zustände (Archivfoto)

Düsseldorf – Die Ankündigung, vollmundig vorgetragen kurz vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl von einem Sprecher des damals noch CDU-geführten NRW-Umweltministeriums, war vielversprechend. Die Jahrhundertflut im Juli 2021 habe doch zweifelsfrei gezeigt, dass es mehr Messvorrichtungen für die Pegelstände vor allem in kleinen Flüssen geben müsse, hieß es zurecht.

Denn als das Wasser kam, in dem 49 Menschen in NRW ihr Leben verloren haben, agierten die Behörden teilweise im Blindflug. Dies zukünftig ändern zu müssen, sei eine der wichtigsten Erkenntnisse aus der Katastrophe, sagte der Ministeriumssprecher bei der Vorstellung eines Modellprojekts in Duisburg. Zwölf kleinere NRW-Flüsse, darunter die Sieg, die Erft und die Ruhr, würden ab sofort an ein „modellbasiertes Hochwasservorhersagesystem“ angeschlossen. „Jede gewonnene Minute kann helfen, Leben zu retten.“

NRW-Landesregierung und Hochwasserschutz: Viel versprochen, bisher nichts gehalten

Das Wahlkampfgetöse ist mittlerweile verklungen, aber die Messstellen-Bilanz der schwarz-grünen Landesregierung ist desaströs. Bisher jedenfalls ist keine einzige neue Messstelle hinzugekommen, ist einem Bericht von Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) zu entnehmen, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Im Gegenteil: Existierende Messstellen sind 15 Monate nach der Flutkatastrophe zum Teil nicht einmal wieder in funktionsfähigem Zustand.

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Das gelte für 37 von 293 Stationen, heißt es in dem Papier. In der Eifel beispielsweise seien „einige Pegel nachhaltig geschädigt bzw. in Einzelfällen (Pegel Arloff/Erft, Gemünd/Urft, Burg Veynau/Veybach) komplett zerstört worden“. Die beschädigten Stationen, wenngleich sie die Pegelstände nach einer „Not-Inbetriebnahme“ zumindest im Falle von Hochwasser derzeit wieder messen würden, seien „in einem für einen langfristigen Betrieb ungeeigneten Zustand“, heißt es im Bericht des Umweltministeriums. „Nicht alle Prozesse“ stünden wieder automatisiert zur Verfügung, so dass die Nutzung derzeit „mit einem erhöhten Personalaufwand verbunden“ sei und „weitere technische und oft auch bauliche Arbeiten erforderlich“ würden.

Ministerium fordert 31 zusätzliche Stellen

Schuld an den Zuständen sei eine angespannte Personalsituation, berichtet das Ministerium. Um die zusätzlich geplanten Pegelstellen und deren Daten betreuen zu können, benötige das „Landesamt für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz“ (Lanuv) zudem 31 weitere Mitarbeitende. Der Gesetzesentwurf zum Nachtragshaushalt bezüglich dieser Stellen liege dem Landtag bereits zur Beratung und Verabschiedung vor.

LandtagGerhard

Die Opposition im NRW-Landtag sieht die Flutfolgen als zu schleppend bearbeitet an.

René Schneider, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, macht die Pegel-Bilanz des Umweltministeriums fassungslos. „Bereits wenige Wochen nach der furchtbaren Hochwasserkatastrophe war für alle Beteiligten klar, dass es für eine bessere Vorhersage und um Menschen zu schützen mehr Pegelmessstellen gerade an kleineren und mittleren Flüssen bedurft hätte“, so Schneider. Seine Partei fordere die Landesregierung deshalb auf, „hier endlich tätig zu werden“. Der Bericht von Minister Krischer sei „das bittere Eingeständnis“, dass die CDU-geführte Landesregierung „im Hochwasserschutz seit dem Sommer 2021 viel zu viel Zeit verloren hat“.

SPD: „Die Landesregierung muss endlich tätig werden“

Nicht nachzuvollziehen sei, dass „mögliche Standorte zusätzlicher Pegelmessstellen jetzt erst in einem Gutachten identifiziert“ würden, anstatt sie nicht längst schon konkret zu planen oder zu bauen, betonte der SPD-Politiker. Der Bedarf von 31 zusätzlichen Mitarbeitenden hätte zudem „nicht erst jetzt, sondern schon für den regulären Haushalt 2022“ angemeldet werden müssen. Und dass zurzeit „rund ein Viertel der vorgesehenen Stellen“ etwa durch Krankheit oder ausscheidende Mitarbeitende nicht besetzt seien, halte die SPD „schlichtweg für einen Skandal“.

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