Trumps „Bulldogge“Rudy Giuliani – amateurhaft und peinlich oder gefährlich?

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Rudy Giuliani bei einem Auftritt am 19. November

Washington – Es war Rudy Giulianis Tochter, die ihren Vater als „persönliche Bulldogge“ Donald Trumps bezeichnete. Caroline Rose Giuliani äußerte sich vor der US-Wahl Anfang November und warnte vor einer zweiten Amtszeit des Mannes, den ihr Vater als persönlicher Anwalt vertritt. Mittlerweile sitzt Trump als abgewählter Präsident im Weißen Haus und hat seinen Kampfhund auf die Wahlergebnisse angesetzt, die ihm nicht gefallen. „Ich kenne mich mit Verbrechen aus, ich kann sie riechen“, sagte der 76-Jährige zuletzt.

Giuliani behauptet, beweisen zu können, dass Trump aufgrund eines von der Demokratischen Partei organisierten Stimmenraubs um den Sieg über Joe Biden gebracht wurde. Giuliani galt nach seiner Zeit als Bürgermeister von New York City als Held, wird mittlerweile aber von vielen als nicht immer erfolgreicher Handlanger des Präsidenten belächelt. Je unwahrscheinlicher das derzeitige Unterfangen auch wird angesichts ablaufender Fristen und abgewiesener Klagen, desto ungezügelter poltern Trumps Anwälte - und tauchen immer tiefer in Verschwörungstheorien ab.

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In einem rund 40-minütigen Monolog redete sich Giuliani vergangenen Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Rage über den massiven Wahlbetrug, für den er noch immer keine stichhaltigen Beweise vorgelegt hat. Die Juristinnen Jenna Ellis und Sidney Powell legten mit bereits widerlegten Anschuldigungen und inkohärenten Theorien nach. Zusammengefasst geht ihre Erklärung für Trumps Niederlage so: Stimmzettel für Biden seien mehrfach eingescannt worden, weswegen Millionen Stimmen für ihn ungültig seien. Mit verwickelt in den Betrug seien Kuba, Venezuela (inklusive der 2013 gestorbene Ex-Präsident Hugo Chávez), China, große Städte in den USA, die Antifa, Tech-Unternehmen und sogar ein Internetserver in Deutschland.

Giuliani schwitzte im Licht der Scheinwerfer. Als ihm links und rechts vom Haaransatz an den Ohren dunkle Farbe die Wangen herunterlief - vermutlich Spuren eines Färbemittels oder Mascara -, war die Parallele zum Horrorfilm schnell gezogen. Auf Twitter regnete es nicht nur Spott und Häme, sondern auch Warnungen. „Bei dieser Pressekonferenz hat es sich um die gefährlichsten 1:45 Stunden TV in der Geschichte Amerikas gehandelt. Und vermutlich die verrücktesten“, schrieb Christopher Krebs, den Trump gerade erst gefeuert hat. Er war als Chef der Agentur für Cyber- und Infrastruktursicherheit unter anderem für die Absicherung der Wahlen zuständig.

Giuliani geht scheinbar amateurhaft vor

Zwar schmettert ein Gericht nach dem nächsten Klagen des Trump-Lagers wegen mangelnder Beweise ab - am Wochenende etwa im Bundesstaat Pennsylvania, wo Trump offenbar Millionen Briefwahlstimmen für ungültig erklären und die für diesen Montag anstehende Beglaubigung der Endergebnisse stoppen lassen wollte. Doch schrieb der zuständige Richter, die Argumente von Trumps Anwälten hätten nicht mal dafür gereicht, die Stimme „eines einzigen Wählers“ für ungültig zu erklären.

Das scheinbar amateurhafte Vorgehen von Giuliani & Co. kann leicht darüber hinwegtäuschen, worum es eigentlich geht: Das Ergebnis einer Wahl zu kippen, die US-Behörden bereits als die sicherste in der amerikanischen Geschichte bezeichnet haben. „Das wäre alles sehr lustig, wenn es nicht so ernst wäre“, sagte Justin Levitt, ein Rechtsprofessor aus Los Angeles, der „New York Times“.

Trump gefährdet nationale Sicherheit

Trump attackiert mit seinem Verhalten nicht nur den demokratischen Prozess, sondern gefährdet auch die nationale Sicherheit auf beispiellose Weise. Da er seine Niederlage nicht einräumt, lässt seine Regierung bislang auch keine geordnete Übergabe der Amtsgeschäfte an Wahlsieger Biden zu. Der zeigt sich zunehmend erschüttert angesichts von Trumps Weigerung, das Ergebnis anzuerkennen. Es schade dem Ansehen der amerikanischen Demokratie, sagte Biden am Donnerstag. Trump werde als der „unverantwortlichste Präsident“ Amerikas in die Geschichtsbücher eingehen.

Bei Verbündeten des Präsidenten sorgt Giuliani für Kopfzerbrechen. „Es wundert mich, dass das der wichtigste Rechtsstreit in der Geschichte des Landes ist und sie nicht die berühmtesten Wahlanwälte einsetzen“, sagte Trumps ehemaliger Stabschef im Weißen Haus, Mick Mulvaney, vergangene Woche beim Sender Fox Business.

Giuliani schlittert in die Borat-Falle

Giuliani hat Trump bereits mehrfach in Schwierigkeiten gebracht. Er war eine zentrale Figur in der Ukraine-Affäre, die ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump ins Rollen brachte. Giuliani hatte sich aktiv darum bemüht, die Ukraine zu Ermittlungen gegen Biden zu bewegen. Im Endspurt des Wahlkampfs hatte der 76-Jährige vergeblich versucht, einen Skandal rund um Bidens Sohn Hunter auszulösen. Selbst konservative Medien ließen wegen der fragwürdigen Quellenlage die Finger von der Geschichte.

Eine verfängliche Geste während eines ungewollten Auftritts in dem neuen „Borat“-Film des Komikers Sacha Baron Cohen brachte Giuliani in Erklärungsnot. Er wies eine sexuelle Absicht von sich, nachdem er dabei gefilmt wurde, wie er nach einem Interview mit einer jungen Frau in einem Hotelzimmer seine Hand in seine Hose schob, um - wie Giuliani erklärte - sein Hemd hineinzustecken. Am Tag, an dem Biden von US-Medien als Wahlsieger ausgerufen wurde, sorgte eine Pressekonferenz Giulianis für Spott, die vor einer Landschaftsgärtnerei namens „Four Seasons“ stattfand und nicht - wie ein Trump-Tweet annehmen ließ - im gleichnamigen Luxushotel.

Republikaner spricht von „nationaler Peinlichkeit“

Einige Trump-Verbündete befürchten offenbar, dass Giuliani seinen Freund im Weißen Haus ermuntert, den Rechtsstreit gegen das Wahlergebnis fortzusetzen, weil er darin finanzielle Vorteile sieht. 20 000 US-Dollar pro Tag soll er nach Informationen der „New York Times“ für das Engagement verlangt haben, was Giuliani bestreitet.

Trotz der rund 30 Rückschläge, die Trump und die Republikaner dem Sender CNN zufolge inzwischen kassiert haben, gibt sich Giuliani unbeirrt. Der frühere Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, wurde am Sonntag deutlich. „Offen gesagt ist das Verhalten des Rechtsteams des Präsidenten eine nationale Peinlichkeit“, sagte der Republikaner beim Sender ABC. Er sei ein Unterstützer Trumps gewesen und habe zweimal für ihn gestimmt. Doch Wahlen hätten Konsequenzen. Wenn die Anwälte keine Beweise für Wahlbetrug vorlegen, könne das nur eines bedeuten: „Dass die Beweise nicht existieren.“ (dpa)

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