Wagner-Chef spricht von „Flucht“Verliert Russland die Schlacht um Bachmut – und die Nerven?

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Ukrainische Soldaten feuern eine S60-Flugabwehrkanone in der Nähe von Bachmut ab. Offenbar gelingen den Ukrainern Geländegewinne rund um die umkämpfte Stadt. (Archivbild)

Ukrainische Soldaten feuern eine S60-Flugabwehrkanone in der Nähe von Bachmut ab. Offenbar gelingen den Ukrainern Geländegewinne rund um die umkämpfte Stadt. (Archivbild)

Über Bachmut wird viel kommuniziert – Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin mischt munter mit, während der Kreml eifrig dementiert.

Seit Monaten herrschen schwere Kämpfe in und um die ukrainische Stadt Bachmut. Für Russland ist vor allem die Söldnergruppe Wagner unter der Leitung von Jewgeni Prigoschin in der Stadt aktiv – und soll in den vergangenen Monaten ebenso heftige Verluste erlitten haben. Wie die genaue Lage in Bachmut ist, bleibt derweil stets unklar – um die ukrainische Stadt ist nicht nur ein tatsächlicher, sondern auch ein Informationskrieg entbrannt.

Umkämpftes Bachmut: Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin meldet sich mal wieder zu Wort

So nutzt Wagner-Chef Prigoschin die Gefechte immer wieder für schrille Forderungen in Richtung des Kremls – mehr Munition, mehr Unterstützung. Trotz hoher Verluste, wohl auch auf ukrainischer Seite, hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj jedoch stets betont, Bachmut nicht aufgeben zu wollen – das scheint sich für die Ukraine nun auszuzahlen.

Aus Kiew werden am Freitag zumindest Geländegewinne in Bachmut gemeldet. Zuvor hatte Wagner-Chef Prigoschin am Donnerstagabend bereits von ukrainischen Vorstößen gesprochen – die ukrainische Frühjahrsoffensive sei „in vollem Gange“, behauptete der Söldnerchef.

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Kreml bestreitet ukrainische Erfolge in Bachmut

Gleichzeitig widersprach man in Moskau eilig den Berichten und somit auch Prigoschin. „Versuche ukrainischer Truppen, an den Flanken Gegenangriffe durchzuführen“ seien „gestoppt“ worden, hieß es aus Moskau. „Die Erklärungen, die vereinzelte Telegram-Kanäle über ‚Durchbrüche der Verteidigungslinien‘ an mehreren Stellen verbreiten, entsprechen nicht der Wirklichkeit“, teilte das Ministerium in der Nacht zum Freitag zudem auf Telegram mit.

Zuvor hatten neben Prigoschin auch mehrere russische Kriegsreporter und Militärblogger über erfolgreiche Angriffe der ukrainischen Truppen bei Bachmut berichtet und über den Beginn der lang erwarteten Frühjahrsoffensive Kiews spekuliert. Das wiederum hat der ukrainische Präsident am Donnerstag prompt bestritten – für die Frühjahrsoffensive brauche man noch etwas Zeit, erklärte Selenskyj.

Wolodymyr Selenskyj bestätigt Geländegewinne ukrainischer Truppen in Bachmut

Am Freitag bestätigte er dann allerdings Geländegewinne in Bachmut. „Wir haben den Bericht von General Syrskyj gehört, dessen Einheiten mit übermächtigen Anstrengungen den Feind aufgehalten und sogar an einigen Abschnitten zurückgeworfen haben“, teilte der 45-Jährige mit. „Unsere Verteidiger sind im Abschnitt Bachmut um zwei Kilometer vorgerückt“, schrieb auch Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar bei Telegram. In der Stadt selbst seien innerhalb dieser Woche keine Positionen aufgegeben und dem russischen Feind große Verluste zugefügt worden.

Gleichzeitig titelte die russische staatliche Nachrichtenagentur Ria: „Das russische Militär hat alle Angriffe der Ukraine in Richtung Soledar abgewehrt“. Soledar liegt rund 15 Kilometer von Bachmut entfernt. Am Donnerstagabend hatte es zuvor Berichte gegeben, die Ukraine probiere, die russischen Truppen einzukesseln – und rücke daher auch in Richtung Soledar vor.

Lage in Bachmut: Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin konterkariert Propaganda aus Moskau

Die Behauptung aus Moskau wurde jedoch erneut aus den eigenen Reihen konterkariert: Söldnerchef Prigoschin veröffentlichte am Freitag einen offenen Brief an den russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu, berichtete darin erneut von erfolgreichen ukrainischen Angriffen und lud Schoigu nach Bachmut ein, damit der sich ein Bild machen und „die Lage selbstständig einschätzen“ könne.

Auch für Militärexperten bleibt die Lage in Bachmut schwer einzuschätzen, wie die aktuellsten Stellungnahmen zeigen. „Die ukrainischen Streitkräfte durchbrachen bei örtlichen Gegenangriffen in der Nähe von Bachmut wahrscheinlich einige russische Linien“, formulierten die Experten des amerikanischen Thinktanks „Institute for Study of War“ (ISW) in ihrem täglichen Lagebericht zum Krieg in der Ukraine relativ vage.

Ukrainische Erfolge in Bachmut: „Russen haben sich um mehrere Kilometer zurückgezogen“

Die Reaktion auf russischer Seite sei jedoch „ungewöhnlich schnell“ erfolgt, betonten die ISW-Beobachter. „Die Reaktionen Prigoschins und des Verteidigungsministeriums spiegeln die zunehmende Panik im russischen Informationsraum wider“, heißt es weiter bei den US-Analysten.

Den vorläufigen Schlusspunkt im Informationskrieg um Bachmut setzte dann am Freitag aber erneut die russische Seite. Zunächst bestätigte der Kreml, dass sich die russischen Truppen nahe Bachmut auf „günstigere Verteidigungspositionen verlagert“ hätten, wie der „Wall Street Journal“-Korrespondent Yaroslav Trofimov auf Twitter berichtet.

Das bedeute im „Klartext“, dass sich die russischen Truppen „um mehrere Kilometer zurückgezogen haben“, schrieb Trofimov dazu. Kurz darauf meldete sich dann Wagner-Chef Prigoschin mal wieder zu Wort – und warf der russischen Armee die „Flucht“ aus Bachmut vor. 

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