„Das Lügen muss aufhören“Meisner-Sekretärin bringt Woelki in Bedrängnis

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Der Erzbischof von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki, läuft in den Vatikan.

Der Erzbischof von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki, läuft in den Vatikan.

Der Kölner Erzbischof Rainer Woelki führt vor dem Landgericht einen Prozess gegen die „Bild“-Zeitung. Nun sagte die ehemalige Sekretärin des verstorbenen Kardinals Joachim Meisner aus. Die Aussagen waren brisant.

Mit einer brisanten Zeugenaussage hat die ehemalige Sekretärin des Kölner Kardinals Joachim Meisner den aktuellen Erzbischof Rainer Woelki weiter in Bedrängnis gebracht. Schon früh habe sie Woelki, zu dieser Zeit noch Weihbischof, über sexuelle Verfehlungen und anzügliches Verhalten eines Pfarrers aus dem Erzbistum berichtet, sagte die 72-Jährige am Mittwoch im Kölner Landgericht. Woelki hatte den Mann etwa fünf Jahre später zum Vize-Stadtdechanten von Düsseldorf befördert.

Beförderter Pfarrer hatte Kontakt zu jungem Prostituierten

Der beförderte Pfarrer soll im Jahr 2001 am Kölner Hauptbahnhof mit einem 16 Jahre alten Prostituierten onaniert und das später auch zugegeben haben. In dem Verfahren vor dem Landgericht mit dem Aktenzeichen 28 O 293/21 wehrt Woelki sich gegen einen Bericht der „Bild“. Die Zeitung habe fälschlicherweise behauptet, er habe zum Zeitpunkt der Beförderung des Pfarrers dessen Personalakte gekannt und Kenntnis von einer schriftlichen Warnung der Polizei gehabt.

Per eidesstattlicher Versicherung hatte Woelki erklärt, dass er zwar von dem Kontakt des Pfarrers mit einem Prostituierten gehört habe. Von Seiten der Unterstützer des Pfarrers sei ihm aber versichert worden, dass seitdem nichts mehr passiert sei. Auf diese Unterstützer habe Woelki vertraut. Er stimmte der Beförderung zu. Woelki sprach in seiner Erklärung von weiteren Gerüchten, doch auch hier sei ihm versichert worden, dass diese sich nicht bestätigt hätten.

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Meisner-Sekretärin mit brisanten Aussagen im Zeugenstand

Die Aussage von Meisners Sekretärin sorgt nun für Zündstoff, denn ihre Angaben waren äußerst detailreich. Sie habe den später beförderten Pfarrer nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1998 auf einer Pilgerreise kennengelernt, eine Freundschaft habe sich entwickelt. „Dann hat er sich bei mir im Büro geoutet.“ „Wegen was?“, fragte der Vorsitzende Richter Dirk Eßer da Silva. „Wegen seiner Homosexualität und dass er mit diesem jungen Mann den sexuellen Kontakt hatte.“

Die Zeugin berichtete, in der Folgezeit eigens bei weiteren Kirchenfahrten mitgereist zu sein, um auf den Pfarrer aufzupassen. Sie habe sich vorgenommen, „dass ich da was sage, wenn er mit den Jugendlichen zu anzüglich wird“. Der Pfarrer habe mit Messdienern Unterhosen gekauft, auf denen Penisse abgebildet gewesen seien. Und er sei mit den Messdienern in die Sauna gegangen. „Das weiß ich von ihm“, sagte die Zeugin. 2009 habe sie schließlich die Freundschaft beendet.

Es muss 2011 oder 2012 gewesen sein, so die Zeugin, als der damalige Düsseldorfer Weihbischof Woelki sie angerufen und zum Thema Pfarrer habe sprechen wollen. Das Gespräch sollte laut der Sekretärin ausdrücklich ohne den damaligen Kardinal Meisner stattfinden. Im Telefonat habe sie Woelki erzählt, die Freundschaft zum Pfarrer, von der Woelki gewusst habe, beendet zu haben, „weil ich das nicht mehr aushalten konnte“. Etwa 20 Minuten habe man über dieses Thema geredet.

Über die in Rede stehenden Schriftstücke, die Personalakte und den Polizeivermerk, habe man aber nicht gesprochen, sie habe diese Akten als Sekretärin auch nie in der Hand gehabt. Das Erzbistum Köln erklärte nach der Verhandlung, die Aussage der Frau stehe „nicht in einem Widerspruch zu den Aussagen von Kardinal Woelki“. Die Zeugin habe Woelkis Angaben bestätigt.

Woelkis Rechtsanwalt kontaktierte die Zeugin

Wie die Aussage nun insgesamt in Bezug auf die von Woelki abgegebene eidesstattliche Erklärung zu werten ist, bleibt zunächst offen. Die 72-Jährige schilderte aber noch einen weiteren und sehr bemerkenswerten Vorgang. So habe Woelkis Rechtsanwalt Carsten Brennecke (Kanzlei Höcker) sie im Juni kontaktiert.

Heraus kam das, als der „Bild“-Anwalt die Zeugin fragte, ob das Erzbistum Druck auf sie ausgeübt habe, nicht vor Gericht zu erscheinen. Die Zeugin stockte, schaute zu Woelkis Anwalt hinüber, der äußerte: „Sie können ruhig sagen, dass wir telefoniert haben.“ Die Sekretärin erzählte, Brennecke habe gesagt, sie könne sich ja ein Attest von einer Psychotherapeutin besorgen. Der wiederum erklärte, dies habe er aus Fürsorglichkeit erwähnt, da die Frau eine Traumatisierung geschildert habe.

Sie habe den Vorschlag des Anwalts, der laut eigener Aussage auch von einer therapeutischen Begleitung zum Prozess gesprochen habe, tatsächlich eher als Hilfe empfunden. Dann habe sie sich aber gesagt: „Das Lügen muss aufhören.“ Der Prozess wird im Dezember fortgesetzt, dann soll der ehemalige Interventionsbeauftragte des Erzbistums Köln für den Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch zu dem Sachverhalt um den ehemaligen Vize-Stadtdechanten aussagen.

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