Hersteller, Termin-Chaos, KostenDas müssen Sie jetzt über die neuen Corona-Impfstoffe wissen

Lesezeit 7 Minuten
Eine Frau wird mit einem Corona-Impfstoff geimpft.

Ab 18.9. kann man sich beim Hausarzt und in Apotheken wieder gegen Corona impfen lassen.

Ab kommender Woche kann sich die Bevölkerung in NRW wieder gegen Corona impfen lassen. Wie viel Impfstoff da ist und was es zu beachten gilt.

In Nordrhein-Westfalen startet am 18. September die Herbst-Impfkampagne gegen Corona. Schon vor dem Start ist der Deutsche Hausärzteverband unzufrieden und warnt vor einem Chaos. Der Apothekerverband Nordrhein stellt Forderungen an die Politik – die gibt sich zurückhaltend und gelassen.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zu der bevorstehenden Impfstoffverteilung.

Warum meckern die Hausärzte?

Bei der Kritik der Hausärzte geht es um die Dosierung: Der von der EU-Kommission zugelassene und vom Bund bezahlte Impfstoff Comirnaty XBB.1.5 von Biontech wird ausschließlich in Sechserdosen geliefert. Das bedeutet: Öffnet der Hausarzt für einen Impfkunden die Ampulle, muss er innerhalb von zwölf Stunden noch weitere fünf Impfwillige versorgen. Andernfalls verdirbt der übrige Impfstoff und muss entsorgt werden.

Der Deutsche Hausärzteverband warnt vor einem „organisatorischen Overkill“. Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein bezeichnet man den Umstand als „misslich“. Man sehe „Terminorganisationen von entsprechender Planung“ auf sich zukommen. Eine Umstellung auf die Lieferung von Einzeldosen sei „dringend geboten“. Carsten König von der KV Nordrhein findet das „hochärgerlich und überhaupt nicht nachvollziehbar“. Im europäischen Ausland sei man anders als in Deutschland in der Lage gewesen, auf Einzeldosen umzusteigen.

„Da aber davon auszugehen ist, dass im September/Oktober viele Impfinteressierte die Praxen konsultieren werden, sollte die Durchführung mehrerer Immunisierungen zu einem Sammeltermin mehrheitlich machbar sein“, so die KV Nordrhein. Das Bundesgesundheitsministerium enttäuscht auf Anfrage alle Hoffnungen, dass ein Umstieg auf Einzeldosen bevorstehen könnte. Dieser sei aufgrund der Vorgaben des Europäischen Vergaberechts nicht möglich. Immerhin auf finanzieller Ebene gibt es Entwarnung: „Regresse sind auch bei nicht vollständiger Nutzung der Mehrdosenbehältnisse nicht zu befürchten.“

Welchen Impfstoff gibt es?

In der anstehenden Impfkampagne sollten die den Omikron-Varianten angepassten neuen Corona-Impfstoffe eingesetzt werden. Dafür wird in dieser Impfsaison zunächst der angepasste Impfstoff von Biontec vom Bund bezahlt. Grundlage sind entsprechende Lieferverträge auf EU-Ebene. Laut Thomas Preis vom Apothekerverband Nordrhein hat der Bund zugesagt, in den kommenden drei Jahren pro Saison 15 Millionen Impfdosen von Biontech abzunehmen. Sollte der proteinbasierte, angepasste Corona-Impfstoff von Novavax zugelassen sein, wird dieser auch bezahlt werden. Das wird voraussichtlich im vierten Quartal 2023 der Fall sein, schreibt das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage.

Laut Bundesgesundheitsministerium liegt zudem noch Moderna-Impfstoff aus der letzten Saison in den Zentrallagern des Bundes. Dieser könnte nach ärztlicher Verschreibung kostenlos bezogen werden. Es handelt sich dabei nach Meinung von Experten aber um einen „Ladenhüter“, da dieser Impfstoff nur auf den Wildstamm des Virus' anspricht, gegen den der Großteil der Bevölkerung ohnehin immun ist.

Der an Omikron angepasste Moderna-Impfstoff allerdings wartet derzeit noch auf die EMA-Zulassung, ist also noch nicht verfügbar. Moderna hat laut Bundesgesundheitsministerium angekündigt, den Impfstoff nach der Zulassung in der Regelversorgung anzubieten, bei einer ärztlichen Verordnung würden die Kosten dann also von der Krankenkasse übernommen. Da die Ärzte zur Wirtschaftlichkeit gezwungen sind und Biontech kostenlos vom Bund bezogen werden kann, wird die Verordnung von Moderna aber nach Meinung von Experten die Ausnahme bleiben.

Können sich Menschen, die in der Vergangenheit einen anderen Impfstoff genutzt haben, nun auch bedenkenlos mit Biontech impfen lassen?

Grundsätzlich sollte eine begonnene Impfserie in der Regel „mit dem gleichen Impfstoff abgeschlossen werden“, rät das NRW-Gesundheitsministerium auf Anfrage. „In Ausnahmen“, falls der frühere Impfstoff nicht verfügbar ist, könne „unter Berücksichtigung der Alterseinschränkung und bei Nichtschwangeren auch der jeweils andere mRNA-Impfstoff eingesetzt werden“. Dies gelte auch für Auffrischimpfungen.

Thomas Preis: Impfungen gegen Corona und Grippe können gleichzeitig vorgenommen werden 

Gibt es genügend Impfstoff?

Thomas Preis schätzt die Nachfrage nach einer Auffrischimpfung als „hoch“ ein. Vom Bund seien ausreichend Impfstoffe angekündigt, einen Mangel befürchtet die Kassenärztliche Vereinigung derzeit nicht. „Es besteht insofern keine Notwendigkeit, die Corona-Auffrischimpfung nun unmittelbar durchführen zu müssen.“ Die wöchentliche Höchstbestellmenge für den neuen Biontech-Impfstoff liegt laut KV momentan bei bis zu 240 Dosen pro Arzt oder Ärztin.

Auch das Gesundheitsministerium in NRW rechnet damit, dass das Impfgeschehen „vollständig über die etablierten Strukturen abgewickelt werden kann“. Gleichzeitig mit dem neuen Biontech-Impfstoff erwarten die Apotheker auch den neuen Grippe-Impfstoff. Bestellungen bei den Apotheken werden ab dem 12. September angenommen.

Wer sollte nun einen Impftermin vereinbaren?

Grundsätzlich empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) die jährlichen Corona-Auffrischimpfungen für die über 60-Jährigen und chronisch Kranken. Der Personenkreis entspricht laut Kassenärztlicher Vereinigung in etwa denjenigen, die sich auch gegen Grippe impfen lassen sollten. Beide Impfungen können laut Thomas Preis gleichzeitig vorgenommen werden – eine in jeden Arm.

Der Abstand zur letzten Impfung beziehungsweise zu einer vorangegangenen Corona-Infektion sollte dabei laut Preis zwölf Monate betragen.

Sind die Impfstoffe, die nun am 18.9. ankommen, angepasst an die neuen Corona-Varianten, etwa auch an die Omikron-Variante Pirola?

Ja, Experten gehen davon aus, dass der angepasste Impfstoff von Biontech gegen schwere Verläufe und Hospitalisierungen bei Ansteckungen mit den neuen Virusvarianten schützt.

Von welcher Immunität ist in NRW auszugehen?

Wissenschaftliche Untersuchungen, die das Gesundheitsministerium Ende Juni vorgelegt hat, weisen auf eine hohe Immunität in der Bevölkerung hin. Schon im Sommer 2022 konnte beobachtet werden, dass mehr als 95 Prozent der Menschen Antikörper gegen SARS-CoV-2 in sich trugen. Frank Bergmann von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein warnt aber davor, daraus die Möglichkeit einer Impfnachlässigkeit herzuleiten. Gerade für die ältere Generation gelte: „Lassen Sie sich impfen, gegen Corona und gleichzeitig gegen die Grippe.“

Wie hoch ist die Virenlast in NRW?

Das RKI meldet, die Fallzahlen stiegen „ausgehend von einem niedrigen Sommerniveau seit der 27. Kalenderwoche“ an. In der 35. Kalenderwoche wurden insgesamt 1384 laborbestätigte Coronafälle für NRW gemeldet. Das ist nach leichtem Anstieg wieder ein Rückgang zur Vorwoche (1618). Die Zahl der Belegung der Intensivbetten mit Corona-Patienten wuchs laut NRW-Gesundheitsministerium von 1,0 auf 1,1 Prozent. Auch das Abwassermonitoring zeigt demzufolge seit August einen Aufwärtstrend an. Aktuell sänke laut Kassenärztlicher Vereinigung die Viruslast in den ersten Kläranlagen aber wieder. Das Niveau sei vergleichbar mit den niedrigen Werten von Anfang Mai 2023 und August 2022.

Zurück zur Maske? Freiwilliges Tragen empfohlen

Sollte man mit Beginn der kälteren Jahreszeit nun wieder Maske tragen?

Von einer Maskenpflicht will Thomas Preis vom Apothekerverband Nordrhein nichts wissen. Allerdings hält er ein freiwilliges Tragen im Herbst und Winter für sinnvoll. „Wer krank ist, sollte ohnehin eine Maske an öffentlichen Orten tragen. Egal, ob es sich um Corona oder eine Erkältung handelt“, sagt er. Frank Bergmann von der KV Nordrhein sieht das ähnlich und hofft, dass verordnete Einschränkungen im kommenden Winter nicht nötig sein werden. Er setzt auf die „Eigenverantwortung der Menschen“. Ebenfalls empfehlenswert sei eine Maskenpflicht in Kliniken, Arztpraxen und Seniorenheimen, die die Betreiber aber selbstständig anordnen könnten. Mit Engpässen bei der Versorgung ist laut Gesundheitsministerium NRW nicht zu rechnen.

Welche Rolle spielen Tests in den kommenden Monaten?

Vorbeugendes Testen hält Thomas Preis für „wichtig“. In den Apotheken ist die Nachfrage nach Tests „stark angestiegen“. Er fordert deshalb eine Rückkehr zum kostenlosen Testsystem wie in den vergangenen Wintern. „Wenn eine Familie am Wochenende die Oma besucht und sich vorher testen lassen will, dann ist das ein echter Kostenfaktor und sollte am Geld nicht scheitern.“

Das Bundesgesundheitsministerium erteilt Preis' Forderung auf Anfrage dieser Zeitung eine Absage. Erkrankte mit Corona-Symptomen könnten beim Arzt einen PCR-Test machen lassen. Die Kosten übernähmen die Krankenkassen. Vorbeugendes Testen könne nur auf eigene Rechnung geschehen. „Der Anspruch auf einen PCR-Test außerhalb der Krankenbehandlung besteht seit dem 1. März 2023 nicht mehr.“

Was müssen Eltern wissen?

Für Kinder schaltet die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein ab dem 1. Dezember bis zum 31. Januar 2024 wieder eine Videosprechstunde unter der Nummer 116117 frei. Im vergangenen Winter hat man laut KV Nordrhein damit gute Erfahrungen gemacht und durch mehr als 2300 Beratungen die pädriatischen Praxen entlasten können. In dieser Saison wird demnach digital auch erstmals eine Ausstellung von Rezepten und Krankschreibungen möglich sein. Finanziert werde das Angebot je zur Hälfte durch Bordmittel der KV Nordrhein und durch die Krankenkassen.

KStA abonnieren