Kölner Lungenärztin warntWarum Raucher wegen Covid-19 sofort aufhören sollten

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Raucher sind besonders gefährdet, schwer an Covid-19 zu erkranken. 

  • Monika Scheidt ist Fachärztin für Lungenkrankheiten. Am Kölner St.-Vinzenz-Hospital arbeitet sie mit Patienten im Bereich der Raucherentwöhnung.
  • In diesem Gastbeitrag erklärt sie die besonderen Corona-Gefahren für Raucher auch angesichts neuer Studien. Wasserpfeifen-Raucher sind ebenfalls gefährdet. In der derzeitigen Stresssituation würde eher noch mehr geraucht.
  • Über ihren solidarischen Beitrag zur Pandemiebekämpfung werde kaum gesprochen, kritisiert Scheidt und fordert die Politik auf, sofort zu helfen.

Köln – Dass Raucher zur Corona-Risikogruppe gehören, dürfte niemanden überraschen. Eine durch Tabakrauch vorgeschädigte Lunge wird der Ausbreitung einer Virus-Infektion weniger Widerstand entgegensetzen können. Überraschen mag lediglich das Ausmaß.

In einer chinesischen Studie zu Covid-19 befanden sich in der Patientengruppe mit schwerem und schwerstem Krankheitsverlauf neunmal so viele Raucher wie in der Gruppe mit mildem Verlauf. Das Robert-Koch-Institut (RKI) führt in seinem „Steckbrief Corona“ das Rauchen schon seit dem 23. März als eigenständigen Risikofaktor für einen schweren Krankheitsverlauf auf. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, Professor Michael Pfeifer, empfiehlt allen Rauchern die komplette Abstinenz.

Monika Scheidt ist Fachärztin für Lungenkrankheiten. Am Kölner St.-Vinzenz-Hospital arbeitet sie mit Patienten im Bereich der Raucherentwöhnung.

Monika Scheidt ist Fachärztin für Lungenkrankheiten. Am Kölner St.-Vinzenz-Hospital arbeitet sie mit Patienten im Bereich der Raucherentwöhnung.

Betroffen sind immerhin zwölf Millionen Menschen, also 15 Prozent der Bevölkerung. Dazu kommen noch die meist sehr jungen Liebhaber der Wasserpfeife, die ihre Lungen mit weitaus größeren Schadstoffmengen belasten und sie damit anfälliger machen für Krankheitserreger aller Art. Nur zum Vergleich: Auch die über 70-Jährigen machen etwa 15 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Ihnen wurden zu ihrem eigenen Schutz und zusätzlich zu den allgemeinen Restriktionen schmerzhafte Opfer abverlangt. Gemäß den weiterhin geltenden Empfehlungen sollen sie ihre Enkelkinder nicht mehr oder kaum noch sehen. In Seniorenstiften oder Pflegeheimen gibt es ein weit reichendes Besuchsverbot – mit allen schlimmen Folgen einer verordneten sozialen Isolation.

Nun könnte man fragen, welchen solidarischen Beitrag denn die Risikogruppe der Raucher leistet, „zu ihrem eigenen Schutz“ und im Dienst an der Gemeinschaft, die ihrerseits für die Risikogruppen immense Opfer bringt. Naheliegend wäre zum Beispiel eine Erweiterung des Rauchverbots, zumindest auf dem Gelände sozialer und medizinischer Einrichtungen sowie eine weitere Beschränkung der Abgabe von Zigaretten. Aber all das steht nicht zur Debatte. Und vielleicht ist das sogar klug. Nicht wenige Raucher fühlen sich bereits seit der Einführung der Nichtraucherschutzgesetze 2007 stigmatisiert und in ihren Freiheitsrechten beschnitten. Es wäre fatal, wenn zunehmender Unmut darüber ihr Festhaltenwollen an der Sucht noch verstärkte. Dies mag einer der Gründe dafür sein, warum eine ganze – sehr große - Risikogruppe bislang aus der öffentlichen Diskussion weitgehend herausgehalten worden ist.

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Der Appell von Professor Pfeifer an die Raucher, „angesichts ihrer größeren Gefährdung durch Covid-19 das Rauchen nun einzustellen“, dürfte nur bei einem kleinen Teil angekommen sein. Wahrscheinlicher ist sogar eine gegenteilige Entwicklung. Die Schließung von Kitas und Schulen bei gleichzeitiger Notwendigkeit zur Arbeit im Homeoffice setzt Familien unter erheblichen Druck. Bei Alleinlebenden kann die Kontaktsperre Gefühle von Isolation und Vereinsamung hervorrufen. Jeder Mensch reagiert individuell auf diese Situation. Doch Raucher neigen nun einmal dazu, bei Druck, Stress und negativen Gefühlen ihren Tabakkonsum weiter zu steigern.

Inzwischen werden fast im Wochentakt die Corona-Beschränkungen gelockert. Alle Epidemiologen sind sich einig, dass jede Exit-Strategie weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Verbreitung treffen muss, um die Risikogruppen zu schützen und gegebenenfalls abzuschirmen. Aber was geschieht mit den Rauchern, die im Fall einer Infektion auch einen schwereren Krankheitsverlauf befürchten müssen? Schließlich kann man diese – jüngere – Risikogruppe nicht über Wochen und Monate aus der Öffentlichkeit und aus ihrem Berufsleben verbannen.

Stigmatisierung ist aus dem genannten Grund nicht hilfreich. Die kämpferische Gegenwehr nach dem Motto „Jetzt erst recht!“ hat schon jetzt teils bizarre Folgen. Angestoßen von dem bekannten Künstler David Hockney, der – wie so viele Raucher – überzeugt davon ist, „dass Rauchen mir guttut“, werden Argumente für die Hypothese gesammelt, dass „Rauchen vor Corona schützt“. Eine solche Polarisierung sollte bei uns vermieden werden.

Was Raucher brauchen, ist Aufklärung und positive Motivation sowie wirksame Unterstützung zu einem erfolgreichen Ausstieg. Etliche wären bereit, diese Unterstützung anzunehmen, wenn da nicht die Hürde der finanziellen Eigenbeteiligung wäre, die zu Zeiten der finanziellen Einbußen durch die Pandemie-Maßnahmen erst recht unüberwindlich erscheint. Wie lange wollen wir es uns noch leisten, die Tabak-Suchterkrankung unbehandelt zu lassen, bzw. die Behandlung in den „Bereich der persönlichen Verantwortung“ der Erkrankten zu legen (Urteil des Bundessozialgerichts vom Juli 2019), was im Ergebnis einer Nicht-Behandlung gleichkommt?

Milliardenschwere Hilfsprojekte sind aufgelegt worden zur Unterstützung der Wirtschaft.

Glücklicherweise ist unser Staat dazu in der Lage. Aber wäre es nicht genauso sinnvoll, in dieser jetzigen Ausnahme-Situation auch der Risikogruppe der Raucher kostendeckende finanzielle Hilfen anzubieten für den Ausstieg? Die Kosten für eine erfolgreiche Raucherentwöhnung wären bei weitem geringer als die Kosten für die Behandlung einer schweren Covid-19-Erkrankung.

Seit 2019 ist das Bundesverfassungsgericht mit dem Thema befasst. Bis zu einer Entscheidung dürften Jahre vergehen. Es ist aber stark zu bezweifeln, dass wir in Zeiten der Corona-Pandemie so viel Zeit verstreichen lassen können, wenn es um wirksame Hilfe für eine der größten Risikogruppen überhaupt geht. Viele Tausend Raucher werden sich in den nächsten Wochen und Monaten neu mit dem Coronavirus infizieren. Mit einem sofortigen Rauchstopp hätten sie weitaus bessere Chancen, gesund durch die Pandemie zu kommen. Die Politik sollte jetzt handeln.

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