Statt Corona-InzidenzHospitalisierungsrate kommt – Was bedeutet das eigentlich genau?

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Seit neuestem sollen alle, die wegen Covid 19 in eine Klinik kommen, erfasst werden, nicht nur die Intensivpatientinnen und -patienten.

Köln – Die Hospitalisierungsrate, oder Hospitalisierungsinzidenz, gibt an, wie viele Corona-Patientinnen und -patienten pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen ins Krankenhaus eingewiesen wurden. Und zwar auf alle, nicht nur auf die Intensivstationen, denn würden nur die schweren Intensiv-Fälle berechnet, wäre es für die Politik zum Gegensteuern zu spät. Am Donnerstag stieg die bundesweite Rate laut Robert-Koch-Institut (RKI) von 1,79 auf 1,89. Das RKI meldete 606 Neueinweisungen binnen eines Tages. Zum Vergleich: Der bisherige Höchstwert lag um die Weihnachtszeit 2020 bei rund 15,5.

Wozu soll diese Rate dienen?

Die Hospitalisierungsrate soll die Auslastung der Krankenhäuser mit Covid-Patientinnen und      -patienten innerhalb von einer Woche abbilden. Die Zahl wird für jedes einzelne Bundesland errechnet, damit es den jeweiligen Landesregierungen möglich ist, die aktuelle Belastung der Kliniken relativ genau abzuschätzen und eventuell mit schärferen Corona-Regeln oder aber Öffnungsschritten zu reagieren. Einen bundesweiten Grenzwert, ab wann es kritisch wird, sprich: Kliniken überlastet sind, gibt es bislang aufgrund der regional unterschiedlichen Krankenhauskapazitäten und Impfquoten nicht. Weil rund 61,7 Prozent der Bevölkerung in Deutschland vollständig geimpft sind, gehen Experteninnen und Experten zwar davon aus, dass die Krankenhäuser bei einer vierten Welle nicht mehr so stark belastet werden. Garantieren kann das aber niemand. In Deutschland leben sehr viele alte Menschen und die Impfquote ist noch immer zu niedrig, um Ausbrüche einzudämmen. Der neue Indikator soll deshalb ein Frühwarnsystem sein. Man sieht an der Zahl der Hospitalisierungen also, ob die Pandemie - Impfquote hin oder her - noch gefährlicher wird.

Woher stammen die Zahlen?

Die neue Hospitalisierungsverordnung verpflichtet die Krankenhäuser seit Mitte Juli, den Aufnahmezeitpunkt für Covid-19-Patientinnen und -patienten aller Stationen bei den Gesundheitsämtern zu melden. Seitdem veröffentlicht das RKI in seinem täglichen Lagebericht die „Sieben-Tage-Inzidenz Hospitalisierte gesamt“. Bislang gab es beim RKI nur das Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), in dem aber ausschließlich die Zahlen der Intensivbettenbelegung und der Bettenkapazitäten nach Landkreisen aufgeschlüsselt zusammengetragen werden. Im neuen Meldesystem für die Hospitalisierung an die Gesundheitsämter werden jetzt alle Krankenhausaufnahmen und zum Beispiel auch der Impfstatus der Patientinnen und Patienten erfasst.

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Nicht ganz, sie spielt aber seit der dritten Welle im Frühjahr keine zentrale Rolle mehr bei der Bewertung des Pandemie-Geschehens und den daraus folgenden politischen Entscheidungen wie Schulöffnungen oder Ausgangsbeschränkungen. Denn steigt die Inzidenz wie zurzeit, sterben aufgrund der Impfungen nicht automatisch viel mehr Menschen im Zusammenhang mit Covid-19. Intensivmedizinerinnen und -mediziner warnen aber: Die Auslastung der

Wo kann ich die neuesten Zahlen zur Hospitalisierungsrate einsehen?

Ein Dashboard des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigt auf dessen Homepage die aktuellste Entwicklung der Hospitalisierungsrate. Der Lagebericht stellt im Abschnitt „Krankheitsschwere“ neben anderen Covid-19-Trends auch die Hospitalisierungsrate für ganz Deutschland dar, aufgeschlüsselt nach Altersgruppen und nach den einzelnen Bundesländern. Er zeigt zudem an, wie viele Intensivbetten in den einzelnen Bundesländern pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern mit Covid-19-"Fällen" belegt sind. www.corona.rki.de

Intensivbetten verlaufe weiterhin proportional zur Inzidenz. Dank der Impfungen würden vergleichbare Belegungen der Intensivbetten aber erst bei höherer Inzidenz als im vergangenen Winter erreicht. Doch bereits ab Inzidenzen von 200 pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner sei wieder eine erhebliche Belastung der Intensivstationen mit mehr als 3.000 Covid-19-Patientinnen und -patienten zu erwarten, sofern die Impfquote nicht noch mehr gesteigert werde. Sie raten dazu, die Inzidenzen weiterhin zu berücksichtigen, da sie sehr gut aussagen, wie sich das Virus in der Bevölkerung verbreitet.

Was sagen die Kritikerinnen und Kritiker?

Einige Expertinnen und Experten kritisieren, dass der Hospitalisierungswert die Pandemielage verzögert widerspiegelt, kurz gesagt: zu alt ist, da zwischen einer Infektion und dem Auftreten von schweren Symptomen meist mehrere Tage vergehen und damit die Krankenhauseinweisungen im Schnitt erst nach zehn Tagen erfolgt. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach etwa sagt: „Wenn ich die Hospitalisierungsrate von heute auswerte, sehe ich, was ich vor zwei Wochen falsch gemacht habe." Außerdem würden die Krankenhäuser die Meldungen derzeit nicht digital sondern auf Papier per Fax ans Gesundheitsamt schicken, das sei höchst fehleranfällig und sorge für Verzögerungen, bemängelt etwa die DIVI. Dritter Kritikprunkt: Der Wert erfasst nicht alle Patientinnen und Patienten, die unter Corona leiden - etwa an Long Covid, aber nicht im Krankenhaus liegen. 

Genügt die Hospitalisierungsrate also nicht, um das Pandemie-Geschehen zu bewerten?

Der Bundestag hat beschlossen, weitere Indikatoren bei der Bewertung des Infektionsgeschehens zu berücksichtigen, wie die nach Altersgruppen differenzierte Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner in sieben Tagen, die verfügbaren freien Betten auf Intensivstationen und die Zahl der Geimpften. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft geht noch weiter und fordert sogar einen Mix aus zwölf Indikatoren, und zwar der Hospitalisierungsrate, der Zahl der schweren Krankheitsverläufe, der Anzahl freier Intensivkapazitäten, der Todesfälle, der Impfquote, des R-Werts, also wie viele Menschen ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt sowie die Zahl der Menschen, die wegen Covid-19 arbeitsunfähig sind. Wie ein Berechnungsschlüssel aussehen könnte, der die verschiedenen Indikatoren zu einem Leitwert verrechnet, ist bis heute noch nicht klar. Den wird wohl das Robert Koch-Institut entwickeln müssen.

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