Die invasive Art kann Viren übertragen. Die Stadt Köln hat Bürger bereits gebeten, bei der Entdeckung und Bekämpfung mitzuhelfen. Wie Experten die Lage einschätzen.
Invasive Arten in NRWTigermücke im Anflug - Wie gefährlich ist sie?

Die Asiatische Tigermücke ist eine von 53 Stechmückenarten in Deutschland. Sie breitet sich immer weiter aus - auch in NRW.
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Wissen Sie, wer sich auch über das schöne Wetter freut? Die Asiatische Tigermücke, denn die hat jetzt Hochsaison. Bis vor kurzem war sie eigentlich nur für Menschen im Süden Deutschlands ein Thema. Dort plagt man sich mit Aedes albopictus schon seit mehr als zehn Jahren herum. Eingeschleppt aus Südeuropa fand sie auch im Breisgau milde Winter vor und blieb.
Nun ist sie im Rheinland angekommen – irgendwie ist sie „nur“ eine Mücke, irgendwie aber auch nicht: Weil sie gravierende Viruserkrankungen übertragen kann, steht sie als eine von 53 Stechmücken in Deutschland besonders im Fokus; weil die Stadt Köln in Sachen Prävention mal die Nase vorn hat, zumindest ein Stück weit; und weil man durch die neue Art vielleicht dazu kommt, ein mutmaßliches Exemplar tiefgefroren in einer Streichholzschachtel zu verschicken (siehe Info unten).
Das Insekt ist schwarz-weiß gestreift und deutlich kleiner als seine einheimischen Artgenossen. Es ist für Laien gar nicht so leicht zu erkennen, denn auch einige einheimische Stechmücken haben auch eine schwarz-weiße Zeichnung und geringelte Beine. Entomologisch Beschlagene können schon die Larven erkennen an Form und Färbung des Kopfes, des Atemrohrs und sogar der Schwimmweise. Die Mücke gilt als aggressiv, sie fliegt ihre Opfer penetrant an. Und das tagsüber.
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Wo kommt die Art in NRW bisher vor?
Der Klimawandel ebnet ihr den Weg nach Norden. „Die Tigermücke wird sich in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus auf jeden Fall weiter ausbreiten. Den Effekt haben wir in Süddeutschland aus Einzelnachweisen sehr stetig belegt; das Gleiche erwarte ich auch für NRW“, sagt Thomas Hörren. Er ist Entomologe, Mitglied im Entomologischen Verein Krefeld und Mitautor einer Langzeitstudie zum Insektensterben. Jetzt sieht er die neue Art im Anmarsch. Dafür wünscht er sich aber mehr Daten. „Es ist ein Grundproblem, dass aktuell kein Insektenmonitoring vom Land NRW durchgeführt wird. Nur damit kann man die vielen Fragestellungen rund um Stechmücken wirklich beantworten. Uns liegen die Tierfunde nicht vor. So können wir auch nicht bewerten, wie lokale Populationen konkret aussehen“, moniert Hörren. Das Land NRW hatte das Monitoring 2022 eingestellt. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Gesundheit und Arbeitsschutz (LfGA) erklärte etwa: Die Asiatische Tigermücke ist 2024 im südlichen NRW erstmals nachgewiesen worden.

Der Entomologe Thomas Hörren sagt: „Die Tigermücke wird sich in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus auf jeden Fall weiter ausbreiten. Den Effekt haben wir in Süddeutschland aus Einzelnachweisen sehr stetig belegt.“
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Konkreter wird Xenia Augsten, Expertin der „Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e.V.“ (KABS) mit Sitz in Speyer. Die Organisation hat ein Jahrzehnt Tigermücken-Expertise angesammelt und bestätigt, die invasive Stechmückenart habe sich bisher in NRW an wenigen Orten gezeigt und lokal begrenzt angesiedelt. 2021 haben Menschen in Euskirchen eine Tigermücke bei der KABS gemeldet, bei der eigenen Angaben zufolge mit die meisten Hinweise auf Tigermücken eingehen. 2023 kam Bonn dazu, 2024 gab es drei Hinweise aus der Region: aus Rösrath, Brühl und Kerpen.
Wie gefährlich ist die Tigermücke?
Wie jede Stechmücke nervt auch das Tiger-Modell den Menschen mit lästigen Stichen. Angst verbreitet ihr Auftritt, weil sie schwere Krankheiten übertragen kann. Das Robert-Koch-Institut spricht von 20 möglichen Viren, darunter die humanpathogenen West-Nil-, Dengue-, Chikungunya- und Zika-Viren. Allerdings: Keine Behörde drückt bisher den Alarmknopf. „Die Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke in Deutschland bringt neue Infektionsrisiken, die derzeit noch sehr gering sind“, sagt Susanne Glasmacher, Biologin beim Robert Koch-Institut. Damit das so bleibe, sei auch der Mückenschutz von Rückreisenden aus den Tropen nach Rückkehr im Sommer und Herbst wichtig, um eine mögliche Weitergabe tropischer Viren zu vermeiden. Glasmacher gibt aber auch zu bedenken: „Heimische Stechmücken sind bereits seit einigen Jahren vor allem in Ostdeutschland nicht mehr harmlos, sie können das West-Nil-Virus übertragen, das vor allem bei älteren und vorerkrankten Menschen schwer verlaufen kann.“
Neue Infektionsrisiken
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts sind keine Fälle bekannt, bei denen eine Asiatische Tigermücke in Deutschland an der Übertragung eines Krankheitserregers auf den Menschen beteiligt war. Doch selbst wenn wir diesen Viren-Weg noch nicht fürchten müssen, ist das Insekt mit Vorsicht zu genießen: Die Tigermücke ist eine invasive Art, breitet sich also Stück für Stück aus und kann uns so künftig deutlich mehr Probleme bescheren. Ein erster autochthoner, also im Gebiet vor Ort erworbener Chikungunya-Fall im Elsass Anfang Juli zeigt, dass die Entwicklungsszenarien keine reine Theorie mehr sind. Die Bekämpfung ist also wichtig, das betont auch Susanne Glasmacher vom RKI.
Was wird gegen die Ausbreitung getan?
Deshalb setzen einige Kommunen schon jetzt darauf, das Insekt zu bekämpfen – auch die Stadt Köln. Experte Hörren sagt: „Lokale Strategien sind wichtig. Köln setzt darauf, frühzeitig aufzuklären. Das ist spannend.“ Es sei jetzt, wo die Gefahr noch gering ist, geboten, den Menschen im Umgang mit solchen Krankheitsträgern zu schulen. In Köln gab es zwar noch keine Fundmeldung, aber die Stadtverwaltung hat die Bürger bereits um Wachsamkeit gebeten. „Seit Jahren beobachtet das Gesundheitsamt die Ausbreitung invasiver Arten aufgrund des Klimawandels und damit einhergehende Krankheitsrisiken“, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Funde in Nachbarkommunen hätten die Behörde veranlasst, die Bevölkerung schon zu informieren, und sich zu vernetzen: Das Gesundheitsamt arbeitet demnach mit dem städtischen Umweltamt- und Verbraucherschutzamt zusammen und ist mit dem LfGA in Sachen Tigermücke verbunden. Auch zur KABS bestehe Kontakt.
Wichtig sei aber vor allem die Mithilfe der Bevölkerung. Das Gesundheitsamt will so einen Überblick über das Vorkommen der Tigermücke in Köln bekommen, „mit dem Ziel der schnellen und effektiven Bekämpfung“.
Was kann jeder zuhause tun, damit sich die Tigermücke nicht ausbreitet?
Xenia Augsten von der KABS erwartet in den kommenden Tagen und Wochen den Höhepunkt der Mückensaison. „Die aktuelle Regenphase war für die Stechmücken schön. Jetzt findet man vermehrt neue Populationen – im August erreichen wir das Maximum des Tigermückenaufkommens“, sagt sie. Die Mithilfe von Privatpersonen sei deshalb so wichtig, weil Wasserstellen im heimischen Garten, auf Terrasse oder Balkon genauso Brutstätten seien wie jedes Seeufer oder jede Pfütze.

„Im August erreichen wir das Maximum des Tigermückenaufkommens“, sagt Xenia Augsten von der KABS.
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Die Tigermücke legt ihre Eier nämlich am Rand von Gefäßen und kleinen Gewässern ab. Die wichtigsten Maßnahmen deshalb: Alle Gefäße, die mit Wasser gefüllt sind und draußen stehen, am besten entfernen. Wer Wasser aus Untertöpfen oder Blumengefäßen ausschüttet, soll das auf Rasenfläche oder Erde tun, nicht in den Abfluss – dort kann das Larvenleben nämlich weitergehen. Tränken für Vögel und Igel sollten einmal pro Woche frisches Wasser bekommen und am Ende der Saison gründlich gereinigt werden – die Eier überleben so einiges. Regentonnen deckt am wirkungsvollsten ein feinmaschiges Netz ab. Regenrinnen, Wasserabläufe oder Gullys kann man – wenn es das Material zulässt – mit mindestens 60 Grad heißem Wasser ausgießen, um Larven abzutöten. Alternativ helfen auch sogenannte Bti-Tabletten aus dem Baumarkt – ein biologisches Larvizid, das laut KABS seine Wirkung nur dann nachhaltig entfaltet, wenn es konsequent alle zwei Wochen zum Einsatz kommt. Wichtig ist in jedem Fall, verstopfte Regenrinnen und Rohre wieder freizumachen, denn darin brüten die Tiere auch sehr gerne.
Wie wird sich die Ausbreitung von Aedes albopictus auf das hiesige Ökosystem auswirken?
Entomologe Hörren erklärt, dass fremde Arten in der Theorie negative Effekte auf unsere heimischen Insekten haben. „In Wirklichkeit weiß man darüber aber oft nur sehr wenig. Wissenschaftlich ist das nicht konsistent“, sagt er. Bei manchen invasiven Arten sei ein Management gar nicht mehr möglich, so wie bei der Asiatischen Hornisse. „Am Anfang hat man sich Sorgen gemacht und es war klar, dass sie sich ausbreiten wird. Aber man weiß bis heute nicht, wie die ökologischen Auswirkungen tatsächlich sind. Dazu wird zu wenig geforscht.“ Nur ausreichendes Datenmaterial könne helfen. „Wir führen in mehreren Bundesländern, etwa Baden-Württemberg und im Saarland ein Insektenmonitoring durch – dort wissen wir über die Mückenarten besser Bescheid. Ein Beispiel, wo das gut gelingt, ist die Asiatische Buschhornmücke, die bei uns auch schon heimisch ist. Da gibt es bereits einige Messpunkte, weil sie schon seit einigen Jahren etabliert ist. Das ist bei der Asiatischen Tigermücke noch nicht der Fall.“
Wie ist der Ausblick?
Mit Blick auf Lebensqualität und Gesundheitsschutz des Menschen blickt Austen optimistisch in die Zukunft. „Nachdem wir mit dem Bekanntwerden der Vorkommen direkt mit der Bekämpfung begonnen hatten, ist es mit der Zeit tatsächlich gelungen, ganze Populationen wieder auszulöschen“, sagt Augsten mit Blick auf südlichere Bundesländer. Wie lange ein solcher Zustand anhält, bleibe aber vage. Die Stechmücke beispielsweise erlebt im Süden Sommer für Sommer eine optimale Witterung. Je mehr Tiere, desto besser funktioniert der Fachfrau zufolge die gegenseitige Unterhaltung von Populationen. Aber überall wird es wärmer, das Klima verändert sich und die KABS richtet sich neu aus. Das Ziel Ausrottung ist passé, weil unerreichbar; die konsequente Eindämmung kann aber gelingen – „vor allem, wenn die Bevölkerung mithilft“, sagt Augsten.
Mückenatlas - Wie man Mückenfunde am besten meldet
Der Mückenatlas ist ein Citizen Science-Projekt. Um diese größte Kartierung von Stechmückenfunden in Deutschland zu erstellen, helfen interessierte Bürger, wissenschaftlich verwertbare Daten zu erheben. Sie sammeln und verschicken Mücken, die Spezialisten für die Auswertung aufarbeiten.
Das geht so: Die Mücke soll unversehrt gefangen, nicht platt gehauen oder zerquetscht werden. Nehmen Sie verschließbare Gefäße aus Glas, Kunststoff oder ähnliches und stülpen sie diese über die Mücke, sobald sie sich niedergelassen hat. Wenn Sie mehrere Mücken fangen, sollten nur wenige Tiere zusammen in einem Gefäß platziert werden.
Legen Sie das Gefäß über Nacht ins Gefrierfach, um die Mücke zu töten. Falls sich Flüssigkeit im Gefäß niedergeschlagen hat, lassen Sie es mitsamt der toten Mücke eine Weile offen stehen bis die Feuchtigkeit verdunstet ist. Füllen und drucken Sie das Einsendeformular aus.
Geben Sie die tote Mücke ohne sie anzufassen in einen geschlossenen Behälter, der sich gut verschicken lässt, etwa ein kleines Plastikdöschen oder eine Streichholzschachtel; versenden Sie es mit Formular an: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung e.V.
„Mückenatlas“
Eberswalder Straße 84
15374 Müncheberg Weitere Informationen unter mueckenatlas.com Die Stadt Köln sammelt Meldungen unter tigermuecke@stadt-koeln.de