Der wirklich nette Herr Jauch

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Günther Jauch

Günther Jauch

Fleißig, glaubwürdig, bodenständig und ein bisschen konservativ - ein Portrait.

Seine Mimik spricht Bände: ob verdutzt oder amüsiert, leicht genervt oder gerührt - man sieht Günther Jauch alles an der Nasenspitze an: auch, wenn ihm sein Gegenüber unsympathisch ist. Dagegen muss man schon zweimal hinschauen, um zu erkennen, dass der „Wer wird Millionär“-Moderator heute 50 Jahre alt wird. Eine Umfrage hat kürzlich ergeben, dass er Deutschlands Frauen mit seiner erotischen Ausstrahlung zum Träumen bringt. Brad Pitt sei nichts dagegen. Dabei kann es sich nur um einen Fall kollektiven weiblichen Realitätsverlustes handeln. Jauch ist kein Adonis und findet sich selbst auch nicht sonderlich attraktiv: der Hals sei zu dünn und zu lang, die Nase zu groß. Hinzu komme ein fliehendes Kinn und der fehlende Hinterkopf.

Dennoch lässt sich sein Platz eins auf der Beliebtheitsskala der Deutschen erklären. Wen man mag, guckt man sich schön. Und gemocht wird er wegen der Glaubwürdigkeit, die er ausstrahlt, wegen seines jungenhaften Charmes und seiner Bodenständigkeit. Der lebende Beweis für die Behauptung, dass wahre Schönheit von innen kommt. Jauch ist kein Bildschirm-Magier, sondern der Typ „netter Nachbar“. Wenn er kokettiert - und das tut er gerne - dann macht er daraus keinen Hehl, sondern feixend sein „ich weiß, dass ich keck bin“-Gesicht.

Seit bekannt wurde, dass Jauch von September 2007 an das Erbe von „Sabine Christiansen" antritt und damit die öffentlich-rechtlichen Weihen als politischer Journalist erhält, grübelt so mancher über die Gründe für diese Entscheidung: Hat der Mann nicht schon genug zu tun? Wie geht es mit seinen Werbeverträgen weiter, deren Erlöse wohltätigen Zwecken zugute kommen? Oder fühlt er sich nach fünf Jahrzehnten Erdenleben endlich erwachsen genug, um der guten alten Tante ARD nach vielen Jahren bei RTL wieder seine Aufwartung zu machen? Als der perfekte Schwiegersohn für alle politischen Fälle?

Abwegig ist der Gedanke, dass Jauch sich damit einen gut kaschierten Minderwertigkeitskomplex vom Hals schaffen will, jedenfalls nicht. Immerhin war sein Vater Leiter des Berliner Büros der Katholischen Nachrichtenagentur, ein erfolgreicher, seriöser Journalist. In einem Brief an einen Bekannten soll Jauchs 1991 gestorbener Vater Ernst-Alfred Jauch geschrieben haben: „Was Günther macht, verstehe ich zwar nicht, aber es wird wohl gut bezahlt. Kein Mensch weiß, warum.“ Das tut weh. Vielleicht will der Sohn sich nun als ernsthafter Journalist profilieren - einer, der den Politikern auf den Zahn fühlt und nicht um den Bart geht, der zuhören kann. Dass er diese Kunst beherrscht, beweist er seit 1990 bei „Stern TV" (RTL). Wobei die elf gefälschten Reportagen des Filmemachers Michael Born, auf die er Mitte der 90er Jahre reinfiel, seine TV-Karriere als Journalist und Chefredakteur des Boulevard-Magazins erheblich beschädigten. Wenn für den Christiansen-Erben nun ein geheimer Wunsch in Erfüllung geht - ein anderer ist auf der Strecke geblieben: Er wollte Fußballspieler werden. Immerhin hat er von 1988 an zehn Jahre lang beim ZDF „Das aktuelle Sportstudio“ moderiert, als Nachfolger von Harry Valérien.

Erfahrungen als Sportreporter hatte er bereits beim Hörfunk gesammelt. Zunächst beim Rias Sportfunk und danach beim Bayerischen Rundfunk in München, wo er nebenher zunächst Jura studierte, auf Politik und Neuere Geschichte umsattelte und dann auf die Deutsche Journalistenschule ging. Bienenfleißig könnte man ihn nennen - und würde untertreiben. Strebsam, ohne ein Streber zu sein, repräsentiert Jauch so ziemlich alle Eigenschaften, die man einem guten Deutschen nachsagt. Um Drogen macht er einen Bogen, und wenn es sein muss, bläst er seinen Vorgesetzten den Marsch wie 1989, als er dem Bayerischen Rundfunk vorwarf, er bevorzuge und unterstütze „angepasste, karrieregeile, zynische Smarties“, was ihn seinen Job kostete.

Inzwischen hat er mit I & U TV (wie Information und Unterhaltung) am Hohenzollernring in Köln eine eigene Produktionsfirma und kann sich die Mitarbeiter aussuchen.

Nicht ganz leicht fällt die Vorstellung von seinen Sturm und Drang-Jahren: Nachdem er bereits mit 17 Jahren sein Abitur gemacht hatte, zog er ein Jahr später von zu Hause aus, ließ sich die Haare wachsen und rauchte wie ein Weltmeister. Aus Protest. Es ist nicht überliefert, ob diese Phase lange gedauert hat.

Dass Jauch sein Privatleben bis auf wenige Eckdaten unter Verschluss hält, passt zu jemandem, der seinen Kindern verbietet, Film-Kassetten anzusehen, bevor sie nicht das Buch gelesen haben. Bekannt ist auch, dass der in Münster geborene und in Berlin aufgewachsene Jauch konservativ erzogen wurde, Ministrant war und eine katholische Grundschule in Berlin besuchte. Thomas Gottschalk, einer seiner berühmten Freunde aus frühen Jahren, bekrittelt seine mangelhaft ausgeprägte Genussfähigkeit. Es lässt sich erahnen, dass Jauch dergleichen Kritik „wurscht“ ist. Nicht „wurscht“ ist es ihm dagegen, wenn Neonazis ihr Unwesen treiben oder der Urwald abgeholzt wird. Aus Sorge um die Zukunft der Welt und die seiner vier Kinder, zwei eigene und zwei aus einem Waisenhaus in Sibirien adoptierte. Dass er vergangene Woche vor den Traualtar trat, um die Diplompädagogin und Krankengymnastin Thea Sihler nach 18 gemeinsamen Jahren zu ehelichen, lässt sich als Zeichen zunehmender Reife deuten. Seinen vergleichsweise unaufwändigen Lebensstil will der 50-jährige Millionär beibehalten. So ist er eben.

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