„Die große Welt war nicht ihre Welt“

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Wegen des Todes von Elisabeth Schumacher wurde gestern an der Kartbahn in Kerpen-Sindorf halbmast geflaggt.

Kerpen - „Sie war so ein feiner Mensch - lebenslustig, liebenswert und freundlich“ - die Augen der 50 Jahre alten Gastwirtin füllen sich mit Tränen. Wie in Trance greift sie zum Sieb und taucht die Pommes frites in heißes Öl. Dann geht sie in den hinteren Teil der kleinen Gaststätte, greift zum Papiertaschentuch und schnäuzt sich. „Es ist ein trauriger Tag. Michael hat mich heute Morgen angerufen und mir gesagt, dass seine Mutter gestorben ist“. Ihr Blick ist auf den Boden gerichtet. Die 50-Jährige hat zusammen mit ihrem Mann die Gaststätte „Zur Kartbahn“ in Kerpen-Manheim übernommen, in der einst Elisabeth Schumacher für das leibliche Wohl der großen und kleinen Rennfahrer sorgte. „Wir haben sie vor zehn Jahren kennen gelernt, und daraus ist eine echte Freundschaft geworden.“ Elisabeth Schumacher sei in den vergangenen Jahren häufig „bei uns hier unten“ gewesen. Ihr Haus liegt nur einen Steinwurf von der Kartbahn entfernt. Wenn sie das Donnern der Motoren gehört habe, sei nicht selten ihr Anruf gekommen: „Na, ihr habt gut zu tun, was?“

Ansprüche wuchsen

Anfang der 70er Jahre hatte der Horremer Kartclub das ausgekieste Gelände an der Steinheide in Kerpen-Manheim übernommen und dort Schritt für Schritt ein Eldorado für die Motorsportfreunde geschaffen. Rolf Schumacher, Vater von Michael und Ralf, legte selbst Hand an, als das Gebiet vom Grün befreit und planiert werden musste. Mutter Elisabeth bekochte derweil die hart arbeitende Mannschaft, anfangs in einem Imbisswagen. Mit der wachsenden Leidenschaft des Kart-Sports wuchsen auch die Ansprüche. Zur ersten Bahn kam eine zweite - und später eine dritte - hinzu, aus der mobilen Küche wurde eine respektable Gaststätte mit 15 Tischen und einer großen Fensterfront für das staunende Publikum. Mit dem Erfolg ihrer beiden Söhne wuchs allerdings auch die Einsamkeit der Mutter. Michael Schumacher zog mit seiner Frau Corinna und den beiden Kindern an den Genfer See in die Schweiz, Ralf ging mit seiner Frau Cora und dem gemeinsamen Sohn ins Österreichische nahe Salzburg. Und auch ihren Mann Rolf hielt es nicht länger in Manheim. Er fand eine neue Liebe und verließ seine Frau 1997. „Elisabeth war ein Familienmensch. Die Trennung von Rolf hat sie nicht verkraftet“, sagt der Gastronom aus Manheim, der Rolf Schumacher beim Fitnesstraining in Bergheim kennen gelernt hatte.

„Danach hat sie sich völlig zurückgezogen. Außerhalb von Manheim war sie verloren“, weiß die Freundin. „Hier fühlte sie sich sicher, konnte lachen und fröhlich sein. Die große Welt war nicht ihre Welt.“ Nur selten fuhr oder flog sie zu den Rennen der Söhne, obwohl gerade ihnen und deren Familien ihre ganze Fürsorge galt. „Und die Jungs waren auch auf sie fixiert“, sagt die Gastwirtin. „Wenn es irgendwie einzurichten war, besuchten sie sie hier. Und dann kamen sie zusammen hier runter und setzten sich an den Familientisch“, erzählt sie und zeigt auf einen großen runden Tisch an der Fensterfront. „Vorletztes Wochenende saßen Michael und Corinna noch hier, nachdem sie die Mutter im Krankenhaus besucht hatten.“ Wenige Tage zuvor soll Elisabeth Schumachers Schwager Karl-Heinz sie bewusstlos in ihrem Haus gefunden und zunächst in die Klinik in Düren-Birkesdorf gebracht haben.

„Ich habe sie noch vor wenigen Wochen gesehen. Da machte sie einen ganz gesunden Eindruck“, erinnert sich die Freundin. Ostern vor einem Jahr sei sie gestürzt und habe sich den Fuß gebrochen. „Daran hat sie lange rumlaboriert, aber sonst war sie fit.“ Die Kartbahn sei ihr Leben gewesen. Richtig aufgeblüht sei sie im Oktober vergangenen Jahres, als die Kart-Weltmeisterschaft aus dem japanischen Suzuka kurzfristig nach Manheim verlegt worden sei. Michael und Ralf seien anlässlich der Meisterschaft angereist und hätten bei der Mutter gewohnt. „Da war sie ganz in ihrem Element.“ Das mehrtägige Zusammensein mit „den Jungs“ hätte sie damals so genossen. „Haben Sie Kinder? Dann wissen Sie, was Elisabeth meinte“, sragt die 50-Jährige.

Sie sei trotz des Ruhmes ihrer Söhne so bodenständig geblieben. Ein Ring aus einem Kaugummiautomaten hätte ihr genauso viel Freude gemacht wie der teure Schmuck, den man ihr umgehängt habe - wichtig sei nur gewesen, dass es ein Geschenk ihrer Söhne gewesen sei.

Völlig zurückgezogen gelebt

Nach dem Bau der neuen Kartbahn in Kerpen-Sindorf habe sie zunächst den Verkauf von Fan-Artikeln betreut. Damit habe sie jedoch vor vier Jahren aufgehört und sich völlig nach Manheim zurückgezogen.

Nach Hürth soll sie gelegentlich noch gefahren sein, ihrem Geburtsort. Das zumindest erzählt Agathe Scheuer, die 80 Jahre alte Mutter von Elisabeth Schumacher, die in Alt-Hürth lebt. „Sie hat mich vor 14 Tagen noch besucht“, erzählt sie weinend. Ihre Stimme wirkt brüchig. Der Verlust der Tochter treffe sie hart. Hart treffe sie allerdings auch der Umstand, dass sie aus den Medien vom Tod ihrer Tochter erfahren mussten. „Warum haben mich Michael oder Ralf nicht angerufen?“, fragt sie sich. Wo Elisabeth Schumacher beerdigt werden soll, auch darüber hat sie keine Informationen. „Da geh ich nicht hin. Aber ich hoffe, dass Elisabeth ihre Ruhe findet“, sagt sie mit tränenerstickter Stimme.

In Manheim gedachte man ihrer gestern während des Ostergottesdienstes, berichtet Loni Lamberts, Ortsvorsteherin in dem Kerpener Stadtteil.

Derweil hatte man an der Michael-Schumacher-Kartbahn in Sindorf halbmast geflaggt. Mit Tränen in den Augen erzählte Gert Brandes, Präsident des Kartclubs, von seiner 23-jährigen Freundschaft zu Elisabeth Schumacher und von der Lebensfreude, die in ihr gesteckt habe.

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