EigelsteinSorgenkinder im „Nuttenviertel“

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Innenstadt – Der grauhaarige Herr hat sich schick gemacht, hat sich eine Krawatte umgebunden und ein etwas zu weites Sakko angezogen. Er hockt in der hintersten Ecke am Tresen einer düsteren Kneipe am Eigelstein, es ist Mittwoch, kurz nach zwölf Uhr mittags. Auf dem Barhocker neben ihm sitzt eine junge Frau, lange braune Haare, rote Hotpants, Strumpfhose - ein typisches „Anbahnungsgespräch“, wie die Polizei solche Situationen nennt.

Grundsätzlich verboten ist ein solcher Plausch am Tresen nicht, wohl aber Prostitution auf offener Straße. Und weil sich die Rotlichtszene rund um den Eigelstein in den vergangenen Wochen zunehmend auf die Straße verlagert, sind Anwohner und viele Geschäftsleute besorgt und verärgert. „Die Zuhälter stehen hier mit ihren Mädchen mitten auf dem Bürgersteig. Manche parken mit ihren dicken Schlitten alles zu, und wenn man etwas sagt, wird man blöd angemacht“, erzählt ein Anwohner.

Junge Frau wurde verprügelt

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Kürzlich beobachtete ein Lkw-Fahrer im Rückspiegel, wie ein mutmaßlicher Zuhälter eine junge Frau verprügelte - mitten auf dem Gehweg, mittags um zwölf. Der Zeuge rief die Polizei. Bewohner des Viertels klagen über Männergruppen, die sich mitten auf der Straße lautstarke Wortgefechte liefern, auch nachts. „Das sind Situationen, in denen man sich unterschwellig unsicher fühlt und die Straßenseite wechselt“, sagt Günther Halbreiter vom Förderverein Eigelstein e.V.

Halbreiter findet es gut, dass die Polizei seit einer Woche verstärkt mit Zivilkräften und uniformierten Beamten im Viertel präsent ist. Auch in den nächsten Tagen wollen die Ermittler verdächtige Personen kontrollieren und bei entsprechenden Hinweisen auf Straftaten Geschäfte oder Lokale durchsuchen. Am Dienstag nahmen Polizisten an der Eintrachtstraße einen mutmaßlichen Hehler fest.

„Wir wollen verhindern, dass der Eigelstein zum Magneten für alle Sorgenkinder dieser Welt wird“, sagt Polizeioberrat Volker Lange, Leiter der Führungsstelle der Polizeiinspektion Mitte. Seit einiger Zeit beobachten die Ermittler, dass vermehrt Autos mit osteuropäischen Kennzeichen im Viertel parken, dass Männer sich in Gruppen treffen, ihre Geschäfte besprechen. Wenn die Beamten sie fragen, warum sie sich in Köln aufhalten, hören sie immer dieselben Antworten: „Wir besuchen einen Verwandten“ oder „Wir sind Touristen.“ Seit das Meldegesetz nicht mehr vorschreibt, beim Einzug eine Unterschrift des Vermieters im Bürgeramt vorzulegen, macht die Polizei mitunter erstaunliche Erfahrungen: „Da sind dann schon mal 44 Menschen in ein und derselben Einzimmerwohnung gemeldet“, berichtet ein Beamter.

„Es ist nicht so, dass das Viertel absäuft“, betont Volker Lange, „aber diese kriminelle Szene darf nicht das Straßenbild beherrschen. Von diesen Personen haben die Bewohner und die Stadt rein gar nichts, außer einem Imageverlust.“

Zwei ältere Herren, die vor einer Bäckerei Kaffee trinken, bezeichnen ihr Veedel unverhohlen als „Nuttenviertel“. „Das typisch Kölsche gibt es hier leider schon seit 20 Jahren nicht mehr“, sagt einer von ihnen und schwärmt von jener Zeit, als der Boxer Peter Müller („Müllers Aap“) noch über den Eigelstein spazierte. Die beiden Männer sind im Viertel geboren, sie sind hier zur Schule gegangen und wohnen geblieben. Sie würden gerne noch mal die guten alten Zeiten am Eigelstein erleben.

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