Gasalarm legt Kölner Innenstadt lahm

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Am Kurt-Hackenberg-Platz riss ein Bagger die Gasleitung auf; wegen Explosionsgefahr wurde der Strom abgeschaltet.

Am Kurt-Hackenberg-Platz riss ein Bagger die Gasleitung auf; wegen Explosionsgefahr wurde der Strom abgeschaltet.

Vereinfacht ausgedrückt geht es auf dem wissenschaftlichen Fachgebiet der Chaosforschung um die Verquickung unglücklicher Umstände und deren Folgen. Die Begriffe Stadtbahn-Bau und Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) tauchen in der Fachliteratur bislang noch nicht auf. Am Donnerstagmorgen haben sich die Arbeiter der U-Bahn allerdings nachhaltig in Erinnerung gebracht. Gegen acht Uhr hat ein Baggerfahrer am Kurt-Hackenberg-Platz in Bahnhofsnähe mit einem Bohrgerät eine Gasleitung beschädigt. Weil Explosionsgefahr bestand, wurde im Umkreis von einem Kilometer sofort der Strom abgeschaltet. Erst nach mehr als vier Stunden gingen die Lichter in Museen, Hotels, im Rathaus und in Tiefgaragen wieder an.

In einer Fontäne aus Schmutz und Kies war das Gas auf dem Baustellengelände mit gewaltigem Druck an die Erdoberfläche geschossen. „Rund um den Bagger sieht es ziemlich chaotisch aus“, sagte einer der Bauarbeiter. Die Baustelle wurde sofort geräumt, Feuerwehr und Polizei sperrten Roncalliplatz, Komödienstraße und die Umgebung rund um das Römisch-Germanische Museum ab. Wenige Minuten später erreichte der Notruf die Zentrale der Rhein-Energie AG. Per Fernsteuerung wurde die Umspann-Anlage am Dom abgeschaltet. Es ist die Hauptverteilerstation für weite Teile der Innenstadt. „Die Gefahr von Funkenflug muss bei einem Gas-Austritt vermieden werden. Normalerweise können wir den Strom gezielt in einzelnen Häusern abstellen, das geht bei der Hauptanlage aber nicht“, sagte Arnold Sitte, Sprecher der Rhein-Energie.

Während Spezialisten das Gas abstellten und mit der Untersuchung des 30 Zentimeter dicken Rohrs begannen, liefen in der städtischen Verkehrsleitzentrale die Notstromaggregate an. Nach einer Stunde gaben auch die den Geist auf. Der Hauptrechner in der Dom-Tiefgarage war vom Netz getrennt. An zehn Kreuzungen fielen die Ampeln aus. Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, den Verkehr in einigermaßen geregelte Bahnen zu lenken. Rund um den Bahnhof kam es zu langen Staus. Viele Monitore, die sonst die Bilder der Verkehrskameras zeigen, blieben schwarz. Das Dom-Hotel empfing seine Gäste an der Rezeption mit Kerzenschein. Auch die Mitarbeiter des Römisch-Germanischen-Museums und des Museums Ludwig mussten ihren Arbeitsplatz aus Sicherheitsgründen verlassen.

Folgen bis Ehrenfeld zu spüren

Die Folgen des Stromausfalls waren bis nach Lindenthal und Ehrenfeld zu spüren. Denn auch das zentrale Netzwerk der Stadt Köln war abgeschaltet. Im Rathaus blieben die Computer aus, in den Bürgerämtern in Lindenthal und Ehrenfeld konnten keine Anträge bearbeitet werden. „Auch das Gesundheitsamt war betroffen. Der Bürgerservice war nicht in der gewohnten Form möglich“, sagte Stadtsprecher Jürgen Müllenberg. In der „Rentkammer“ des Historischen Rathauses hatte der Stromausfall einen romantischen Nebeneffekt: Gleich mehrere Ehen wurden bei Kerzenschein geschlossen.

Ungeahnte Folgen hatte die Unterbrechung der Stromzufuhr für Autofahrer, die ihren Wagen in der Dom-Tiefgarage abgestellt hatten. Plötzlich hatten sich die Brandschutztore geschlossen und die Ausfahrt versperrt. Über einen Treppenaufgang mussten mehrere Autofahrer die Tiefgarage verlassen und warten. In einem Hotel war ein Gast im Fahrstuhl eingeschlossen und musste befreit werden.

Der Gas-Austritt ist der jüngste einer Reihe von Zwischenfällen beim Bau der Nord-Süd-Stadtbahn. Im September 2004 hatte sich als Folge von Bohrungen der Kirchturm von St. Johann Baptist zur Seite geneigt. Mehrfach barsten Wasserrohre entlang der Bonner Straße. Auch im Turmkeller des Rathauses sind Schäden aufgetreten (siehe Meldung). Um 12.30 Uhr ging die Hauptverteilerstation wieder ans Netz. Das Chaos in der Innenstadt blieb noch stundenlang.

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