RosenmontagDer Traktorfahrer des Prinzen

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Vorfreude pur: Schreinermeister Volker Hilfert – hier mit seinem Deutz Allrad – darf nach 20 Jahren im Zug erstmals den Prinzen fahren. (Bild: Worring)

Vorfreude pur: Schreinermeister Volker Hilfert – hier mit seinem Deutz Allrad – darf nach 20 Jahren im Zug erstmals den Prinzen fahren. (Bild: Worring)

Köln – Rosenmontagszug „Eimol Prinz zo sin“ ist ein kölscher Jungentraum, einmal Traktor fahren auch. Für Volker Hilfert (46), Schreinermeister aus Weiß, wird der Kindertraum am Rosenmontag auf einzigartige Weise wahr. Er darf den Prinzen fahren. Genauer gesagt: den Traktor vom Typ Deutz D 8006, 6 Zylinder, Hinterachsantrieb, 80 PS, der den Wagen von Prinz Marcus II., Länge 13,20 Meter, Höhe 4,40 Meter, Breite 3,20 Meter, durch die Stadt ziehen wird.

Seit 20 Jahren ist Hilfert als Traktorfahrer im Zoch dabei, wegen seiner Erfahrung gilt er als Spezialist für Großwagen. Als ihn im Januar Detlef Hunold, der beim Festkomitee die Traktoren koordiniert, anrief und fragte, ob er den Prinzen fahren wolle, gab’s kein Zögern: „Ich will!“ So etwas werde man nur einmal gefragt.

Volker Hilfert wuchs in Rodenkirchen auf; der bis heute letzte Bauer in Rodenkirchen, Alfred Pulheim, war sein Nachbar. Der Junge half auf dem Hof, wollte Landwirt werden und fuhr, als er älter war, Zuckerrüben, Getreide und Stroh.Die Ausbildung machte er dann doch zum Möbelschreiner, die Liebe zu den Treckern ist geblieben. „Pulheim hatte einen Deutz Allrad, das war damals das Beste vom Besten“, schwärmt Hilfert, der heute, neben zwei Unimogs, selbst einen gekauft und restauriert hat. „Aber den mit 100 PS. Als Kölner muss man einfach Deutz fahren.“

Ende der 1980er Jahre verlegte KHD seine Traktorenproduktion nach Lauingen ins Allgäu. Mit den Arbeitsplätzen waren auch viele Arbeiter weg und damit auch die Rosenmontags-Traktorfahrer, die KHD bis dahin gestellt hatte, ähnlich wie Ford die Bagagewagen nebst Fahrern noch heute. Also startete das Festkomitee einen Aufruf und suchte Fahrer unter den Bauern. Landwirt Pulheim hatte keine Lust, Hilfert hatte.

Sein erster Einsatz fiel wie der ganze Zug 1991 wegen des Golfkriegs aus, aber im Jahr darauf durfte er den Persiflage-Wagen der Luftflotte ziehen: „ Ich war total aufgeregt, aber du fragst dich schon: Warum mach ich das überhaupt? Dann bin ich in die Mohrenstraße eingebogen und hatte dreieinhalb Stunden Gänsehaut. Dann weißt du, warum. In der Severinstraße so und so – das ist das Dankeschön!“

Damals ging der Zug noch andersrum. Ab 1995 fuhr er den ehemaligen Bauer-/Jungfrau-Wagen, damals der drittgrößte im Zug, der jeweils für die Jubiläumsgesellschaften genutzt wird, und im vorigen Jahr die „Narrenkappe“ von Alt-Lindenthal – „der ist auch riesig“, sagt Hilfert.

Das lustigste Erlebnis in all den Jahren passierte im Sommer 2005: „In den Messehallen fand die Interkarneval statt und sollte mit einer Sonderschau der Persiflage-Wagen aufgewertet werden. Da haben wir Sonntagmorgen den kompletten Zug über die Zoobrücke nach Deutz gefahren. Zu der Zeit war Weltjugendtag und überall junge Leute aus aller Welt mit gelben Schals auf dem Weg zur Messe – die müssen gedacht haben, in Köln ist immer Karneval. Als wir morgens um sechs am Underground vorbeigedüst sind, standen ein paar Leute vor der Kneipe und haben sich gefragt, welche Drogen hab ich denn genommen?“

Hilferts Rosenmontag beginnt früh: Um 4.15 Uhr treffen sich alle Fahrer am Maarweg. Es gibt Kaffee, Frühstück und Lunchpakete. Die normalen Traktoren – das FK hat mit über 60 die größte Deutz-Traktorensammlung der Welt – stehen in der ehemaligen Basketballhalle am Girlitzweg, nur die mit Pferden oder Adlern dekorierten stehen in der Wagenhalle. Die Fahrer werden mit dem Bus hingebracht, holen dann mit dem Traktor ihre Wagen und stellen sich in der dafür abgesperrten Widdersdorfer Straße auf. „Einschleusen“ nennt sich das, denn alle Wagen suchen den Platz, den sie nachher auch im Zug haben werden.

In zwei Reihen wie bei der Startaufstellung der Formel 1 stehen alle Wagen zwischen Oskar-Jäger-Straße und Maarweg, wenn Volker Hilfert gegen halb acht seinen Prinzenwagen aus der Halle zieht. Sobald der letzte steht, geht es los: Dank Motorradpolizisten nonstop „rast“ der Zug in die Südstadt. Gegen neun, halb zehn Uhr sind alle im Aufstellbereich, und das Beladen mir Wurfmaterial beginnt. Das große Warten, denn erst gegen 15 Uhr setzt sich der Prinzenwagen in Bewegung. „Das ist der einzige Nachteil – mein Tag wird noch länger“, meint Hilfert achselzuckend.

Gelassenheit ist wohl eine wichtige Eigenschaft, denn was nun folgt, ist Konzentration und Präzision pur, dreieinhalb Stunden lang. Besonders in der Severinstraße geht es manchmal um Zentimeter. „Es ist erschreckend: Da schubsen Eltern ihre Pänz nach vorne – wegen einer Kamelle. Ohne die teils körperliche Arbeit der Wagenengel wäre ich total aufgeschmissen.“ Zumal es ja auch die Ansage der Zugleitung gibt, so zügig wie möglich zu fahren: „Auf Präsidenten, die sich von ihrer Tribüne feiern lassen wollen und deswegen langsamer fahren wollen, dürfen wir nicht hören.“

Erst im Dunkeln wird der beleuchtete Prinz Marcus II. den Auflösebereich an der Christophstraße erreichen. Dort steigt die ganze Besatzung aus, und Volker Hilfert fährt „unter Berücksichtigung der StVO“ alleine zum Maarweg. Wenn alles klappt, wird er dort gegen 19 Uhr endlich zur Toilette gehen können. Ob er den Prinzen treffen wird? „Keine Ahnung. Wir haben auf jeden Fall eins gemeinsam: Wir fahren zum ersten Mal auf dem Prinzenwagen – aber anders als Marcus werde ich das hoffentlich noch öfter haben.“

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