Strip-ShowAllein unter Frauen

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Alles andere als subtile Erotik: Die Chippendales im Theater am Tanzbrunnen. (Bild: Worring)

Alles andere als subtile Erotik: Die Chippendales im Theater am Tanzbrunnen. (Bild: Worring)

Köln – Davor hatte mich meine Oma immer gewarnt. Erstens: „Nadin, sei im Winter immer um sechs Uhr zu Hause.“ Zweitens: „Räum deine Wohnung auf, sonst verlässt dich dein Mann!“ und drittens: „Einen nackten Mann gibt es erst in der Ehe zu sehen. Nicht vorher!“

Nun, einen Ring am Finger habe ich noch nicht, doch im Theater am Tanzbrunnen habe ich mir trotzdem schon mal nackte Männer angesehen. Aus Recherchegründen. Nicht irgendwelche, sondern die berühmtesten ausgezogenen Männer der Welt: die Chippendales. Schnell entblößt werden elf sonnenverwöhnte, durchtrainierte, teilweise tätowierte Körper.

Das erste schrille Gekreische der 650 Damen im Publikum wird laut. Wenig später duscht auf einmal ein nackter Mann mit dem Rücken zum Publikum und bindet sich ein Badetuch um die Hüften. Eine junge Frau wird zum Frischgeduschten auf die Bühne gebracht. An die schmiegt sich der Stripper, sie darf ihm über die geschwellte Brust streichen, er greift ihr an den Hintern. Dann hilft sie ihm beim Anziehen. Im Smoking hievt er sie in die Höhe und trägt sie und den Herrendiener hinter den Vorhang. Ordnung muss sein.

Verwirrend ist eine Friedhofsnummer: Dieses Mal werden drei Frauen aus dem Publikum auf die Bühne geholt. Sie nehmen Platz auf einem Stuhl, der einem Sargdeckel nachempfunden ist. Die Männer bewegen sich sanft, lassen ihre Hüften quasi vor den Nasen der Frauen kreisen, fahren mit der Hand über deren Busen und mit ihren Lippen über ihren Hals. Ein Programmteil, der wohl Passiv-Nekrophile ansprechen soll. Zwischendurch steigen die Tänzer durch die bestuhlten Reihen und umarmen die Frauen, von denen sich die meisten wie für ein Date geschminkt haben.

Sehr höfliche Stripper

Pause. Ich erspähe zwei Männer im Publikum und frage sie, was sie von der Show halten. „Artistisch nicht so ausgefeilt“, findet Renauld. Sein Kumpel Markus, der einen der Tänzer kennt, sagt anerkennend: „Die haben alle tolle, muskulöse Körper.“ So aussehen will er aber nicht. „Hat jemand schon mal gekreischt, als Ihr euch an – oder ausgezogen habt?“, interessiert mich. Das verneinen beide. Annika, die mit dem Frischgeduschten, treffe ich im Foyer. „Ich war nervös, aber die sind sehr höflich. So einen wohlproportionierten Mann sieht man nicht alle Tage.“

Nach der Pause begreife ich, dass man in den USA mit der Integration älterer Menschen schon viel weiter voraus sein muss als hier. Eine Seniorin darf auf die Bühne. Auch sie wird erotisch angetanzt. Sie nutzt die Gunst der Stunde und küsst die Brust des einen. Die Stripper auf der Bühne regieren fassungslos. „Das ist verboten!“, sagt der eine auf Deutsch und „bestraft“ sie mit Handschellen. Auch da weiß die muntere Seniorin Bescheid und hält ihre Hände bereitwillig hin. Als die Seniorin wieder an ihren Platz geht, wird sie als Veteranin bejubelt. Ich merke, dass es mir die Schamesröte ins Gesicht treibt.

Kurz vor Schluss soll eine Frau ihre Lieblingsstellung beim Sex zeigen. In diesem Moment entscheidet sie sich offenbar für die Enthaltsamkeit, weil sie wie angewurzelt sitzen bleibt. Wer will, kann die Chippendales hinterher im Nachtflug besuchen. Ich gehe heim. Bin ich angeturnt? Nein. Aber der Typ aus der Bahn vorhin hatte ein nettes Lächeln. Und war angezogen ...

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