Acht Fahrstreifen für A 3„Dieser Ausbau ist kompletter Irrsinn"

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Karl Wilhelm Bergfeld

Gegen den Ausbau der A 3: Karl Wilhelm Bergfeld von der Initiative „3 reicht!“ 

Köln/Hilden – Was Karl Wilhelm Bergfeld von der Aktion der Autobahn GmbH Rheinland hält, mit der sie den Menschen in der kommenden Woche den geplanten Ausbau der A 3 zwischen Leverkusen-Opladen und Hilden auf acht Fahrspuren schmackhaft machen will, ist mit einem Wort gesagt. „Nichts“, sagt der Langenfelder Ortsvorsitzende des Umweltvereins BUND und Mitglied der Bürgerinitiative „3 reicht!“, die sich seit mehr als zwei Jahren gegen das Projekt zur Wehr setzt.

Die Autobahn GmbH lädt vom 15. bis 19. März zu einem digitalen Infomarkt ein, um in Zeiten der Corona-Pandemie den Austausch mit allen Beteiligten zu suchen, die von diesem umstrittenen Projekt betroffen sind. „Wir werden uns natürlich beteiligen“, sagt Bergfeld. „Wir versprechen uns aber nicht sehr viel davon.“

Digitaler Infomarkt zu den Plänen vom 15. bis 19. März

Der Ausbau der A 3 auf dem 19,7 Kilometer langen Abschnitt wird seit acht Jahren diskutiert und hat im Bundesverkehrswegeplan, in dem alle wichtigen Bauprojekte nach ihrer Bedeutung eingestuft werden, die höchste Dringlichkeitsstufe erreicht. Er soll nach derzeitiger Planung 2030 beginnen, acht Jahre dauern und 275 Millionen Euro kosten.

Die Zahlen sind eindeutig: 120 000 Autos sind täglich zwischen den Kreuzen Hilden und Leverkusen unterwegs, davon rund 12 000 Schwerlaster. Die Prognosen gehen bis 2030 von einer Steigerung um weitere 15 000 Fahrzeuge aus. Vor allem der Lkw-Verkehr werde um 17 Prozent zunehmen.

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Diese Prognosen werden von der Bürgerinitiative „3 reicht!“ bezweifelt. Die Zahlen aus dem Jahr 2018 seien veraltet. „Ich halte das für Irrsinn“, sagt Bergfeld. „Alle wollen die Mobilitätswende. Wir bauen mit einem Milliardenaufwand den Rhein-Ruhr-Express aus, der praktisch parallel zur Autobahn fährt, wir investieren deutschlandweit viel Geld in den Ausbau der Schiene und von Radschnellwegen. Wir sprechen von Carsharing und Homeoffice“, sagt Bergfeld. „Das alles wird in der Verkehrsprognose nicht berücksichtigt. Dieser Ausbau ist vollkommen überflüssig.“

Mit dieser Meinung steht die Bürgerinitiative nicht alleine da. Hildens Stadtrat hat die Bundesregierung und den Bundestag mehrheitlich in einer Resolution vom Oktober 2020 aufgefordert, die Ausbaupläne zu stoppen. Auch in Langenfeld, Leichlingen, Solingen und dem Kreis Mettmann regt sich Widerstand. Die Kritiker fürchten, dass Teile der Naturschutzgebiete Ohligser Heide und des Further Moores in Mitleidenschaft gezogen werden. Außerdem müssten für den Ausbau Grundstücke von der Autobahn GmbH gekauft oder deren Besitzer enteignet werden.

Standstreifen als vierte Fahrspur nutzen

Wenn überhaupt vier Fahrstreifen pro Richtung, dann eine Nummer kleiner. Die Ausbaugegner schlagen vor, die Standspur so auszubauen, dass sie in Spitzenzeiten als vierter Fahrstreifen genutzt werden kann und haben damit zumindest einen Teilerfolg erzielt. Die Autobahn GmbH lässt gerade in einer Machbarkeitsstudie prüfen, ob das sinnvoll wäre. „Das kann aber nur eine zeitlich begrenzte Lösung sein“, sagt Sebastian Bauer, Sprecher der Autobahn GmbH in Köln. Der Ausbau auf acht Spuren sei alternativlos.

Die Standstreifen-Lösung erfordere die Einrichtung von Nothaltebuchten im Abstand von 1000 Metern und eine permanente Videoüberwachung. Vor 2023 könne man mit der Ertüchtigung der Standstreifen nicht beginnen, weil bis dahin die Sanierung der Fahrbahn zwischen Solingen und Hilden läuft. „Ob sich die Standstreifen-Lösung als Übergang dann noch rechnet, hängt davon ab, wann wir mit dem Ausbau beginnen können“, so Bauer.

Streit um Verkehrszahlen und Prognosen

Nach ersten Ergebnissen der Machbarkeitsstudie der Autobahn GmbH werden sich die Zeitverluste durch Staus und Behinderungen, die mit knapp 89 000 Stunden pro Jahr berechnet wurden, bei einem Vollausbau um knapp 85 Prozent verringern, bei der Freigabe der Standstreifen jedoch nur um 15 Prozent.

Diese Rechnung kann Karl Wilhelm Bergfeld nicht nachvollziehen. „Diese Zahlen halten einer kritischen Prüfung nicht stand. Das hängt ganz davon ab, was man in das Programm eingibt.“ Eine Freigabe der Seitenstreifen sei automatisch mit einem Tempolimit von 100 verbunden. „Wenn ich das einer ausgebauten Autobahn mit Tempo 130 entgegenstelle, sind die Zeitverluste natürlich gigantisch.“

Bürgerinitiative kämpft für ein Moratorium

Der Bürgerinitiative wäre es am liebsten, wenn die Autobahn gar nicht ausgebaut würde. „Die freie Strecke ist nicht das Problem“, sagt Bergfeld. „Das Problem sind die Autobahnkreuze Hilden und Leverkusen. Das sind die Flaschenhälse.“ Der Ausbau in Hilden sei in vollem Gange, Leverkusen sei in Planung. „Wenn diese Engpässe beseitigt sind, haben wir dazwischen keine Schwierigkeiten mehr.“

Wie viele Autos tatsächlich auf der A 3 zwischen Hilden und Leverkusen unterwegs sind, kann die Autobahn GmbH derzeit nicht sagen. Eine für vergangenes Jahr geplante Zählung habe die Bundesanstalt für Straßenwesen abgesagt, weil sie wegen des starken Rückgangs des Verkehrs durch die Corona-Pandemie „ein völlig schiefes Bild ergeben hätte“, sagt Autobahn-Sprecher Bauer.

Ein Bürgerbegehren gegen den Ausbau hält die Initiative „3 reicht!“ nicht für zielführend. „Wir müssen an unsere Bundestagsabgeordneten ran“, sagt Bergfeld. Der Bedarfsplan zum Bundesverkehrswegeplan stamme aus dem Jahr 2016 und müsse alle fünf Jahre fortgeschrieben werden. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) habe aber schon angekündigt, dass das vor der Bundestagswahl auch wegen der Corona-Pandemie wohl nicht mehr zu schaffen sei. „Da werden wir einhaken“, sagt Bergfeld. „Wir verlangen ein Moratorium. Das Projekt muss vorerst ausgesetzt werden.“

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