Erneut drohendes DürrejahrWohin mit den vielen abgestorbenen Fichten in den Wäldern?

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Fichten mit Wassermangel haben gegen den Borkenkäfer keine Chance, sie sterben ab. Nun prägen sie zunehmend das Bild der Wälder.

Fichten mit Wassermangel haben gegen den Borkenkäfer keine Chance, sie sterben ab. Nun prägen sie zunehmend das Bild der Wälder.

  • Auch in diesem Jahr droht viel zu wenig Regen, was schon jetzt dramatische Auswirkungen auf die Natur und Folgen für Konsumenten hat: So sind Obst und Gemüse schon teurer geworden.
  • Die Waldbesitzer müssen mit den immer mehr vertrockneten Fichten umgehen, die der Borkenkäfer in großem Stil vernichtet. Sie setzen ihre Hoffnungen derzeit auf Asien.
  • Lesen Sie hier die Hintergründe.

Bei Superlativen ist Vorsicht geboten. Der Reflex, vom trockensten Sommer oder wärmsten Winter zu sprechen ist in Zeiten des Klimawandels Jahr für Jahr stark. Doch beim Mai 2020 verdichten sich die Anzeichen, dass er im Rheinland der regenärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war: Extrem sonnig, warm und viel zu trocken. März und April waren nicht viel besser für die Vegetation. Der ganze Frühling gehört deutschlandweit zu den sechs niederschlagsärmsten seit Wetterphänomen statistisch erfasst werden, das ist seit 1881 der Fall. Besonders der Westen Deutschlands litt unter anhaltender Trockenheit, wie der Deutsche Wetterdienst berichtet. In der Folge war es in NRW zu zahlreichen Waldbränden gekommen.

Die Lage in NRW

In Nordrhein-Westfalen wurden von März bis Mai im Durchschnitt 110 Liter Regen pro Quadratmeter gemessen. Im Vergleichszeitraum 1961 bis 1990 waren es im Schnitt 205 Liter. Die Wetterexperten haben ermittelt, dass die Sonne in NRW bis einschließlich vergangenen Sonntag fast 720 Stunden geschienen hat. Der Jahresschnitt der Vergleichsperiode liegt bei 441 Stunden. Die Durchschnittstemperatur lag bei glatten zehn Grad und damit 1,7 Grad über dem Vergleichswert.

Das trifft fast alle Bereiche der Landwirtschaft zwischen Eifel und Bergischem Land, Niederrhein und dem Siebengebirge. Zumal sich die Dürrejahre multiplizieren. Dem heißen Sommer 2018 war noch ein nasses Frühjahr vorangegangen. 2019 war komplett trocken. Zwar war der Februar 2020 sehr niederschlagsreich. „Aber Regenmangel danach, für die Jahreszeit extrem hohe Temperaturen und Wind, der die Verdunstung erhöht, haben das zunichtegemacht“, sagt Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer Rheinland dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

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Kleinere Mengen an Niederschlag, etwa fünf bis sechs Liter pro Quadratmeter habe es zwar gegeben. Genau diese Menge verdunstete aber auch pro Tag, wie Rüb berichtet. Der erste Schnitt auf den Wiesen wurde bereits gemacht, wer aber selbst einen Rasen hat, kann sich vorstellen, wie mickrig die Heuernte 2020 ausfällt. Die Wiesen sind je nach Region eher gelb als grün.

Was den Bauern bevorsteht

Bald steht die Ernte von Weizen, Roggen, Hafer und Raps an. Und es sieht schlecht aus bislang. Eine Prognose will der Experte der Kammer noch nicht abgeben, aber klar ist: „Eine Rekordernte wird es 2020 sicher nicht geben.“ Der Regen der vergangenen Tage sei gut gewesen, aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Besonders prekär für die Bauern: Sie können die mageren Ernten nicht durch höhere Preise ausgleichen. „Die Preise für Getreide werden auf dem Weltmarkt und an der Börse in Chicago gemacht, und der ist es egal, ob es in Düren oder Lindlar regnet oder nicht“, sagt Rüb. Die Wachstumsjahre beim Spargelanbau sind offenbar ebenfalls vorbei: Wegen des Wetters und auch wegen der Schwierigkeiten aufgrund der Corona-Krise rechnen Experten mit einem deutlich geringeren Ertrag.

Getreide hatte enorme Probleme, während des trockenen Frühlings aufzuwachsen.

Getreide hatte enorme Probleme, während des trockenen Frühlings aufzuwachsen.

Nach Einschätzung der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI) in Bonn könnte die Ernte dieses Jahr um rund 30 Prozent unter der des Vorjahres liegen. 2019 wurden bundesweit 122.000 Tonnen geerntet. Das waren bereits acht Prozent weniger Erntemenge als im Rekordjahr 2018. Einige Spargelbetriebe stehen vor dem Aus.

Preissteigerungen erwartet

Nach einem hohen Preisniveau zu Beginn der heimischen Ernte, wo der Kilopreis für die Endverbraucher im Schnitt um bis zu 40 Prozent über dem Vorjahresniveau lag, hat sich der Preis laut AMI inzwischen ungefähr auf dem des vergangenen Jahres eingependelt. Er lag in der Himmelfahrtswoche im Durchschnitt bei 6,86 Euro für ein Kilo weißen Spargel erster Sortierung. Im Direktverkauf sei der Spargel in der Regel teurer: Wer das Edelgemüse beim Bauern kaufe, müsse für gute Ware zum Teil auch zwölf Euro je Kilo zahlen, sagte AMI-Experte Michael Koch.

Borkenkäferplage hält an

Wegen des milden Winters und der monatelangen Trockenheit im Frühjahr rechnet der Landesbetrieb Wald und Holz NRW für 2020 mit einer weiteren Verschärfung der Borkenkäfer-Plage und in der Folge mit weiterer Eskalation der Schäden in den Wäldern. Das Problem: Die weit verbreiteten Fichten vertragen die Trockenheit nicht. Haben sie nicht genug Wasser, können sie kein Harz bilden, um die Angriffe der Borkenkäfer abzuwehren. Das war nun drei Jahre in Folge so. Verschärft wurde das dadurch, dass die milden Winter weniger Käferlarven im Boden abtöteten als kalte, nasse Winter. Waren im 2019 noch 15,6 Millionen Festmeter Schadholz angefallen, so erwartet der Leiter der Holzvermarktung beim Landesbetrieb, Andreas Voß, für das laufende Jahr bis zu 20 Millionen Festmeter Schadholz.

Hoffnung aus Asien

Für die heimische Holzwirtschaft gibt es nach Monaten des Stillstands ermutigende Signale aus Asien. Nachdem der Export von Fichtenholz nach China auch wegen der Corona-Krise in den ersten Monaten des Jahres komplett kollabiert war, hat sich die Situation etwas entspannt. „China braucht dringend Bauholz in unendlichen Mengen, wir haben ein Überangebot“, sagt Voß. Also werden jetzt wieder bis zu 11,80 Meter lange Stämme in Schiffscontainer gepackt und über Duisburg und Rotterdam nach China gebracht. Das Holz kommt aus den Wäldern des Hochsauerlands und aus der Region Rhein-Sieg- Erft, wie Voß sagt.

Geschwächte Eiche

Geschwächte Eiche

Über den Landesbetrieb wurden in 2019 etwa 300 000 Festmeter Fichtenholz aus NRW nach Asien exportiert – das entspricht 10 000 Containern bei einem Umsatz von zwölf Millionen Euro. Diese Mengen entsprechen etwa 30 Prozent der geschlagenen Schadholz-Fichten aus Landesbesitz, schätzt Voß. Die Zahlen aus den Privatwäldern liegen nicht detailliert vor. „Aber wir wissen, dass auch die privaten Waldbesitzer nach China exportieren“, sagt Voß.

Die Exportmenge für alle Waldbesitzer in NRW rechnet der Landesbetrieb hoch auf etwa eine Million Festmeter (rund eine Million Stämme) bei einem Umsatz von 40 Millionen Euro. Tendenz für 2020: stark steigend.

Kein Geschäftsmodell

Ein Geschäftsmodell ist das zurzeit nicht – der Preis für Fichtenholz ist extrem niedrig, der Transport aufwendig. Das bewegt sich ganz scharf an der Grenze zur Kostendeckung“, sagte Voß. Und doch bietet diese Möglichkeit, das Holz kostendeckend loszuwerden, den Forstbetreibern eine gewisse Win-win-Situation: Die Waldbesitzer müssten das tote Holz, das sie nicht an heimische Verarbeiter loswerden, ansonsten aufwendig lagern oder gar „thermisch verwerten“, was nichts anderes heißt als: verbrennen.

Im Wald aber geht unterdessen das millionenfache Sterben der Fichten weiter. Diese von Schädlingen befallenen Bäume müssten nach Einschätzung von Wald und Holz NRW sofort gefällt und aus dem Wald herausgeholt werden – nur so lässt sich die weitere Verbreitung des Käfers verhindern. (mit dpa)

Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version dieses Artikels hatten wir „drittes Dürrejahr in Folge“ geschrieben. Wir haben die beiden Stellen überarbeitet.

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