Hochwasserschutz in der Eifel„Bürger-Pegel“ als Modellprojekt auch für NRW?

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An der Kyll bei Jünkerath begutachten Manfred Wientgen (DRK) und Prof. Dr. Klaus-Uwe Gollmer den Standort des des ersten Bürger-Pegels.

Kreis Euskirchen/Eifel – Wenn es draußen schüttet wie aus Eimern, dann kehrt die Angst zurück. Viele Menschen, die am 14. Juli des vergangenen Jahres miterlebt haben, wie aus kleinen Bächen und Rinnsalen reißende Flüsse werden, die alles fortreißen, was sich ihnen in den Weg stellt, fürchten sich vor dem Wasser.

Flut-Erfahrung verbindet die Menschen

Sie geraten regelrecht in Panik, wenn der Regen gegen die Scheiben prasselt und man den nahen Bach schon etwas lauter rauschen hört, als er es gewöhnlich tut. Diese Erfahrung verbindet die Menschen an Erft, Urft, Ahr und Kyll, dies- und jenseits der Landesgrenze zwischen NRW und Rheinland-Pfalz. Entsprechend berichtet  auch die DRK-Hochwasserhilfe im Landkreis Vulkaneifel von Betroffenen, die auch heute, fast ein Jahr nach der verheerenden Flut, sagen: „Ich höre den Regen ganz anders als früher, viel lauter.“

Die Gefahren nehmen weiter zu

Um diese Menschen angesichts der zunehmenden Wahrscheinlichkeit von Starkregen und Hochwasser zu stärken, haben der DRK-Kreisverband Vulkaneifel, die Hochschule Trier und engagierte Bürgerinnen und Bürger zusammen ein Selbsthilfeprojekt geplant und in diesem Frühjahr umgesetzt. Seit ein paar Wochen nun wird der Pegel der Kyll in Jünkerath von den Anwohnern selbst gemessen.

Mit einer vom Umwelt-Campus Birkenfeld (UCB) der Hochschule Trier entwickelten Technik können die Menschen selbst tätig werden und den Bach in Nähe von Haus und Hof per Messstation überwachen. „Dazu wurde ein Pegelsystem am Oberlauf der Kyll in Jünkerath eingerichtet.  Gemessen wird mit einem Ultraschallsensor, der oberhalb der Wasseroberfläche an der Brücke befestigt ist und seine Informationen ins Internet sendet“, berichtet Silke Meyer von der DRK-Hochwasserhilfe Vulkaneifel.

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Der Wasserstand der Kyll wird beim Pilotprojekt per Ultraschall gemessen, die Daten ins Internet übertragen.

Mit der „Citizen-Science-Box“ („Bürger-Wissenschafts-Box“) wurde ein neuartiges Gerät mit wasserdichtem Gehäuse und einer autarken Energieversorgung entwickelt, das sich, so die Entwickler, fast spielerisch programmieren lasse.

Hochwasserschutz

Erftverband prüft 50 Standorte

Über den derzeitigen Stand beim Hochwasserschutz informiert  der Erftverband: Im Rahmen der Retentionsraumanalyse im südlichen und mittleren Einzugsgebiet der Erft würden derzeit etwa  50 Standorte für zusätzliche Hochwasserrückhaltebecken mit dem hydrologischen Modell des Erftverbands hinsichtlich ihrer Wirksamkeit untersucht. Dabei sollen auch bestehende Bauwerke so umgestaltet werden, dass sie für den Hochwasserschutz genutzt werden können. Dazu gehöre der Umbau des Kommerner Mühlensee zu einem Hochwasserrückhaltebecken und der Hochwasserabschlag aus dem Vlattener Bach in den Zülpicher Wassersportsee. Dies werde den Hochwasserschutz aller Unterlieger an Blei- und Rotbach verbessern. (thw)

Kooperationspartner Prof. Dr. Klaus-Uwe Gollmer vom Umwelt-Campus Birkenfeld: „Der Pegel  bei Jünkerath ist ein tolles Beispiel für Hilfe zur Selbsthilfe und wurde in Kooperation von DRK Vulkaneifel, Hochschule und engagierten Bürgern realisiert. Hier zeigt sich, wie wichtig die so genannten MINT-Fächer, Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, schon in der Schule für unsere Gesellschaft sind.“

Enge Zusammenarbeit vieler Partner

Viele Beteiligte arbeiten bei dem Projekt Hand in Hand:  Die Kommunen gaben die Erlaubnis, das System in ihrer Infrastruktur zu montieren, das DRK-Reparatur-Café wartet die Technik, die Hochschule und Ehrenamtliche vor Ort werten die Daten aus und stellen sie den Anliegenden zur Verfügung.

Manfred Wientgen ist als Projektverantwortlicher des DRK-Kreisverbandes Vulkaneifel überzeugt vom Nutzen der Messungen: „Aus vielen Gesprächen mit Flutopfern weiß ich, dass es von großer Bedeutung ist, etwas tun zu können, und das Projekt Hochwassernetzwerk ermöglicht den Menschen, durch eigene Messungen aktiv zu werden. Die erste Wochen haben gezeigt, dass wir neben wichtigen Daten auch das Gefühl vermitteln konnten, den Ereignissen nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern selbst das Wetter und mögliche Gefahren im Blick zu behalten.“

Modell auch auf NRW übertragbar?

Ein Modellprojekt also, das auch an den Flüssen und Bächen im Kreis Euskirchen umgesetzt werden könnte, die im vergangenen Jahr über die Ufer traten? Tilo Keller, beim Erftverband für das hydrologische Messnetz verantwortlich, ist skeptisch: „Mitunter können Laien die Daten nicht hinreichend interpretieren, deswegen ist es wichtig, dass Experten die Daten der amtlichen Messstellen im Blick haben.“ 

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Die Zahl der Pegel-Messstationen, hier an der Erft bei Eicherscheid, ist momentan noch zu gering für verlässliche Warnungen.

Das sieht auch Marcus Seiler, Sprecher des Wasserverbands Eifel-Rur, so: „Was die Anzahl  der Pegel an den Oberläufen unserer  Flüsse angeht, sind wir bislang alle nicht gut aufgestellt.“ Deswegen sei auch geplant, ein dichteres Netz an Messstellen  einzurichten. „Wir brauchen die Daten von den Oberläufen, um im Notfall schneller informieren zu können“, betont Seiler.

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DRK-Helferin Silke Meyer: „Unser Pilotprojekt in der Vulkaneifel kann keinen offiziellen Pegel ersetzen. Es geht dabei allein um die Selbstwirksamkeitssteigerung bei den Anliegern.“ Die Menschen sollen dadurch die innere Überzeugung gewinnen, schwierige  Situationen gut meistern zu können.

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