„Zu viel des Guten“Helfer werden gebeten, nicht ins Katastrophengebiet zu kommen

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Tonnenweise Hilfsgüter, wie hier im Brucker-Lager in Kall, haben den Kreis erreicht.

Tonnenweise Hilfsgüter, wie hier im Brucker-Lager in Kall, haben den Kreis erreicht.

Euskirchen – Die Bilder der unfassbaren Zerstörungen, die die Wassermassen in alllen Tallagen des Kreises verursacht haben, lassen die Menschen nicht kalt. Ob aus der Nachbarschaft, den wenig betroffenen Höhengebieten, aus der Region oder bundesweit, von überall rollt Hilfe in den Kreis. Koordiniert ist dies vielerorts noch nicht – das wäre angesichts der Lage und der fehlenden Telekommunikation auch schlicht unmöglich.

Gerade im Bereich der Hilfe und Helfer, die über große Entfernungen anreisen, wird es jedoch zu viel des Guten. Zahlreiche Kommunen und der Kreis bitten eindringlich darum, nicht ins Katastrophengebiet zu kommen – auch nicht in gut gemeinter Hilfsabsicht.

Helfende Hände in der gesamten Nachbarschaft

Eines ist es, das in diesen Tagen ihren unschätzbaren Wert und unübertreffliche Klasse unter Beweis stellt: die Nachbarschaftshilfe. Eine Region rückt zusammen, alle packen mit an, die Unterstützung ist riesig. Es wird gemeinsam aufgeräumt, Betroffene, Helfer und Feuerwehrleute werden verpflegt, Spenden gesammelt.

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Es wird nicht lange gefragt, es wird angepackt. All die beeindruckenden Geschichten dieser Tage werden sich nicht erzählen lassen. Sie klingen häufig ähnlich. Wie die vom Jugendclub Wolfert, der seine jungen Mitglieder zusammentrommelt, um überall da zu helfen, wo helfende Hände gebraucht werden.

Gina und Birgit Harth aus Steckenborn gehören zu denjenigen, die die furchtbaren Bilder im Fernsehen nicht ertragen konnten. Mit Schaufeln und Eimer „bewaffnet“ machten sich Mutter und Tochter auf den Weg nach Gemünd und halfen, den Schlamm aus verwüsteten Geschäften zu schaufeln. Ebenso ist Falk aktiv. Der Hobbyfotograf aus Bedburg liebt die Eifel, mindestens einmal pro Woche sei er in der Region: „Die Eifel hat mir so viel gegeben, jetzt ist es an der Zeit, dass ich ich etwas zurückgeben kann.“

Zweite Unterstützungswelle bald erforderlich

Wertvoll ist in diesen Tagen die Nachbarschaftshilfe. Und ganz besonders gefragt sind schon jetzt Handwerker. Wie in vielen Orten warten etwa die Olefer sehnsüchtig auf Strom. Doch der kann erst eingeschaltet werden, so lange die Lage noch zu gefährlich, die Verteilerkästen etwa nass sind. Sascha Völler und Stefan Groß sind da gefragte Leute. Sie sind mit einem Messgerät unterwegs, um die Hausanschlüsse freizumessen.

In so vielen Orten werden Lager für Hilfsgüter eingerichtet. Binnen Stunden füllen sie sich, aus ganz Deutschland kommen die Waren. Mal sind es kleine Gemeinschaften, die einen Kastenwagen volladen, manchmal sind ganze Orte aktiv und beladen mal eben große Lkw.

Die Hilfsbereitschaft erleben auch die Menschen in der ebenfalls schwer vom Unwetter getroffenen Gemeinde Kall. Die Hilfsbereitschaft ist gar so groß, dass Bürgermeister Hermann-Josef Esser eigentlich am Samstag darum gebeten hatte, keine Sachspenden mehr zu bringen. Die Menschen sollten ihre Spenden „festhalten“, da er, so Esser, davon ausgeht, dass in der kommenden Woche eine zweite „Unterstützungs-Welle“ erforderlich sein dürfte. Doch sein Aufruf erreichte nicht jeden.

Betroffene vom Hochwasser sind angewiesen auf Spenden

Als am späten Samstagabend an der Lagerhalle des Möbelhauses Brucker, in der Spenden gesammelt und ausgegeben werden, zwei 40-Tonner eintrafen, die sich in Koblenz auf den Weg gemacht hatten, wurden die nicht abgewiesen. Prompt standen laut Esser rund 30 Helfer parat, um die Hilfsgüter auszuladen.

Wasser und Lebensmittel, Hygiene- und Körperpflegeartikel, Kleidung und Bettwäsche, Kinderwagen und, und, und – die Spenden sind allerorten für die Menschen gedacht, die durch das Wasser ihr Hab und Gut verloren haben. „Ich hätte nie gedacht, einmal in eine Situation zu kommen, auf Spenden von hilfsbereiten Mitmenschen angewiesen zu sein“, sagte die Frau, die am Sonntagmorgen im Lager des Möbelhauses nach Schuhen für ihre Kinder suchte. Durch das katastrophale Hochwasser hat auch ihre Familie alles verloren.

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Angesichts fehlender Kommunikationsstrukturen ist es zuweilen nicht leicht, den Betroffenen bekannt zu machen, wie und wo sie an die Hilfsgüter kommen. „Wir bemühen uns, den betroffenen Hochwasseropfern bekannt zu machen, dass sie zu uns kommen und sich mit Lebensmitteln eindecken können“, berichtete Kalls Bauhofleiter André Kaudel, der die Lebensmittel-Aktion im Bauhof-Lager koordiniert und auf viele freiwillige Helfer zurückgreifen kann.

Und auch Melanie Frey, die die Aktion im Möbelhaus koordiniert, weist immer wieder über die sozialen Netzwerke darauf hin, dass Betroffene sich im Lager mit neuwertiger Bekleidung für die ganze Familie eindecken können. „Die Hilfsbereitschaft ist gigantisch“, so Melanie Frey.

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