Verunsicherung in den KitasSchwammige Regelung sind für Einrichtungen ein Problem

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Katrin Käuper, Leiterin der Awo-Kita in Blumenthal, ist unsicher. „Viele Eltern haben uns schlicht gesagt, wir wissen noch nicht, ob und wann wir unser Kind in die Kita bringen.“ 

Euskirchen – Seit gestern sind die 142 Kindertagesstätten (Kitas) für aktuell 7242 angemeldete Kinder im Kreis Euskirchen faktisch bis zum 10. Januar im Notbetrieb. Mit dem zweiten harten Lockdown sollen Eltern in NRW nach dem Willen des Familienministeriums selbst entscheiden, ob sie ihre Kinder in die Kita bringen oder nicht. Das ist gut gemeint, doch die Betreuungseinrichtungen hätten es lieber genauer gehabt.

Katrin Käuper blickt ratlos durch ihre FFP2-Schuzmaske hinter dem Spuckschutzglas im kleinen Besprechungszimmer der Awo-Kita Blumenthal: „Viele Eltern haben uns schlicht gesagt: ,Wir wissen noch nicht, ob und wann wir unser Kind in die Kita bringen’.“ Das ist das Ergebnis eines offenbar gut gemeinten Rates des NRW-Familienministeriums, das mit Beginn des zweiten harten Lockdowns in diesem Jahr auf die Eigenverantwortung der Eltern setzt.

Sie sollen selbst entscheiden, ob und wann sie ihre Kinder bis zum 10. Januar – natürlich außerhalb der üblichen Feiertagsferien der Kitas – in die Betreuungseinrichtung schicken. Für die Kita-Leitungen im Kreisgebiet bedeutete das allerdings nichts Gutes. „Im Gegensatz zum Frühjahr-Lockdown, als unsere Eltern genau wussten, ob sie einen Betreuungsanspruch haben, weil sie etwa systemrelevante Berufe ausüben, ist das jetzt viel zu ungenau“, kritisiert Katrin Käuper.

Kita muss kompletten Betrieb aufrecht erhalten

Die Eltern der 20 Kinder aus dem gesamten Gemeindegebiet Hellenthal seien stattdessen verunsichert. Für Käuper und ihr vierköpfiges Erzieherinnenteam, dazu kommen zwei Azubis, bedeutet das: Es gibt weder eine Planungssicherheit fürs Personal noch für den Lebensmitteleinkauf für die Kita-Küche Adé.

Stattdessen erlebt sie täglich eine neue Überraschung: Am vergangenen Montag waren alle 20 Kinder da, am Dienstag nur elf und am Mittwoch, dem ersten Lockdown-Tag, acht. Doch die Kita in Blumenthal muss trotzdem den kompletten Betrieb aufrecht erhalten. Denn die Kitas im Kreisgebiet hätten bislang nur aufgrund von Erkrankungen und Corona-Quarantäne die Öffnungszeiten reduziert, oder vielleicht eine Gruppe geschlossen, so Wolfgang Andres, Pressesprecher der Kreisverwaltung auf Anfrage: „Ansonsten sind sie offen.“

Die Kita-Regelung

Mit Beginn des zweiten harten Lockdowns gilt für Kitas und andere Kinderbetreuungseinrichtungen in NRW, was das Familienministerium schon am 11. Dezember verkündet hat: Sie bleiben geöffnet, allerdings sollten die Eltern ihre Kinder wenn möglich zuhause lassen.

Familienminister Joachim Stamp: „Bringen Sie Ihre Kinder nur dann in die Betreuung, wenn es unbedingt sein muss.“ Wer die Option nutzt, muss nicht nachweisen, dass er etwa aus beruflichen Gründen auf die Kita angewiesen ist. „Es werden sowohl berufliche wie private Gründe berücksichtigt“, so die Kreisverwaltung auf Anfrage. (sli)

Wirklich zu ist die Blumenthaler Einrichtung nur an den schon bekannten Tagen zum Jahresende, in diesem Fall ab dem 22. Dezember bis zum 5. Januar, so Leiterin Käuper. Ähnliches gilt für alle anderen Kitas: Das sind 23 Kitas des Regionalverbands Rhein-Erft&Euskirchen der Arbeiterwohlfahrt, 34 von freien Trägern, 43 in kommunaler Trägerschaft und 32 des DRK-Kreisverbands Euskirchen. 

So weit die Theorie. Tatsächlich hat Käuper versucht, Klarheit in das sich abzeichnende Chaos zu bringen. Über die WhatsApp-Gruppe der Kita-Eltern appellierte sie: „Braucht Ihr Kind jetzt wirklich eine Betreuung?“ Das, so Käuper sei allerdings „nicht überall gut angekommen“. Für die Kinder, die dann tatsächlich in diesen Tagen kommen, versucht das Kita-Team das Beste: „Wir bemühen uns, ihnen den gewohnten Kita-Alltag zu bieten. Kinder brauchen Strukturen. Das gibt ihnen Sicherheit.“

Verärgerte Eltern

So sieht das auch Gabriele Schulz, die seit fünf Jahren Leiterin der DRK-Kita „Regenbogen“ in Weilerswist ist. Mit dem Unterschied, dass Schulz eher einen kleinen mittelständischen Betreuungsbetrieb leitet, mit 148 Kindern in neun Gruppen und 42 Erzieherinnen und Erziehern.

Ab dem 23. Dezember bis zum 4. Januar ist „Regenbogen“ zu. Und bis dahin? Auch Schulz ist unsicher: „Wir sind im Notbetrieb.“ Das habe sie so per Mail auch allen Eltern mitgeteilt und um Verständnis gebeten: „Wenn Sie für Ihr Kind eine Betreuung brauchen, etwa weil Sie berufstätig sind oder eine Homeoffice-Tätigkeit haben, die es Ihnen nicht erlaubt, gleichzeitig Ihr Kind zu betreuen, oder weil jemand aus der Familie erkrankt ist und deshalb keine Betreuung möglich ist, können Sie Ihr Kind gerne bringen. Ansonsten ist die Kita zu.“

Damit versuchte sie, den schwammigen Ministererlass zu erklären. Doch was dann passiert sei, so Schulz, „verlangt von einem eine gewisse Standfestigkeit“. Denn Ihre Bitte um Verständnis und Mitdenken bei den Eltern brachte sie in die Rolle des „Überbringers einer schlechten Nachricht“. Die Reaktionen einiger weniger Eltern seien „nicht gerade erfreut“ gewesen, wie sie vorsichtig formuliert.

Gruppen bleiben getrennt

Tatsächlich waren am Mittwoch statt der 148 nur 70 Kinder in den neun Gruppen der der Kita „Regenbogen“. 28 statt 42 Erzieherinnen und Erzieher waren im Dienst. Praktisch ein Halbtagsbetrieb. Obwohl auch in Weilerswist die Kinderzahlen täglich schwanken, werden alle neun Gruppen offengehalten. So weit der „Notbetrieb“.

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Schulz nutzt allerdings das schon seit dem Frühjahrs-Lockdown bewährte System der Gruppenaufteilung: Jeweils zwei Gruppen – Kinder und Erzieherteam – bleiben unter sich, auch räumlich getrennt von den anderen. Das gilt auch für die Mahlzeiten. Zudem nutzt die Kita zwei Nebeneingänge und einen Haupteingang zur Gruppentrennung beim Bringen und Abholen der Kinder.

„Ich plane täglich den gesamten Betrieb neu“, meint Schulz. Und das bis auf Weiteres. Auch ihr dürften ereignisreiche Tage bevorstehen.

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