Angst vor dem RückschlagWie Corona ein Euskirchener Taxiunternehmen trifft

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Sie wollen wieder für ihre Kunden fahren: Sylvia Holler und Calogero Navarra (r.) mit ihrem Mitarbeiter Dietmar Wlotzka.

Sie wollen wieder für ihre Kunden fahren: Sylvia Holler und Calogero Navarra (r.) mit ihrem Mitarbeiter Dietmar Wlotzka.

Euskirchen – Den weißen Jeep hat er für den Fototermin natürlich prominent platziert. Er erinnert Calogero Navarra an eines der schöneren Erlebnisse in letzter Zeit. „Von einem weißen Jeep habe ich immer schon geträumt“, erzählt er.

Als ihm das Autohaus, bei dem er und seine Partnerin Sylvia Holler die Autos für ihr kleines Unternehmen leasen, das weiße Gefährt zur Verfügung stellte, sei das schon ein toller Moment gewesen. Und davon gab es in den vergangenen Monaten nicht allzu viele.

Vor knapp vier Jahren hat diese Zeitung schon einmal über das Paar und sein kleines Unternehmen berichtet. Bei ihm geht es damals um Jobverlust, sozialen Absturz, Krankheit, Depression und Zukunftsangst. Alles das also, was Menschen widerfährt, denen das Schicksal nicht den roten Teppich ausrollt. Für Sylvia Holler läuft es Anfang der Nullerjahre als alleinerziehende Mutter ohne Job auch nicht besser.

Startkapital kam von der Mutter

In die Kategorie „Was bisher geschah“ gehört aber auch, dass sich zu Beginn des Jahrhunderts ihre Wege kreuzen, sie danach Hartz IV hinter sich lassen und ihr kleines Unternehmen auf die Beine stellen. Mit dem Geld, das ihnen seine Mutter als Startkapital gibt, legen sie sich einen Wagen zu und fahren fortan Menschen von einem Ort zum anderen. Um es kurz zu machen: Es werden fünf geleaste Autos, das Mietwagen und Taxi-Unternehmen nimmt Fahrt auf – und ihr Leben auch.

„Wir sind damit nicht reich geworden“, erzählt Sylvia Holler. Aber darum sei es auch nie gegangen: „Wir wollten nicht mehr von anderen abhängig sein.“ Das Betteln auf dem Amt sei ihnen genauso zuwider wie das Gefühl der eigenen Nutzlosigkeit. Dann lieber zwölf Stunden arbeiten am Tag.

Und dann kam Corona

2018 feiert das Unternehmen Zehnjähriges, die geleaste Fahrzeugflotte ist inzwischen einmal durchgewechselt. „Die Fahrzeuge dürfen ja nicht älter als zehn Jahre sein“, weist der Chef auf die Beförderungsbedingungen hin. Der weiße Jeep kommt dazu. Drei Mitarbeiter und das Paar sorgen dafür, dass Reisende pünktlich am Flughafen, Schüler rechtzeitig in den Klassen und Bus-Urlauber wohlbehalten am Ausgangspunkt ihrer Reise sind.

Es läuft. Bis dieses Virus alle auf den Kopf stellt. Die Liste ihrer Kunden lässt erahnen, was die Pandemie anrichtet. Wenn Flugzeuge am Boden bleiben, muss niemand zum Flughafen. Das Busreiseunternehmen fällt als Kunde aus. Der Landschaftsverband Rheinland zahlt immerhin noch die Hälfte, auch wenn der Präsenzunterricht in den Förderschulen eher selten stattfindet und ohnehin nur noch höchstens zwei Kinder pro Fahrt gefahren werden dürfen. „Wir haben Einbrüche von gut 70 Prozent“, zieht Sylvia Holler Bilanz.

Späte Hilfen vom Bund

Die Erfolgsgeschichte steht auf der Kippe. Hilfen vom Bund kommen, wenn auch spät. Doch das trostlose Grau der Briefumschläge weckt schlimme Erinnerungen an die Zeit, als sie grundsätzlich auf staatliche Hilfe angewiesen waren. Die Achterbahn der Gefühle rast. „Meistens nachts kommt die Angst, wieder da zu landen, wo wir schon mal waren“, erzählt Sylvia Höller.

Beziehungsstatus Bedarfsgemeinschaft? Nie wieder, hoffen sie. Es gibt aber auch die Momente des Selbstvertrauens: „Dann machen wir uns klar, dass wir es schon mal zusammen geschafft hat, da rauszukommen.“ In der Disziplin Hinfallen und Aufstehen seien sie ja inzwischen geübt, sagt Calogero Navarros und berichtet von einem weiterem Nackenschlag: Im Sommer 2019 erleidet seine Mutter einen Schlaganfall.

Geschichte ist aufgeschrieben

„Natürlich kümmern wir uns um sie“, erzählt der 50-Jährige. Das geht dann aber auch nicht mehr, als in der Silvesternacht 2019 das Haus der älteren Dame abbrennt. Sie kommt vorübergehend in ein Pflegeheim. Kurz darauf folgt das Besuchsverbot – wegen Corona.

Navarros schüttelt den Kopf, während er das erzählt. Dann zeigt er auf einen Stapel Papier. „Ich habe unsere Geschichte aufgeschrieben und suche noch einen Verleger“, sagt er. So viel sei inzwischen passiert.

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Wie die Geschichte nun weitergeht? „Hoffentlich ist Corona bald vorbei“, sagt Sylvia Holler. Damit sie wieder Kunden von einen Ort zum anderen fahren können.

Ach ja, fügt Navarro hinzu, eine private Fahrt hätten sie auch noch vor – zum Standesamt. „Wir wollen endlich heiraten“, verrät er mit einem Lächeln. Es sei nur schwierig, zurzeit einen Termin festzulegen. Dass sie zusammenhalten in guten wie in schlechten Zeiten, hätten sie ja bereits mehrfach unter Beweis gestellt. So sehnt Navarra den Tag herbei, an dem er sich und seine Partnerin zum Standesamt chauffieren lassen kann. Im weißen Jeep natürlich.

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