Rettungsaktion für versunkene AktenKeller des Amtsgerichts Gemünd stand unter Wasser

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Hermetisch versiegelt sind alle Zugänge in den kontaminierten Keller des Amtsgerichts, etwa der Fahrstuhlschacht, vor dem Robert Plastrotmann und Winfried Schneider stehen.

Hermetisch versiegelt sind alle Zugänge in den kontaminierten Keller des Amtsgerichts, etwa der Fahrstuhlschacht, vor dem Robert Plastrotmann und Winfried Schneider stehen.

Schleiden-Gemünd – Wasser, Schlamm und Unrat – auch das Untergeschoss des Amtsgerichts in Gemünd wurde bei der Flutkatastrophe vom 14. Juli nicht verschont. „Jeder wird ein Bild vor Augen haben, wie der Keller aussah“, beschreibt Amtsgerichtsdirektor Robert Plastrotmann den Anblick, der sich bot, als die sinkenden Pegelstände einen Blick in das Untergeschoss des Gebäudes am Marienplatz ermöglichten.

Testamente und Gerichtsakten versunken

Der Keller des Hauptgebäudes war bis einen Zentimeter unter dem Erdgeschoss geflutet, im Nebengebäude stand das Wasser etwa 1,20 Meter hoch – ein Bild wie in so vielen Gebäuden in Gemünd. Durchaus problematischer allerdings ist der Inhalt, der im Gericht in Mitleidenschaft gezogen wurde. Denn im Keller des Gebäudes wurden Testamente, Grundbuchakten und abgelegte Gerichtsakten aufbewahrt.

„Es gab Überlegungen, das Gericht aufzugeben“, schildert Plastrotmann die ersten Reaktionen. Doch die Bediensteten haben entschieden, sich gegen ein derartiges Los zu stemmen. Also habe es gegolten, schnell zu handeln. Plastrotmann hat durchaus Erfahrung, wie das in solch einem Fall zu geschehen hat.

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Kreis Euskirchen: Anlaufstellen und Beratung

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Aufräumarbeiten und Hilfe

In den Städten und Gemeinden des Kreises schreiten die Aufräumarbeiten voran. Doch es fehlt noch an vielem. Daher sind zahlreiche Angebote und Anlaufstellen eingerichtet.

Seelische Krisen

Beratung bei seelischen Krisen in der Hochwasser-Katastrophe Viele Menschen haben in dieser Zeit sehr belastende Erfahrungen gemacht und teilweise traumatische Situationen erlebt. Das Gesundheitsamt des Kreises Euskirchen bietet unter folgender Telefonnummer entsprechende Hilfe an:

02251/ 15 466 Erreichbarkeit: Montag: 8.30 Uhr - 15.30 Uhr Dienstag: 8.30 Uhr - 15.30 Uhr Mittwoch: 13.00 Uhr - 18.00 Uhr Donnerstag: 8.30 Uhr - 15.30 Uhr Freitag: 8.30 Uhr - 12.30 Uhr

Medizinische Hilfe im Kreis Euskirchen

Vielerorts sind Geräte beschädigt, Gebäude unbetretbar und Zufahrtstraßen zerstört. Hier haben wir die Anlaufstellen für medizinische Versorgung im Kreis Euskirchen zusammengestellt.

Trinkwasser

Noch immer ist nicht im gesamten Kreis die Wasserversorgung gewährleistet: Vor allem Bad Münstereifel kann nicht alle Ortschaften mit Wasser, geschweige denn Trinkwasser versorgen. Wasser aus der Leitung sollte nach wie vor abgekocht werden. Für einige dieser Gebiete hat der Kreis eine Verordnung erlassen, für das restliche Kreisgebiet gilt weiterhin die Empfehlung, Leitungswasser abzukochen. Ein Überblick.

Sperrungen

Diese Straßen sind im Kreis Euskirchen aktuell gesperrt.

Strom

In Teilen des Kreises ist die Stromversorgung noch unterbrochen. Betroffen sind vor allem noch Bad Münstereifel und die Euskirchener Innenstadt.

Hotline der Bezirksregierung

Für Betroffene der Flutkatastrophe hat die Bezirksregierung Köln eine Hotline eingerichtet. Unter 0221/1472206.

Bargeld-Versorgung

Dokumente und EC-Karte von der Flut weggeschwemmt – was nun? Immer mehr Menschen im Kreis melden sich bei den Kreditinstituten, weil sie nicht wissen, wie sie an Bargeld kommen. Aber auch die Institute selbst sind in hohem Maße vom Hochwasser betroffen. Zahlreiche Geldautomaten funktionieren nicht, ganze Filialen sind aufgrund der Zerstörungen geschlossen. Was können die Betroffenen tun, um an Geld für das Lebensnotwendige zu kommen? Ein Überblick.

Newsblog zur Hochwasser-Katastrophe

Diesen Artikel zu den Auswirkungen der Hochwasserkatastrophe im Kreis Euskirchen, den Aufräumarbeiten und der Hilfe-Koordination aktualisieren wir fortlaufend.

Da sein Elternhaus im Münsterland bereits zweimal von Hochwasser betroffen gewesen war, sei ihm klar gewesen, dass alles, was nicht innerhalb der ersten vier Tage herausgeholt wird, danach nur noch mit hohem Aufwand zu erledigen sei. „Wir wussten, wenn wir nicht selbst etwas tun, werden wir vor Weihnachten nicht arbeitsfähig sein“, so Plastrotmann. Alles sei zusammengebrochen – die Sicherheitseinrichtungen, Telefon, Internet, einfach alles sei weggewesen.

Mitarbeiter und Freiwillige packen an

Also wurde in einer konzertierten Aktion von den Mitarbeitern, die nicht persönlich von der Katastrophe betroffen waren, und freiwilligen Helfern am Sonntag nach der Flutnacht das Chaos im Keller angegangen. „Das Ziel war, Zugang zum Testamentenschrank, zu den Grundbuchakten und der Hauptstromversorgung zu schaffen. Und das ist gelungen“, so der Gerichtsdirektor. Das sei die Voraussetzung für das Überleben des Gerichts gewesen.

Testamente

Die Firma, die sich mit der Rettung der Dokumente befasst, ist zwar guter Dinge, dass die Testamente alle wiederhergestellt werden können. Aber, so Gerichtsdirektor Robert Plastrotmann: „Eine Garantie können wir nicht abgeben. Die Möglichkeit, dass manches nicht gerettet werden kann, ist nicht auszuschließen.“

Wer handschriftlich ein Testament verfasst und es ohne Notar beim Amtsgericht hinterlegt habe und nun sichergehen wolle, dass im Todesfall auf jeden Fall eine Regelung vorhanden ist, könne ein neues Testament aufsetzen und dieses bei Gericht erneut hinterlegen. „Dabei entstehen keine Kosten“, so Plastrotmann.

Beim Ehegattentestament, das bereits eröffnet worden sei, könne entsprechend eine Abschrift entweder persönlich oder über einen Notar erneut eingereicht werden. „Die Notare und Anwälte sind informiert worden“, sagte er. (sev)

Mit einem Laptop und einem Handy nahm das Amtsgericht bereits eine Woche nach der Flutkatastrophe einen Notdienst wieder auf. Seit drei Wochen finden auch wieder Gerichtsverhandlungen in Gemünd statt. „Das Bestreben war, autark zu sein“, sagt Geschäftsleiter Winfried Schneider. Der Ausbildungsbetrieb, der im Nebengebäude angesiedelt worden sei, sei kurzfristig ausgelagert worden und kehre am nächsten Montag wieder zurück. „Seit zwei Wochen sind wir wieder im Justiznetz und seit Montag läuft auch die neue Telefonanlage wieder“, so Schneider.

Zeitnah sei es gelungen, die im Keller gelagerten Akten zu bergen. „Das sind 900 laufende Meter Akten, unser Archiv war im Keller“, beschreibt Plastrotmann das Problem. Diese seien nun bei einer Spezialfirma in Nottuln im Münsterland, die sich mit der Rettung der Unterlagen befasst. „Die Urkunden dürfen nicht getrocknet werden, sondern werden gefriergetrocknet“, erläutert Schneider das Verfahren. Und sollte es zu einem Schimmelbefall kommen, werden die Papiere bestrahlt.

Kein Schlamm in Hochsicherheitsschrank gedrungen

Positiv sei, dass in den Hochsicherheitsschrank, in dem die Testamente gelagert worden seien, zwar Wasser, aber kaum Schlamm gedrungen sei. „Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir alle Testamente retten können“, sagt Plastrotmann: „Die Firma ist guter Dinge.“ Eine Zeitspanne, wann diese wieder nach Gemünd zurückkehren, könne er jedoch noch nicht angeben.

In Teilen seien die Grundbuchakten schwer betroffen. „Wir rechnen mit einer Zeitschiene von zwei Jahren“, sagt Schneider. Allerdings seien diese Dokumente nicht für den laufenden Betrieb des Gerichts notwendig: „Die aktuellen Unterlagen waren im Erdgeschoss untergebracht.“ Im Keller seien dagegen die Akten gelagert worden, die bis in die Vorkriegszeit zurückreichen.

Während die Akten der Strafabteilung bei der Staatsanwaltschaft gelagert werden, waren im Keller die Unterlagen für die Verfahren am Familiengericht oder aus Zivilstreitigkeiten aufbewahrt. „Dabei handelte es sich allerdings um abgeschlossene Verfahren, die weggelegt worden waren“, erklärte Schneider. „Es ist selten, dass diese Unterlagen exklusiv sind“, sagt Plastrotmann. Für den Fall, dass einzelne Dinge nicht gerettet werden könnten, seien diese Dokumente meist noch bei Anwälten oder dem Jugendamt vorhanden. „Dass jemand etwas aus diesen Akten braucht, ist selten“, sagt Plastrotmann. Und wenn das der Fall sei, könnten die Inhalte in den allermeisten Fällen rekonstruiert werden.

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Verschiedene Aufbewahrungsfristen gelten für die Gerichtsakten, die im Keller gelagert wurden. Auch wenn die Fälle abgeschlossen seien, könnten die Akten nicht einfach entsorgt werden. „Urteile müssen zum Beispiel 30 Jahre aufbewahrt werden“, so Schneider. Die Akten werden regelmäßig durchgesehen und bei Ablaufen der Lagerfrist entsorgt. „Wir sehen die Akten aber immer durch, ob sich darin Urkunden befinden, die dauerhaft aufbewahrt werden“, erläutert er. Diese werden dann aus den Akten genommen.

Genutzt werden kann der Keller derzeit nicht. Die Zugänge seien hermetisch versiegelt, so dass nichts aus den kontaminierten Räumen in das Gerichtsgebäude dringen könne, so Plastrotmann. „Es werden gerade Schleusen gebaut, damit die Arbeiter der Sanierungsfirma hineingehen können“, sagt er.

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