Tötungsdelikt in Kall-WallenthalGericht verurteilt 37-Jährigen zu elf Jahren Haft

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Prozess Kall Angeklagter

Der Angeklagte mit Verteidiger Albert Stumm (l.) vor der Urteilsverkündung.

Aachen – Wegen Totschlags und Unterschlagung ist ein 37 Jahre alter Mann am Montag in Aachen zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt worden. Er hatte am 20. März dieses Jahres an einem Wirtschaftsweg in der Nähe des Kaller Ortsteils Wallenthal einen 46-jährigen Bekannten erstochen. Im Prozess vor der 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts legte er ein Geständnis ab.

Die Kammer wertete die Tat nicht als Mord aus Habgier. Sie kam damit nach der Beweisaufnahme zu einer anderen Einschätzung als die Staatsanwaltschaft, die eine lebenslange Haftstrafe und zudem die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld gefordert hatte.

Verteidigung plädierte auf sieben Jahre Haft

Verteidiger Albert Stumm plädierte auf sieben Jahre Gefängnis wegen Totschlags. Habgier als Mordmerkmal, so hatte auch er argumentiert, sei seinem Mandanten Martin A. (Namen geändert) nicht nachzuweisen.

Wie der Vorsitzende Richter Roland Klösgen in der Urteilsbegründung sagte, stammt der Angeklagte aus Brasilien. Er wuchs bei einer Pflegefamilie in Bayern auf. Eine Berufsausbildung brach er ab. Über das Internet lernte er eine Frau kennen. Das Paar bekam zwei Kinder, die allerdings vom Jugendamt aus der Familie genommen wurden.

Bis kurz vor der Tat lebten A. und seine Ehefrau in Spanien. Sie bot Online-Sexdienste an, so Klösgen: „Das reichte, um die Miete zu zahlen, zu mehr aber nicht.“

Falschgeld beschaffen

Der Angeklagte habe im Darknet Kontakte zur Unterwelt geknüpft und sich gleichzeitig Luftschlösser aufgebaut. Sein Ziel sei es gewesen, seine Kinder aus den Pflegeeinrichtungen zu holen, in denen die Behörden sie untergebracht hatten, und mit der Familie mit gefälschten Papieren nach Brasilien auszureisen. Um die dafür notwendigen Finanzmittel zu beschaffen, habe er sich mit Pierre F. zusammengetan – seinem späteren Opfer.

Während Martin A. mittellos nach Deutschland kam, stellte der 46-jährige Pierre F., der überwiegend in der Türkei lebte, zum einen 4000 Euro Erspartes bereit, zum anderen einen Betrag, den er sich bei einem Mann in Berlin geliehen hatte. So kamen 15 000 Euro zusammen, für die sich das Duo in den Niederlanden 150 000 Euro Falschgeld besorgen wollte.

Die Veräußerung der Blüten wiederum, so der Plan, sollte den beiden unter dem Strich 45 000 Euro einbringen. Die Sache hatte aber einen Haken: Der Geldgeber aus Berlin wollte seinen Kredit binnen einer Woche zurück – und dazu Zinsen. Wahrscheinlich, so das Gericht, rückte Martin A. davon ab, das Geldwäschegeschäft unter diesen Voraussetzungen in Angriff zu nehmen.

Gericht sieht Absicht des Tötens als erwiesen

Am 20. März waren sein Komplize und er auf einen Feldweg bei Wallenthal abgebogen, um Brötchen zu essen, die sie in Bad Münstereifel gekauft hatten. Außerhalb des Mietwagens, in dem sie unterwegs waren, gerieten sie in Streit über die Frage, ob ihr kriminelles Vorhaben in die Tat umzusetzen sei. Martin A., so Richter Klösgen, habe seinen Begleiter geohrfeigt, der wiederum griff zu einem Brotmesser, das im geöffneten Kofferraum lag.

Er verletzte A. damit an der rechten Hand, bevor sein Gegenüber ihm das Messer aus der Hand schlug und nun seinerseits auf seinen Kontrahenten einstach – fast 20-mal und nach Überzeugung des Gerichts in der Absicht, ihn umzubringen. Ein Stich in den Hals war letztlich tödlich für Pierre F.

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„Die Situation ist voll eskaliert“, sagte der Vorsitzende. Im Zuge der Auseinandersetzung über Sinn oder Unsinn des geplanten Falschgeldgeschäfts sei Martin A. in große Wut geraten. Da er kurz nach der Tat von einem Landwirt gesehen wurde, flüchtete er in dem Mietwagen. Während sein Opfer am Tatort starb, wurde A. noch am selben Tag im Raum Schmidt von der Polizei festgenommen.

In dem Auto befanden sich insgesamt 17 100 Euro, die Pierre F. in zwei Kuverts gesteckt hatte. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, dass Martin A. den 46-Jährigen getötet habe, um an dieses Geld zu gelangen, sei nicht zu beweisen, sagte der Vorsitzende. Die Kammer glaube auch nicht, dass A. die Tat im Voraus geplant habe. Eine Verurteilung wegen Mordes sei daher nicht in Betracht gekommen.

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