KlimaneutralitätKreis Euskirchen will nachhaltiger Wirtschaftsstandort werden

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Der Wirtschaftsstandort Kreis Euskirchen will in den kommenden Jahren nachhaltig werden. 

Der Wirtschaftsstandort Kreis Euskirchen will in den kommenden Jahren nachhaltig werden. 

Kreis Euskirchen – Der Kreis Euskirchen richtet sein wirtschaftliches Entwicklungskonzept neu aus. Und die Verwaltung samt Wirtschaftsförderung hat sich ambitionierte Ziele gesetzt. Im Leitziel wird das Ganze so formuliert: „Der Kreis soll durch gezielte Maßnahmen bis 2030 zu einer Modellregion für einen nachhaltigen Wirtschaftsstandort werden, der durch die Verbindung von innovativer Wirtschaftsentwicklung und der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen als gutes Beispiel für andere ländliche Regionen dienen kann.“

Dabei sollen die ersten ambitionierten Ziele bereits in vier Jahren erreicht werden. So sollen bis 2026 insgesamt 100 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und mit unterschiedlicher Größe klimaneutral sein. „Das Ziel ist ambitioniert, aber machbar“, sagt Iris Poth, Wirtschaftsförderin des Kreises Euskirchen.

Man müsse sich die Frage stellen, ob man eine Vision wahrwerden lassen oder von Beginn an realistisch vorgehen wolle. Man habe sich bewusst für die Variante „Vision“ entschieden. „Wir haben das Potenzial dafür“, ist die Wirtschaftsexpertin sicher.

Kreis geht mit gutem Beispiel voran

Die Kreisverwaltung will dabei mit gutem Beispiel voran gehen. So will der Kreis bis 2030 den eigenen Strom- und Heizbedarf komplett aus erneuerbaren Energien decken. Geplant ist nach Angaben von Kreis-Mitarbeiterin Lisa Rodermann unter anderem ein innovatives Pilotprojekt zur energieeffizienten Gebäude- und Heiztechnik. Aber auch bei der Mobilität will der Kreis weiterhin auf nachhaltige und emissionsarme Fortbewegungsmöglichkeiten abfahren.

So gibt es an der Kreisverwaltung die Möglichkeit des Carsharings, und der Ausbau von E-Ladesäulen wird vorangetrieben. Aber auch Unternehmen wie Smurfit Kappa in Zülpich, Papstar in Kall oder die RVK, die in Mechernich ein Zentrum für alternative Fahrzeugantriebe und digitale Mobilität plant, seien positive Beispiele, wie man bereits jetzt nachhaltig und innovativ wirtschaften könne, so Poth.

Euskirchen vor Düsseldorf

Der Kreis Euskirchen befindet sich auch nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) auf dem richtigen Weg. Ein Gutachten des IW listet den Kreis bei der Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung auf Rang sieben – direkt hinter Köln, zwei Plätze vor Düsseldorf. Das IW nahm dabei unter anderem die regionale Standortqualität unter die Lupe und erstellte dazu ein Ranking zu den Faktoren Wirtschaftsstruktur, Arbeitsmarkt und Lebensqualität.

„NRW schafft in den Bereichen Wirtschaftsstruktur, Arbeitsmarkt und Lebensqualität überdurchschnittliche Entwicklungen, wozu auch die ländlichen Kreise erheblich beitragen konnten“, sagt Iris Poth auf Nachfrage. Die mögliche Einflussnahme von Pandemie und nachfolgend durch die Flutkatastrophe gelte es in diesen Bereichen in den nächsten Jahren zu beobachten und möglichst positiv zu beeinflussen.

Wasserstoff

Roadmap

Um die lokale Wirtschaft zu stärken, hat die Kreis-Wirtschaftsförderung ein wirtschaftliches Entwicklungskonzept erarbeitet. Dadurch ist das Leitziel „Modellregion nachhaltiger Wirtschaftsstandort“ entstanden. Die Erarbeitung einer Wasserstoff-Roadmap schließt genau an diesen Punkt an. Durch die Roadmap sollen regionale Chancen und Potenziale analysiert sowie die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen aus dem Kreis unterstützt werden. „Wir erarbeiten eine Wasserstoff-Roadmap für das Kreisgebiet und betrachten dies als weitere Konkretisierung zum Aufbau der lokalen Wasserstoffwirtschaft“, so Iris Poth, Leiterin der Stabsstelle für Struktur- und Wirtschaftsförderung. (tom)

Externe Unterstützung

Hierzu hat sich der Kreis externe Unterstützung geholt. Gemeinsam mit der evety GmbH wird bis zum Sommer 2022 eine Wasserstoff-Roadmap entwickelt. Durch das Projekt sollen vor allem konkrete Handlungsempfehlungen für die regionalen Unternehmen abgeleitet werden. „Unser Ziel ist es, die Euskirchener Wirtschaft langfristig zu stärken und dabei zugleich die Erreichung der Klimaziele sicherzustellen“, sagt Max Metzemacher, Projektkoordinator und Wasserstoffbeauftragter des Kreises Euskirchen.

Akteure einbeziehen

Das auf Wasserstoff spezialisierte Beratungsunternehmen evety hat bereits eine Vielzahl von Wasserstoffstrategien erarbeitet und weiß deshalb, worauf es ankommt. „Besonders wichtig für den Aufbau einer regionalen Wasserstoffwirtschaft ist das Gleichgewicht von Wasserstoffangebot und -nachfrage. Deswegen werden wir die lokalen Akteure frühzeitig in den Erarbeitungsprozess einbinden. Es ist uns wichtig, konkrete Initiativen zu identifizieren und zu fördern, und nicht einen Papiertiger zu entwickeln“, sagt Dr. Alexander Tunnat von evety.

Online-Umfrage

Zurzeit wird eine Online-Umfrage für interessierte Unternehmen aus der Region vorbereitet. So sollen die Vorkenntnisse, existierende Initiativen, aber auch offene Fragestellungen der Akteure erfasst und berücksichtigt werden. Die Ergebnisse der Umfrage bilden die Basis für weiterführende, vertiefende Gespräche. (tom)

Doch im Kreis Euskirchen ist nicht alles Gold, was glänzt. „Unsere Analyse hat gezeigt, dass die geringe Verfügbarkeit von Gewerbeflächen mittelfristig die Entwicklung hemmen kann“, sagt Nomo Braun von der agiplan, die für den Kreis das Konzept zur nachhaltigen Wirtschaft erarbeitet hat. Das kann Wirtschaftsförderin Poth nur bestätigen. „Wir hatten im vergangenen Jahr so viele Anfragen nach Gewerbeflächen wie nie zuvor, aber wir können die Nachfrage nicht bedienen“, sagt sie: „Die Kommunen haben alle nur noch ein paar Hektar, aber wir bekommen Anfragen, die gleich mal fünf haben möchten. Diesen Flächendruck hatten wir oft nicht.“

Es seien auch überregionale Anfragen dabei. Laut Poth werden sämtliche Anfragen an alle elf Kommunen weitergeleitet – auch wenn klar sei, dass kein Platz vorhanden sei. „Das hilft vielleicht den Kommunen in der Argumentation gegenüber der Bezirksregierung, wenn es darum geht, neue Gewerbeflächen auszuweisen und die Bedarfe nachzuweisen“, so Poth.

Einzigartige Struktur

Der Kreis sei in seiner Struktur, geprägt durch das Spannungsfeld zwischen der Metropolregion Rheinland und der ländlichen Struktur in der Eifel, einzigartig. Das Rückgrat der regionalen Wirtschaft sei durch den breitgefächerten Mittelstand geprägt, so Braun. 73 Prozent der Arbeitnehmer verdienen ihr Geld laut Poth in Klein- und mittelständischen Unternehmen.

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Das habe zwar den Vorteil, dass die Unternehmen durch ihre Größe schnell und gut auf Veränderungen reagieren könnten, aber weniger über eigene Innovationsabteilungen verfügen. Dort setzen laut Poth die Beratungsangebote der Wirtschaftsförderung an.

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