Am Volkstrauertag wurde im Kreis Euskirchen der Opfer von Krieg und Gewalt gedacht. Landrat Markus Ramers rief zum Einsatz für den Frieden auf.
GedenkenLandrat Ramers ruft in Euskirchen dazu auf, Lehren aus den Schrecken zu ziehen

Vertreter aus Politik, Kirchen und Bundeswehr gedachten in Euskirchen der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.
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80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und angesichts einer veränderten Weltlage stand der Volkstrauertag an diesem Sonntag unter besonderen Vorzeichen. An vielen Stellen wurde auch im Kreis Euskirchen der Kriegstoten und der Opfer von Gewaltherrschaft gedacht.
Bei der Gedenkfeier auf dem Friedhof in der Euskirchener Kernstadt, bei der neben Landrat Markus Ramers, Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt und Vertreter der Bundeswehr, der Kirchen sowie weiterer Einrichtungen Kränze niederlegten, machte der Landrat an einem Beispiel eindrucksvoll deutlich, worum es an diesem Tag geht.
Landrat Markus Ramers erinnert an die Soldaten, die in Kriegen ums Leben kamen
Er erinnerte daran, dass erst vor wenigen Monaten in Estland die sterblichen Überreste von rund 400 deutschen Soldaten gefunden wurden – Männer, die vor und während der Schlacht von Narva 1944 ihr Leben verloren haben.
„Ihre Namen“, so Ramers, „sind oft vergessen, ihre Geschichten kaum noch erzählt.“ Sie stünden aber für unzählige Leben, die der Krieg ausgelöscht habe, und für Familien, die trauerten.

In Vertretung des Standortältesten Peter Webert legte Oberst Wollschläger einen Kranz am Denkmal nieder.
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Der Volkstrauertag sei ein Tag der Stille, der Erinnerung, aber auch der Verantwortung. „Seit 1945 bis heute sind acht Jahrzehnte vergangen, in denen uns in unserem Land der Frieden unendlich viel geschenkt hat: Sicherheit, Freiheit, Wohlstand, die Chance auf ein gutes Leben“, sagte Ramers. „Und doch spüren wir gerade in der letzten Zeit, wie brüchig diese Errungenschaften sein können.“
Die Weltordnung erodiere, die Friedensordnung gerate ins Wanken, Kriege und Krisen rückten näher an den Alltag. Er sprach in diesem Zusammenhang die Diskussionen über die Wiedereinführung der Wehrpflicht an.
Frieden ist harte Arbeit – jeden Tag.
Daher seien die Gedanken an diesem Gedenktag keineswegs ausschließlich rückwärtsgewandt, so der Landrat: „Er richtet den Blick nach vorn. Wir denken heute an die Opfer von Krieg, Gewalt und Vertreibung – damals wie heute. Wir fragen uns: Was hat uns der Frieden gelehrt?“
Frieden sei eben nicht nur die Abwesenheit von Krieg; Frieden sei eine menschliche Errungenschaft, so Ramers: „Er beginnt im Respekt voreinander, im Schutz der Schwächeren, in der Bereitschaft zuzuhören.“
Frieden zeige sich in Parlamenten und in Familien, auf Schulhöfen und in Gemeinderäten, in sozialen Netzwerken und an den Küchentischen. „Frieden ist harte Arbeit – jeden Tag“, sagte der Landrat.
Auch im Inneren der Gesellschaft muss für den Frieden gekämpft werden
Um der Gleichgültigkeit entgegenzuwirken, brauche es der Erinnerung, stellte Ramers fest: „Damit wir die verletzliche Würde jedes Menschen achten; damit wir verstehen, was auf dem Spiel steht, wenn Hass, Lüge und Gewalt Raum gewinnen.“
Krieg, Gewalt und Vertreibung gebe es nicht nur an den sichtbaren Fronten dieser Welt, auch im Inneren der Gesellschaften könnten Worte zu Waffen werden. „Auch Demokratien – selbst jene, die uns lange Vorbild waren – erleben Anfeindungen, Polarisierung, Gewalt gegen Minderheiten, Verachtung gegenüber Institutionen“, zog Ramers den Bogen aus der Erinnerung in die Betrachtung der Gegenwart. „Demokratie verändert sich, das ist normal. Aber Autokratien stärken sich, das ist gefährlich.“

Musikalisch begleitet wurde die Gedenkstunde vom Musikverein Kreuzweingarten-Rheder.
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80 Jahre nach Kriegsende müsse für den Frieden mehr denn je gearbeitet werden, erklärte Ramers: „Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge leistet dazu seit Jahrzehnten Unverzichtbares – weit über die Pflege von Gräbern hinaus.“
Seine Bildungs- und Friedensarbeit verbinde Generationen, Nationen, Sprachen. Jugendliche begegneten einander auf den Friedhöfen, in Workcamps, in Ausstellungen und Projekten: „Sie lernen, was Zahlen nicht erzählen können: dass hinter jeder Zahl ein Mensch steht, eine Familie, eine Geschichte, eine Zukunft, die es nicht gab. Diese Erfahrungen prägen. Sie machen aus Erinnerung Haltung und aus Haltung Verantwortung.“
Hass im Netz, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit werden wieder lauter
Diese Weitergabe der Erinnerungen sei umso wichtiger, da die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen der Schrecken der Weltkriege weniger würden. Umso mehr komme es auf das Weitergeben, auf das Erzählen, auf das Bewahren an – und auf das Übersetzen dieser Erfahrungen in die Fragen von heute: „Was heißt Nie wieder! in einer Welt, in der Kriege wieder offen geführt werden? Was heißt es, in einer Zeit, in der Hass im Netz normal erscheinen will, in der antisemitische, rassistische und menschenfeindliche Parolen wieder lauter werden?“
Am Ende seine Rede kam Ramers auf die 400 Soldaten zurück, deren Überreste in Estland gefunden wurden. Sie erinnerten daran, dass der Krieg lange Schatten trage: „Sie mahnen uns, die Toten nicht zu vergessen – und die Lebenden zu schützen.“
Achtzig Jahre nach Kriegsende sei es Aufgabe der Nachkommen, den Opfern ihre Würde zurückzugeben und die Würde der Lebenden zu bewahren.

