Im Kreis Euskirchen haben die Schuldner- und Insolvenzberater der Caritas viel zu tun. Sie beobachten, dass die Klientel sich ändert.
PrivatinsolvenzWie Berater im Kreis Euskirchen auf dem Weg aus der Schuldenfalle helfen

Unter bestimmten Voraussetzungen können Privatpersonen, die die Forderungen ihrer Gläubiger nicht mehr bezahlen können, einen Insolvenzantrag stellen. dpa/Fernando Gutierrez-Juarez
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Jeden Tag kommen neue Anfragen. Drei bis vier sind es immer, für jede der beiden Beraterinnen. Trixi Salz und Martina Deutschbein von der Schuldner- und Insolvenzberatung des Caritasverbandes Euskirchen versuchen dann, innerhalb von drei bis vier Wochen einen ersten Termin zu vereinbaren. „Da schauen wir uns erst einmal die finanzielle Lage an, suchen nach den Ursachen der Verschuldung. Und wir füllen die P-Konto-Bescheinigung aus“, erklärt Salz. Diese wird benötigt, um ein Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto umzuwandeln, damit das Existenzminimum von 1500 Euro für eine Einzelperson nicht von Gläubigern angetastet werden kann.
Trixi Salz und Martina Deutschbein bringen zusammen 58 Jahre Erfahrung im Bereich Schuldner- und Insolvenzberatung mit. Es gibt vermutlich nur wenig, was sie in ihren Beratungen noch nicht erlebt haben. „Der Zulauf von Hilfesuchenden war immer schon sehr hoch“, sagt Salz. „Aber wir haben jetzt eine völlig andere Klientel als noch vor zehn Jahren.“
Wissenslücken: Berater fordern eine Finanzbildung ab der Grundschule
Markant sei vor allem, dass viele der Männer und Frauen, die überschuldet bei ihnen aufschlagen, nur rudimentäres Wissen über Finanzplanung, Banken und Kredite besitzen. Die einhellige und bundesweite Forderung der Schuldner-Beratungsstellen lautet deshalb, bereits in Grundschulklassen bis hin zu den Abschlussklassen altersgerechte Finanzbildung in den Lehrplänen zu verankern.
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Die Gründe, die Menschen in die Schuldenfalle treiben können, sind vielfältig. Kauf- und Konsumsucht, Scheidung oder Trennung, Arbeitslosigkeit, Krankheit oder eben die mangelnde Kompetenz, die Lebensführung an die eigene Haushaltslage anzupassen. Für manche Klientinnen und Klienten kommt dann das Verbraucherinsolvenzverfahren infrage.

Ein eingespieltes Team: Trixi Salz (l.) und Martina Deutschbein von der Schuldner- und Insolvenzberatung der Caritas Euskirchen.
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Dieses bietet überschuldeten Menschen unter bestimmten Voraussetzungen die Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang. Ziel des Insolvenzverfahrens ist die sogenannte Restschuldbefreiung, die verschuldete Personen in der Regel nach drei Jahren erlangen können. „Das gilt aber nicht für alle Forderungen“, betont Trixi Salz. Für nicht gezahlten Kindesunterhalt etwa, Steuerschulden oder Schulden aus vorsätzlichen Straftaten wie etwa Betrug.
Für die Privatinsolvenz gelten einige Regeln
Wer in die Privatinsolvenz geht, muss sich einigen Regeln stellen. „So muss jede zumutbare Arbeit angenommen werden“, erklärt Martina Deutschbein. Und wer unterhaltspflichtig ist und keine volle Stelle hat, müsse sich dann noch einen Nebenjob suchen.
In der dreijährigen Wohlverhaltensphase, in der die Forderungen der Gläubiger vom nicht pfändbaren Einkommen des Klienten bedient werden, dürfen keine neuen Schulden gemacht werden. Der ernannte Insolvenzverwalter überwacht all dies. Auch, ob die Miete beim Vermieter tatsächlich eingeht und nicht für etwaige andere Belange genutzt wird.
„Häufig haben unsere Klienten hohe Krankenkassenschulden. Wer dann in den Notlagentarif rutscht und plötzlich ernsthaft erkrankt, hat es besonders schwer“, erzählt Martina Deutschbein.
Viele Verschuldete werden von Schamgefühlen geplagt
Die Schuldner- und Insolvenzberaterinnen übernehmen die Aufgabe, sämtliche Gläubiger anzuschreiben und ihnen einen Schuldenregulierungsplan vorzulegen. Im besten Fall sind es nur ein paar, im ungünstigsten auch schon mal rund 140 Gläubiger auf einen Schlag. Sobald nur einer der Gläubiger dem Plan nicht zustimmt, gilt dieser außergerichtliche Einigungsversuch als gescheitert. „Das ist dann die Eintrittskarte für die Verbraucherinsolvenz“, erklärt Deutschbein. Die Höhe der Schulden, mit denen die Klienten belastet sind, sei höchst unterschiedlich. „Das reicht von 2000 bis zu einer Million Euro“, sagt Trixi Salz.
Der Weg in die Restschuldbefreiung sei nicht ohne Stolpersteine. Man benötige Durchhaltevermögen und die Bereitschaft, sich der finanziellen Situation zu stellen und aktiv mitzuarbeiten. „Nahezu alle, die den Weg zu uns finden, haben große Schamgefühle“, sagt Salz. „Es ist aber schwierig, erst dann anzurufen, wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht“, betont ihre Kollegin.
Durch Online-Zahlungen geht der Bezug zum Geld verloren
Schnell gehe es ohnehin nicht: Nach der Erstberatung gilt es rund ein Jahr zu warten, ehe die Beraterinnen sich des Falles richtig annehmen können. „Wir empfehlen, diese Zeit aktiv zu nutzen, die Unterlagen zu sichten und sich einen Überblick zu verschaffen“, sagt Deutschbein. Dazu gehören auch die Kisten mit den ungeöffneten Postzustellungen, die fast alle Klienten haben. „Wir sind froh, wenn diese Briefe nicht vernichtet wurden, das erleichtert uns die Arbeit“, meint Salz.
Apropos Briefumschläge: „Viele unserer Klienten haben nur virtuell mit Geld zu tun – sie zahlen mit Klarna, Amazon-Payments oder Paypal. Dabei entsteht kein wirklicher Bezug zum Umgang mit Geld“, so Deutschbein. Wenn sie und ihre Kollegin mit dem Klienten einen Haushaltsplan erstellen und ermitteln, wie viel Geld für die Lebensführung bleibt, greifen sie auch manchmal zu einem altbewährten Trick: Summe x, geteilt durch vier Wochen, verpackt in vier Umschläge. Das helfe manch einem, den Überblick zu bewahren.
Im laufenden Jahr hatten Trixi Salz und Martina Deutschbein bereits 147 Beratungskontakte. Langweilig werde diese Aufgabe aber nie. Trixi Salz, die bald in den Ruhestand geht, sagt, dass sie immer noch jeden Tag gerne ihre Arbeit mache, denn diese sei einfach sehr sinnvoll. „Zu sehen, wie viel Last wir hier von vielen der Hilfesuchenden nehmen können, ist einfach schön.“
Im Kreis Euskirchen sind die Schuldnerberatungsstellen bei den beiden Caritasverbänden angesiedelt. Der Caritasverband Eifel hat Beratungsbüros in Kall, Mechernich und Schleiden. Die beiden Beraterinnen in der Kreisstadt gehören zum Caritasverband Euskirchen. Die Kontaktdaten der jeweiligen Schuldner- und Insolvenzberater und -beraterinnen finden sich auf den Internetseiten der Caritas-Verbände.
Aktionswoche im Juni
In der Aktionswoche „Schuldnerberatung“ vom 2. bis 6. Juni rufen die beiden Caritasverbände im Kreis Euskirchen die Politik auf, mehr in die Finanzbildung zu investieren. Die Aktionswoche steht unter dem Motto „Beste Investition Finanzbildung – wenn aus Minus Plus wird“.
Finanzbildung sei der Schlüssel zu Eigenverantwortung, gesellschaftlicher Teilhabe und einem selbstbestimmten Leben, sagt Oliver Krings, Vorstand des Caritasverbandes für die Region Eifel. „In einer zunehmend komplexen Finanzwelt ist dies unverzichtbar, vor allem für Menschen, die mit knappen finanziellen Ressourcen zu kämpfen haben.“ Die Erfahrung aus den Schuldnerberatungsstellen der Caritasverbände zeigt: Gute Finanzbildung kann Überschuldung vorbeugen oder erneute Überschuldung verhindern.
Die sozialen Schuldnerberatungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege und der Verbraucherzentralen, die sich in der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) zusammengeschlossen haben, fordern deshalb von der Politik mehr finanzielles Engagement in der Finanzbildung.
Wilfried Schmitz, Bereichsleiter für Beratungen und Betreuungen beim Caritasverband Euskirchen, sagt hierzu: „Junge Menschen, die frühzeitig im richtigen Umgang mit ihren Finanzen geschult werden, haben ein wesentlich geringeres Risiko, in die Verschuldungsfalle zu geraten.“ Auch sozialer Abstieg und der damit verbundene Anstieg an staatlichen Sozialleistungen würden so verringert – eine Win-win-Situation also für alle Seiten.