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Wechsel an der SpitzeTurbulenzen im Mechernicher Kreuserstift

Lesezeit 6 Minuten

Einen guten Ruf – was die Pflege angeht – hat das Mechernicher Kreuserstift. Doch in dessen Leitung gab es Turbulenzen.

Mechernich – Das Bischöfliche Generalvikariat Aachen, das die Aufsicht über die Stiftung Carl Kreuser jr. in Mechernich hat, zog die Notbremse: Das Kuratorium habe die Ämter des bisherigen Kuratoriumsvorsitzenden des Kreuserstifts und des Geschäftsführers neu besetzen müssen, weil, so Justiziar Karl Dyckmans, „die Dienstausübung der bisherigen Amtsinhaber Fragen aufgeworfen hat.“ Er teilte dieser Zeitung auf Anfrage mit, dass Adrian Grüter, der Leiter der Volkshochschule in Rheinbach, zum neuen Kuratoriumsvorsitzenden und das Kuratoriumsmitglied Heinz Bungarten zu seinem Stellvertreter gewählt worden seien. Grüter sei gleichzeitig auch zum neuen Geschäftsführer des Kreuserstifts bestellt worden.

Ob das Wirken der bisherigen Amtsträger strafrechtliche Konsequenzen haben könnte, werde nun „von einem Externen“ überprüft. „Eine Strafanzeige ist bisher vom Kuratorium oder seitens der Stiftungsaufsicht nicht erstattet worden; darüber ist erst nach Vorliegen des fundierten Prüfungsergebnisses zu entscheiden“, teilte das Bischöfliche Generalvikariat weiter mit.

Bereits 2004 hatte es erheblichen Ärger gegeben, als die beiden Mechernicher Pfarrer Eric Pühringer und Michael Stöhr Geschäftsführung und Kuratoriumsvorsitz des Kreuserstifts massiv kritisiert hatten. Der Ex-Vorsitzende sei „ein reiner Machtmensch, der das Kuratorium weitgehend ausgeschaltet hat“, monierte Stöhr damals.

Ex-Geschäftsführer und Ex-Kuratoriumsvorsitzender setzten ihre Arbeit fort, ohne dass zunächst weitere Vorwürfe an die Öffentlichkeit drangen. Sitzungsunterlagen des Kuratoriums, die dieser Zeitung vorliegen, zeigen jedoch, dass die Situation 2015 eskalierte. Demnach schaltete der Ex-Geschäftsführer am 13. Januar dieses Jahres eine Mechernicher Rechtsanwaltskanzlei ein. Dort erklärte er, wie die Kanzlei schriftlich festhielt, der ehemalige Kuratoriumsvorsitzende habe „in erheblichem Umfang ohne Rechtsgrund aus dem Stiftungsvermögen Gelder entnommen“.

Das Pflegeheim

Das Mechernicher Kreuserstift kann bis zu 88 Personen betreuen. 74 Mitarbeiter sind dort tätig. Die Heimaufsicht des Kreises Euskirchen hat aufgrund der Querelen eine Überprüfung des Hauses durchgeführt. Laut Pressesprecher Swen Weißer gibt es nichts am Pflegebetrieb zu beanstanden.

Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick sind die Turbulenzen im Kreuserstift nicht entgangen: „Ich weiß, dass es im Kreuserstift Schwierigkeiten gegeben hat und gibt. Ich bin aber nicht Mitglied des Kuratoriums und kenne die Details nicht“, erklärte er auf Anfrage.

„Die Mitarbeiter dort machen eine gute Arbeit und die Menschen werden gut versorgt“, sagte der Bürgermeister. Der Pflegebetrieb habe nichts mit den Querelen zwischen Kuratorium und Geschäftsführer zu tun.(pe)

Dem Ex-Vorsitzenden wurde daraufhin von der Kanzlei im Auftrag des ehemaligen Geschäftsführers am 15. Januar Folgendes mitgeteilt: „Im Rahmen der Erstellung der Jahresbilanz für die Stiftung wurde von der damit betrauten Steuerberatung festgestellt und darauf hingewiesen, dass Sie aus dem Stiftungsvermögen insgesamt rund 107 000 Euro in Form von Barentnahmen oder sonstigen Verfügungen entnommen haben, ohne dass hierfür Belege, insbesondere aber diese Entnahmen rechtfertigende Kuratoriumsbeschlüsse vorliegen.“ Ihr Mandant, so heißt es in dem Schreiben weiter, werde dies nun melden. Außerdem lehne er jeglichen weiteren Kontakt mit dem Ex-Vorsitzenden ab. Am 22. Januar informierte der frühere Geschäftsführer tatsächlich die Stiftungsaufsicht, also das Generalvikariat des Bistums Aachen. Der Ex-Kuratoriumsvorsitzende habe Spekulationen mit Stiftungsgeldern sowie Veruntreuung betrieben und sich unerlaubte Vorteile verschafft. Laut Akten seien Barmittel an den ehemaligen Vorsitzenden ausgezahlt worden.

In Sitzungsunterlagen des Kuratoriums wird ein Darlehen in fünfstelliger Höhe erwähnt, das einer Person in der Schweiz gewährt wurde. Dieses konnte demnach nicht zurückgezahlt werden, weil „mangels Masse nicht vollstreckt werden konnte.“ Des Weiteren wird in den Unterlagen von einem „Darlehensvertrag mit dem Kreuserstift“ aus 2011 an den Ex-Vorsitzenden als Darlehensnehmer gesprochen. Das Kreuserstift, vertreten durch den Geschäftsführer, fungierte demnach als Darlehensgeber. „Hiermit scheinbar zusammenhängende Zahlungen“ in fünfstelliger Höhe seien zu überprüfen.

Die Kreuserstiftung

Die Stiftung Carl Kreuser jr. ist eine Stiftung des Privaten Rechts. Sie ist laut Satzung „eine im Sinne der römisch-katholischen Kirche geleitete Einrichtung christlicher Liebestätigkeit“ und verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke. Gegründet wurde sie 1885 von der Familie Carl Kreusers, der einer der einflussreichsten Mechernicher Bergwerksbesitzer war. Der Neubau des heutigen Seniorenheims wurde 2003 bezogen.

Laut Satzung darf „keine Person durch Verwaltungsausgaben, die den Zwecken der Stiftung fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden“. Das neunköpfige Kuratorium setzt sich aus zwei Mitgliedern der Stifterfamilie, dem katholischen Pfarrer von Mechernich und einem vom Stadtrat zu bestimmenden Vertreter zusammen. Neben diesen „geborenen Mitgliedern“ werden fünf „gekorene Mitglieder“ gewählt. (pe)

Der Geschäftsführer musste gehen, weil er das Generalvikariat als Stiftungsaufsicht informiert hatte, ohne mit dem Kuratorium Rücksprache zu halten. Er hatte offenbar sogar angekündigt, er werde auch die Staatsanwaltschaft einschalten. Auf Nachfrage dieser Zeitung bestätigte die zuständige Staatsanwaltschaft Bonn dies jedoch nicht. Er bekam prompt die Quittung, weil er sich illoyal gegenüber der Stiftung verhalten habe: Am 27. Januar erfolgte seine fristlose Kündigung. Er wurde, so wird aus gut informierter Quelle berichtet, von zwei Personen des Kuratoriums aus dem Kreuserstift geführt und ihm wurde ein Hausverbot erteilt.

Wie ebenfalls zu erfahren war, sollen die beiden nunmehr beschuldigten Personen lange Jahre enge Freunde gewesen sein. Und laut Kuratoriumsunterlagen gab es „Ungereimtheiten in den Gehaltsabrechnungen“ des Ex-Geschäftsführers. Das Kuratorium beschloss, eine Bonner Wirtschaftsberatungskanzlei mit einer Sonderprüfung zu beauftragen. Alle Geldzahlungen an den damaligen Vorsitzenden seit 2009, eine Sonderprüfung der Buchhaltung für 2015 und Januar 2016, sowie die Überprüfung der Gehaltszahlungen an den Ex-Geschäftsführer und dessen verstorbene Ehefrau, die früher ebenfalls im Kreuserstift als Pflegedienstleiterin beschäftigt war, gehören dazu.

Per E-Mail teilte der Vorsitzende am 5. Februar dem Bistum mit, er lege den Vorsitz im Kuratorium nieder und scheide auch als Mitglied des Kuratoriums aus. Sein Nachfolger soll nach den Vorgaben der Satzung sein Sohn werden, wie das Generalvikariat mitteilte.

Trotz vielfältiger Bemühungen dieser Zeitung gelang es nicht, den früheren Vorsitzenden und den Ex-Geschäftsführer für eine Stellungnahme zu erreichen. Auch der Rechtsanwalt des früheren Geschäftsführers lehnte es ab, einen Kontakt zu ermöglichen.

Für die Stadt Mechernich ist Egbert Kramp (SPD) Mitglied im neunköpfigen Kuratorium: Auf Anfrage teilte er mit, in den Sitzungen habe man so gut wie nichts erfahren. Kramp: „Der Wirtschaftsplan wurde einem nach fünf Minuten wieder aus der Hand gerissen.“

Er habe die vorletzte Sitzung des Kuratoriums, an der auch Vorsitzender und Geschäftsführer noch teilnahmen, verfolgt und gedacht: „Das kann doch nicht möglich sein.“ Das offenkundige Zusammenspiel zwischen beiden habe ihn empört. Er wolle in seiner Kommentierung nicht weiter in die Tiefe gehen, aber unzweifelhaft sei einiges falsch gelaufen. Er hoffe nun, dass die Prüfungsgesellschaft die Unklarheiten beseitige und eine solide Grundlage für das weitere Vorgehen schaffe.