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BuchvorstellungDie Bilder der Flutkatastrophe im Schleidener Tal

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Braune Wassermassen haben den Gemünder Kreisel in der Nacht vollständig überschwemmt.

Ein seltenes Bild aus der Flutnacht: Es verdeutlicht die brutale Gewalt, mit der die braunen Wassermassen den Ortskern von Gemünd fluteten. Der Gemünder Kreisel war um 1.45 Uhr vollständig überschwemmt. In der Nacht der Katastrophe wurden nur wenige Fotos gemacht. Das Gros der Bilder in der Fotosammlung zeigt die Situation danach.

Für die Bürgerstiftung Schleiden stellten Kerstin Wielspütz und Franz Albert Heinen die Fotos von Bürgern auf 279 Seiten zusammen.

Wenn es etwas gibt, das sich ins kollektive Gedächtnis der Menschen im Schleidener Tal eingegraben hat, dann ist das die Flutkatastrophe in der Nacht vom 14. zum 15. Juli 2021. Nicht nur über die Flüsse Urft und Olef, über jeden Bach, jeden Straßengraben, jeden Weg und jede Wiese floss das Wasser ins Tal, um sich dort zu einem mächtigen Strom zu vereinen, der alles zerstörte, was sich ihm in den Weg stellte. Viele Wunden hat die Katastrophe geschlagen, innerlich wie äußerlich. Neun Menschen starben im Stadtgebiet.

In den mehr als vier Jahren nach der Katastrophe ist viel geschehen. Vieles wurde repariert, die Schäden beseitigt, doch die Erinnerung bleibt. „Es sind nicht nur die Bilder von damals, die wir heute im Kopf haben“, sagte Marcel Wolter, Allgemeiner Vertreter des Schleidener Bürgermeisters und Geschäftsführer der Bürgerstiftung Schleiden, bei der Vorstellung des Erinnerungsbandes an das Jahrhundertereignis in der Stadtbibliothek in Schleiden. Es seien die Geräusche: Strömende Wassermassen, das Poltern von Fahrzeugen, die gegen Hauswände schlugen, der Geruch von Öl, Gas, Müll und Fäkalien, der über Wochen hinweg über der Stadt lag.

Marcel Wolter: „Alles, fast alles wurde in dieser Nacht zerstört.“

„Die Stadt Schleiden war schlichtweg nicht mehr die Stadt, die wir kannten“, so Wolter weiter. Kindergärten, Schulen, Feuerwehr, Vereinsgelände, Turnhallen, Sportplätze, Schützenhäuser, Gewerbebetriebe, Tankstellen, Lebensmittelversorgung, Stadtbibliothek, Bäcker, Friseur: „Alles, fast alles wurde in dieser Nacht zerstört.“ Auch sei ortsbildprägende Bebauung wie das Café Poth in Gemünd womöglich für immer verschwunden.

Ein Fachwerkhaus, dessen Untergeschoss komplett zerstört ist, ist zu sehen. Die Wassermassen hatten die Wände eingerissen.

Dieses Haus in Malsbenden musste nach der Flut abgerissen werden.

Ein grellgrünes Auto steckt mit dem Heck in einem mit Wasser gefüllten Loch, das sich vor einem Haus gebildet hatte.

In einem Loch Ecke Arenbergstraße/Am Burggarten steckte ein Auto.

Die Gedanken wiegen schwer. Was aber noch an Erinnerungen greifbar ist, sind die Bilder, die in den Tagen während und nach der Flut gemacht worden sind, und die zeigen, wie unglaublich das Ausmaß der Verwüstung war, die die Flut im Schleidener Tal angerichtet hatte.

Idee zum Bildband entstand aus einem anderen Buchprojekt heraus

Im Grunde sei dieser Band ein Projekt aus dem Buch, das die Bürgerstiftung Schleiden zum 50-jährigen Bestehen der Stadt herausgegeben habe, erklärte Wolter. „Die Flut war darin zu einem Extrakapitel geworden“, sagte er. Doch es sei klar geworden, dass das Thema viel umfangreicher sei. Deshalb sei dieser Bildband in Angriff genommen worden.

Anders als bei vielen Fotobänden, die nach der Flut auf den Markt geworfen wurden, wurden die Leute um Material gebeten, die das Geschehen miterlebt hatten: Anwohner, Bürger, Helfer, Feuerwehrleute, THW und andere Institutionen. In mehreren Aufrufen, so Wolter, habe die Bürgerstiftung die Schleidener gebeten, Bildmaterial mit der Angabe von Aufnahmeort und -zeit zur Verfügung zu stellen und damit ein Bild der Flutkatastrophe aus Sicht der Bürger zusammenzustellen.

Fast doppelt so viele wie die geschätzten 150 Seiten

Die Größe des Bandes sei zunächst auf 150 Seiten geschätzt worden. Doch im Endeffekt wurden es 279 Seiten. Und es seien so viele Bilder zusammengekommen, dass nicht einmal alle in dem Buch verwendet werden konnten, sagte Wolter. Zusammengestellt, beschriftet und gestaltet wurde der Band von Kerstin Wielspütz und Franz Albert Heinen. Den beiden ist mit dem Band Großes gelungen. Hier wird nicht mit fotografischem Eifer die Ästhetik des Untergangs gefeiert, hier wird dokumentiert. Sachlich, präzise und nüchtern werden Ort und Zeit genannt und zu jedem Bild eine kurze Einordnung geliefert. Die Bilder aus den betroffenen Stadtteilen Oberhausen, Schleiden, Olef, Nierfeld und Gemünd wurden zusammengefasst, um damit ein Durcheinander willkürlicher Ordnungskategorien zu vermeiden.

Von der Olefbrücke aus erkennt man noch das Hochwasser, das die Häuser entlang des Ufers überflutet hatten.

Auch am Morgen flossen große Wassermassen weiter in Richtung Gemünd: Blick von der Olefbrücke auf die noch überfluteten Häuser in Olef.

Eine Gruppe von Menschen steht nebeneinander, einer hält den BIldband in die Kamera.

Viele Menschen haben mit ihren zur Verfügung gestellten Bildern zu dem Band beigetragen.

Marcel Wolter, Geschäftsführer der Bürgerstiftung Schleiden, spricht in ein Mikrofon, das er in der Hand hält.

Der Geschäftsführer der Bürgerstiftung Schleiden, Marcel Wolter, hielt den Einführungsvortrag.

Viele der Abbildungen zeigen die Zerstörungen, die am Morgen des 15. Juli 2021 offenbar wurden. Nur wenige zeigen das Geschehen in der Nacht, denn nach den Stromausfällen war es in der stockdunklen Nacht schlicht unmöglich, Fotos zu machen. Umso erschreckender das Bild von Jörg Nußbaum, der in der Nacht den überfluteten Kreisverkehr in Gemünd offensichtlich mit seinen Autoscheinwerfern beleuchtete und festhielt: Braune Wassermassen tosen die Bundesstraße entlang, versunken die Häuserreihe mit Bahnhof und Gemünder Hof im Hintergrund.

Aus den Bildern spricht das Entsetzen der Menschen

Doch aus den Bildern spricht so viel mehr: Das Entsetzen der Menschen, die im ersten Tageslicht unvorbereitet die Verwüstungen sehen mussten, die Fassungslosigkeit und Verzweiflung der Fotografen, als sie auf den Auslöser drückten, ist immer noch zu spüren. So ist der Band mehr als eine Fotosammlung: Es ist das kollektive Bildergedächtnis der Stadt und damit ein historisches Werk, auch für nachfolgende Generationen, das das Geschehen dokumentiert. Dabei zeigen auch Luftbilder, die die Berufsfeuerwehr Dortmund am frühen Morgen mit einer Drohne machte, das Ausmaß der Flut. Bilder aus dem Keller der Kreissparkasse, aus dem zerstörten Rewe-Markt in Oberhausen oder dem Bauhof in Schleiden sind ebenfalls zu sehen.

Dass das Buch ein schönes Weihnachtsgeschenk ist, bezweifelt auch Wolter. Zu tief sind die Wunden, die die Katastrophe gerissen hat. Doch da die Auflage auf 2000 Stück begrenzt sei, müsse damit gerechnet werden, dass das Buch bald vergriffen sei, warnte er vor.


Das Buch ist für 12,50 Euro an verschiedenen Stellen erhältlich

Das Buch „Bilder aus dem Flutgebiet“, herausgegeben von Kerstin Wielspütz und Franz Albert Heinen, ist zum Preis von 12,50 Euro in der Tourist-Information in Gemünd, in der Stadtbibliothek Schleiden, im Rathaus Schleiden, Büro A1.110, und im Café Kupp in Dreiborn erhältlich. Außer in der Tourist-Information, wo auch mit Karte bezahlt werden kann, ist nur Barzahlung möglich.

Im Buchhandel ist es nicht erhältlich. Es kann aber auch per E-Mail bestellt werden. Dann kommen Versandkosten hinzu.