EhrungHendrik Wüst hat Günter Dahlem aus Euskirchen den Landesverdienstorden verliehen

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Ministerpräsident Hendrik Wüst hält eine Urkunde in der Hand, Günter Dahlem aus Euskirchen den Landesverdienstorden.

Ministerpräsident Hendrik Wüst hat Günter Dahlem aus Euskirchen den Landesverdienstorden verliehen.

Für seine Tätigkeit in der Mediengewerkschaft VRFF und im Verein Miteinander-Füreinander hat Euskirchener den Verdienstorden erhalten.

Als die nette Frau aus dem Büro von Ministerpräsident Hendrik Wüst auf Günter Dahlems privatem Handy anrief, hat der das zunächst für einen Scherzanruf gehalten. Sie kannte allerdings seinen Namen, sein Geburtsdatum und wusste, wo er schon überall gearbeitet hat. Da wurde es ihm unheimlich, der Rentner fürchtete Telefonbetrug. „Wenn die mich jetzt nach weiteren Daten fragt, dann lege ich einfach auf“, dachte er. Doch die nette Frau fragte nicht nach weiteren Daten.

Stattdessen gratulierte sie dem Euskirchener dazu, dass er ausgewählt wurde, den Verdienstorden des Landes NRW zu erhalten. Jetzt fand die Verleihung durch den Ministerpräsidenten in der Staatskanzlei in Düsseldorf statt. Günter Dahlem sowie 15 weitere Frauen und Männer aus ganz NRW wurden von der Landesregierung „für ihre herausragenden Verdienste am Gemeinwohl und am Land Nordrhein-Westfalen“ geehrt. 

Ministerpräsident Hendrik Wüst sagte bei der Verleihung: „Der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ist eine besondere und seltene Auszeichnung.“ Seit seiner Stiftung 1986 sei er nur 1744 Menschen verliehen worden. Heute werde dieser Kreis um 16 Personen erweitert: „16 Menschen, die sehr viel Zeit dafür aufwenden, damit es anderen besser geht. 16 Menschen, die sich ganz besonders und auf vielfältige Art und Weise um unser Land verdient machen – alle mit herausragendem Engagement, zum Teil schon seit Jahrzehnten. Sie alle sind Vorbilder und setzen mit ihrem Einsatz stetige Zeichen der Hoffnung.“

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Eigentlich, sagt Günter Dahlem, habe er nur seine Arbeit gemacht

Wie er zu dieser Ehre kommt, weiß Dahlem nicht so genau. „Ich wüsste gerne, wer mich da verraten hat“, sagt Dahlem. Dass er doch eigentlich keinen Orden brauche, dass er nur seine Arbeit gemacht habe – wie jeder andere auch. Und dass er nicht einmal wisse, für was genau dieser Orden nun sein soll. Mit dem Telefonanruf aus dem Ministerbüro begann auch für Günter Dahlem eine Spurensuche nach den besonderen Verdiensten in seinem Leben.

Geboren und aufgewachsen ist Dahlem in Euskirchen. Euskirchen ist immer sein Lebensmittelpunkt geblieben – egal, wohin es ihn beruflich verschlug.

Hier absolvierte er auch eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann für Textilwaren. Am 1. Juli 1974 wurde Dahlem beim WDR Sachbearbeiter für die GEZ. 1977 hat er sich dort in den Personalrat wählen lassen, wurde bald zum stellvertretenden Vorgesetzten in seiner Dienststelle. Zeitgleich war er in der Mediengewerkschaft tätig, der VRFF (Vereinigung der Rundfunk, Film und Fernsehschaffenden), die dem deutschen Beamtenbund angeschlossen ist. Von 1991 bis 2002 war er ihr Bundesvorsitzender. Seit 2002 ist er „nur noch“ Bundesehrenvorsitzender. „Weil ich schon länger nicht mehr so kann, wie ich gerne würde“, erklärt er.

Dahlem war stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Miteinander-Füreinander“

Hinzu kommt trotzdem ein weiteres Amt, das Dahlem enorm wichtig ist. Er war bis vor zwei Jahren stellvertretender Vorsitzender im Verein „Miteinander-Füreinander“ – ein Verein zur Förderung Behinderter im Kreis Euskirchen. Auch heute bringt er sich dort ein, soweit es ihm seine Gesundheit erlaubt.

In diese Vereinsarbeit, so sagt Dahlem, sei er „irgendwie reingerutscht“. Eine seiner Bekannten, eine Autistin, war Mitglied in dem Verein und hat sich immer um die Karnevalsorganisation gekümmert. Dahlem sagte ihr, dass er sich vorstellen könne, dabei mitzuhelfen. Und prompt wurde er eingespannt. Denn die Tollitäten brauchten Hilfe.

Sie brauchten jemanden, der sich um die Organisation kümmerte und sie zu den Auftritten fuhr. Diese Aufgabe übernahm Dahlem zunächst. Schnell wurde er dann aber zum Mann für alles. Er half den Prinzen, ihre Reden zu verfassen, soufflierte hinter der Bühne. Mittlerweile ist er seit zwölf Jahren Mitglied in dem Verein, der sich nicht nur zu Karneval um die Belange behinderter Menschen kümmert.

Dahlem war immer um Ausgleich, Ruhe und Besonnenheit bemüht

„Ich glaube, ich bin gut darin, den Menschen zuzuhören und zu verstehen, was sie brauchen“, sagt Dahlem. Und meint sowohl seine Arbeit in dem Verein, als auch die als Personalrat und in der Gewerkschaft. In allem, was er in seinem Leben getan habe, sei er um Ausgleich, Ruhe und Besonnenheit bemüht gewesen. „Wer mich zum Schreien bringen wollte, der musste viel versuchen“, sagt er heute und lacht.

Seine ausgleichende Ruhe zeigte sich auch im Umgang mit Mitarbeitern. Sein Credo sei immer gewesen: „Unter erwachsenen Menschen ist alles in Ruhe zu klären.“ Und sein Glaube daran habe im Endeffekt dafür gesorgt, dass das im Großen uns Ganzen auch so gewesen sei.

„Man könnte sagen, ich war mit meiner ganzen Arbeit verheiratet“, sagt Dahlem rückblickend. Eine eigene Familie hat er nie gegründet. Dazu sei schlicht keine Zeit gewesen. Die Jahre seien wie im Flug an ihm vorbeigezogen. An manchen Tagen stieg er morgens in seinen komfortablen Saab, hatte um 9 Uhr eine Konferenz in Köln, fuhr dann zu einem Nachmittagstermin nach Bremen, um von dort abends noch nach Hamburg zu fahren, wo am nächsten Morgen eine Konferenz anstand. Häufig habe er 50.000 Kilometer pro Jahr zurückgelegt.

Zwei Stürze veränderten das Leben von Günter Dahlem

Das hat sich inzwischen verändert: „Seit der letzten Inspektion waren es nur noch 1400.“ Das liege daran, dass sein Arzt ihm das Auto fahren nicht mehr erlaube. „Ich habe Parkinson“, sagt Dahlem. Bemerkt habe er das im vergangenen Jahr. Da ist er auf dem Friedhof schwer gestürzt, hat sich die Zähne ausgeschlagen, Nase und Kiefer gebrochen.

Ein anderes Mal hat er vier Stunden im Treppenhaus zu seiner Wohnung in der Euskirchener Nordstadt gelegen und wusste nicht, was passiert war. Ausgerechnet an diesem Tag, ausgerechnet in diesen vier Stunden lief keiner der anderen Bewohner durchs Treppenhaus. Als er wach wurde, konnte er sich nicht aufrichten und kroch die Treppe hinauf. „Es waren 17 Stufen von dort bis in meine Wohnung.“

Wegen einer Parkinson-Erkrankung muss der Euskirchener kürzertreten

Heute lebt Dahlem in einer lichtdurchfluteten Wohnung in einem Euskirchener Seniorenwohnheim. „Das war die beste Entscheidung“, sagt er. Hier sei er nie so richtig allein. Und im Notfall könne er auf den roten Knopf drücken, den er als Armband um sein Handgelenk trägt und der ihn jederzeit mit dem Malteser Hilfsdienst verbindet. Seitdem er krank sei, könne er überall nur noch Ehrenvorsitzender sein, sagt er.

Am schwersten fällt ihm das Außen-vor-bleiben bei der Vereinsarbeit mit Behinderten. Damit er dort noch helfen könne, müsse man ihn heute genauso abholen, wie er damals die Tollitäten abgeholt habe. „Ich möchte dem Ganzen nicht gänzlich fernbleiben, aber ich möchte den anderen auch keine Umstände machen“, sagt Dahlem, der vom passionierten Autofahrer inzwischen zum ambitionierten Linienbusfahrer umgesattelt hat. Mit dem öffentlichen Verkehrsmittel fährt er regelmäßig ins Café Paris in der Innenstadt, um sich dort mit den anderen Gewerkschaftskollegen zu treffen.

Er sei eben ein wie die meisten Menschen ein Rudeltier, sagt Dahlem. Das sei aber nicht zu verwechseln mit einem „Vereinsmeier“. Gesellschaft habe er immer gerne gehabt, Hierarchien hingegen seien ihm nie besonders wichtig gewesen. 

In seiner Laudatio auf Günter Dahlem hebt Ministerpräsident Hendrik Wüst besonders die vier Jahrzehnte des gewerkschaftlichen Engagements des Euskircheners hervor. Lobt aber auch seine Mitarbeit in dem Verein „Miteinander-Füreinander“. „Lieber Herr Dahlem, Sie gehören zu den Menschen, die unsere Gesellschaft zusammenhalten.“

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