VernehmungKölner Anwalt kritisiert Polizei wegen Missachtung der Corona-Regeln

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Symbolbild Polizei

  • Der Kölner Strafverteidiger Abdou Gabbar vertritt in einem Ermittlungsverfahren wegen Vergewaltigung eine 15-Jährige.
  • Er beriet die junge Frau und stand ihr bei, schildert er.
  • Bei der Vernehmung durch die Polizei sollen Corona-Maßnahmen missachtet worden sein. Der Anwalt übt scharfe Kritik.

Düsseldorf/Köln – Kanzlerin Angela Merkel (CDU) brachte es in ihrer Rede auf den Punkt: „Wir stehen vor der größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg.“ Die Bundesländer hatten soeben den wirtschaftlichen Shutdown beschlossen. Mit Blick auf die sich ausbreitende Coronavirus-Pandemie mahnte Merkel an jenem Mittwoch, den 18. März, ihre Mitbürger, den Rat der Virologen des Robert Koch-Instituts (RKI) zu befolgen. „Kein Handschlag mehr, gründlich und oft die Hände waschen, mindestens eineinhalb Meter Abstand zum Nächsten…“

Bei Abdou Gabbar hallten die Worte noch nach, als er tags darauf zum Düsseldorfer Polizeipräsidium fuhr. Dort erlebte der Kölner Strafverteidiger hautnah, „dass diese Beamten sich überhaupt nicht um die Infektionsgefahren bei Vernehmungen scherten.“

In einer Dienstaufsichtsbeschwerde, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ einsehen konnte, schilderte der Anwalt dem Düsseldorfer Polizeipräsidenten nebst Kopie an NRW-Innenminister Herbert Reul das aus seiner Sicht fragwürdige Verhalten zweier Ermittler aus dem Kommissariat für Sexualdelikte.

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Gabbar sollte ein 15-jähriges Mädchen als Zeugenbeistand bei einer Befragung begleiten. Die Syrerin war vermutlich durch eine Internetbekanntschaft vergewaltigt worden. Freundlich begrüßt, erlebte der Anwalt dann sein unliebsames Dejavu.

Vernehmung in kleinem Raum

Die Vernehmung habe in einem maximal zehn Quadratmeter großen Raum stattgefunden, erinnert sich der Anwalt. Vier Personen teilten sich demnach das Zimmer: Eine Kriminaloberkommissarin, ein Dolmetscher, das Opfer und der Zeugenbeistand. „Von der empfohlenen Abstandsregel konnte hier keine Rede sein, die Verhältnisse waren viel zu beengt“, berichtet Gabbar.

Abdou A. Gabbar

Der Kölner Strafverteidiger Abdou Gabbar übt scharfe Kritik an der Polizei.

Gleich zu Verhörbeginn verlangte der Anwalt nach einem größeren Zimmer. Schließlich wisse doch jeder um die akute Ansteckungsgefahr, führte er mit Hinweis auf die Rede der Kanzlerin vom Vorabend aus. Gabbar verwies darauf, dass sein Neffe an Leukämie erkrankt sei und seine Lebensgefährtin den Jungen häufig besuche. Er wolle ein erhöhtes Infektionsrisiko vermeiden.

Die Kriminalbeamtin wies das Ansinnen nach seinen Angaben zurück. Man habe keinen anderen Raum, habe es geheißen. Erfolglos habe er dann darum gebeten, das Verhör vom offenen Fenster aus verfolgen zu dürfen, so Gabbar. Sie habe ungern jemand im Nacken sitzen, habe die Oberkommissarin erwidert.

Als der Anwalt weiterhin sein Unbehagen bekundete, bemerkte die Ermittlerin seiner Aussage zufolge unwillig: Sie habe morgen drei Durchsuchungsbeschlüsse im Sinti- und Roma-Milieu zu vollstrecken, dabei habe sie auch kein gutes Gefühl. Danach entspann sich ein Disput über die Hygiene-Regeln, die das RKI herausgegeben hatte.

Die Debatte endete im Abbruch der Vernehmung. „Dann erst kam der eigentliche Hammer“, schildert Gabbar die Situation rückblickend. Die Kripofrau habe seine Mandantin gefragt, ob sie ohne ihren Anwalt eine Aussage machen wolle. Das Mädchen habe sich geweigert.

Kommissarin soll Gabbar verwiesen haben

Er habe die Beamtin daraufhin auf die Missachtung seiner Anwaltsrechte aufmerksam gemacht, sagt Gabbar. Immerhin sei er der Zeugenbeistand. „Das ist nicht die feine englische Art.“ Nach einer kurzen Erwiderung habe die Ermittlerin ihn daraufhin hinausgewiesen. „Dabei verkannte sie völlig, dass der neue Opferparagraf dem Anwalt ein Anwesenheitsrecht zubilligt“, erläutert der Jurist.

Die Auseinandersetzung eskalierte, als Gabbar wenige Minuten später erneut die Tür zum Vernehmungszimmer öffnete, um seine Mandantin nach draußen zu begleiten. Er habe hier nichts zu suchen, habe ihn die Oberkommissarin angeblafft.

Als der Jurist ihr eine Dienstaufsichtsbeschwerde in Aussicht stellte, sei die Beamtin von ihrem Stuhl aufgesprungen. Laut brüllend habe sie ihn nach draußen gedrängt. Hochrot angelaufen, nur 50 Zentimeter von seinem Gesicht entfernt, habe sie Gabbar angegiftet: Er meine wohl etwas Besseres zu sein, weil er „ein bisschen Jura studiert“ habe. Als der so Gescholtene die Beamtin um Abstand bat, entgegnete diese: „Dann gehen Sie endlich.“ Das Getöse auf dem Flur rief letztlich die stellvertretende Kommissariats-Chefin auf den Plan, die dem Anwalt nach seiner Erinnerung ohne weiteres Hinterfragen umgehend Hausverbot erteilte und ihn aus dem Gebäude begleitete. „Das war Rausmobben vom Feinsten“, erklärt Gabbar, „Hier sind die Rechte meiner Mandantin und ihres Anwalts mit Füßen getreten worden.“ Eines sei auch klar: „Die hatten überhaupt keine Ahnung, wie sie mit der Corona-Situation umgehen sollten.“

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Mittlerweile hat der Düsseldorfer Polizeipräsident Norbert Wesseler die Beschwerde des Anwalts zurückgewiesen. Aus seiner Sicht haben sich die beiden Kripo-Beamtinnen korrekt verhalten. Weder die Aussagen der Kanzlerin, noch die Schutzverordnung der Stadt Düsseldorf, die just am Tag der Vernehmung in Kraft getreten war, hätten Regeln für Vernehmungen in Strafverfahren enthalten. Dasselbe gelte für die landesweite Corona-Order, die drei Tage später ergangen sei. Erst später habe die Staatsanwaltschaft entsprechende Vorgaben gemacht. Vor dem Hintergrund hätten die Vernehmungsbeamtinnen an jenem 19. März rechtmäßig gehandelt. Wortwahl, Lautstärke und der nicht mehr hinnehmbare Umgangston durch den Anwalt hätten zu seinem Rauswurf geführt.

Gabbar widerspricht dieser Darstellung: „Das ist Quatsch.“ Belustigt resümiert der Strafverteidiger: „Im Umkehrschluss bedeutet diese Erklärung durch die Behördenspitze doch nur, dass die Beamten nur dann auf eine Virusseuche reagieren, wenn ihnen der Polizeipräsident oder der Generalstaatsanwalt sagen, es gibt eine, die Warnungen der Kanzlerin oder der Landesregierung spielen da offenbar keine Rolle.“

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