Franz Meurer in Leichlingen„Müssen uns um jeden Preis um die Armen kümmern“

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Zwei Stunden lang referierte Pfarrer Franz Meurer im voll besetzten Saal des Leichlinger Brauhauses am Bahnhof.

Zwei Stunden lang referierte Pfarrer Franz Meurer im voll besetzten Saal des Leichlinger Brauhauses am Bahnhof.

Leichlingen – Pfarrer Franz Meurer ist inzwischen weit über die Grenzen Kölns hinaus bekannt. Der studierte Rechts- und Sozialwissenschaftler und Theologe ist für die katholische Gemeinde in Höhenberg und Vingst zuständig, bei denen es sich um eher arme Stadtteile handelt. Die Katholische Kirchengemeinde Leichlingen und das Katholische Bildungswerk haben den für seine teils umstrittenen Aktionen berühmten Pfarrer nach Leichlingen eingeladen, um in der Reihe „Leichlinger Anstöße“ zu sprechen.

Das Brauhaus am Bahnhof ist mit 150 Zuhörenden voll, immer mehr Menschen quetschen sich in die wartende Menge. Elmar Funken vom Katholischen Bildungswerk und Inge Metzemacher, die Organisatoren des Abends, sind zufrieden mit dem Andrang: „Wir haben offenbar sowohl mit dem Thema ins Schwarze getroffen als auch mit der Wahl des Referenten“, leitet Metzemacher ein. Franz Meurer will einer großen Grundsatzfrage nachgehen: „Wofür brauchen wir heute Kirche?“ Er spricht frei, und zunächst auch ohne Mikrofon, denn „ich bin ja hier auf’m Land“. Von Anfang an ist sein Vortrag mit witzigen Ratschlägen und Anekdoten geschmückt, das Publikum schmunzelt und lacht gerne. Ab und zu muss jemand eine kleine Rolle einnehmen und als Beispielfigur in einer Schilderung Meurers herhalten.

Anhand von Beispielen führt Meurer eine These nach der anderen auf, wie die Zukunft der Menschheit zu gestalten sei. Dabei schweift er oft weit ab, manchmal kommt er nicht auf den Ausgangspunkt zurück. Die ihm wichtigsten Aussagen lassen sich jedoch klar erkennen: Der Mensch ist grundsätzlich gut, Barmherzigkeit ist die Kraft des Einzelnen, und die Welt ist fromm. Gleichzeitig erkennt der Pfarrer an, es gebe „nichts Gefährlicheres als die Religion“.

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Schwachstellen benannt

Einige Schwachstellen der Kirche werden von Meurer dementsprechend angeschnitten; jedoch nicht weiter ausgeführt. Er zeigt zumindest, dass diese Probleme ihm bewusst sind: Dass kleine Teile der Kirche leider immer noch homophob seien, dass das Erzbistum Köln leider alle katholischen Studentenwohnheime „gekillt“ habe, dass man Kinder nicht zwingen sollte, jeden Sonntag in der Kirche „aufzumarschieren“. Des Weiteren spare die Kirche immer bei den Armen – „das soll keine Kritik sein“, ergänzt Meurer vorsichtig. Auch den „Krankenhaus-Vorfall“, bei dem zwei Frauen, die Vergewaltigungen erlebt hatten, im katholischen Krankenhaus keine Abtreibungspille bekamen, erwähnt er. Mehr jedoch nicht.

So handelt er möglicherweise nach einer seiner eigenen Maximen, nicht das Böse zu bestrafen, sondern das Gute zu belohnen. Und es wird immer mehr klar, dass Meurer jeden Menschen verstehen und ihm Resonanz geben möchte. Fehlende Resonanz, einen Mangel an Möglichkeiten, ihre Lage zu ändern, nennt der 68-Jährige auch als Faktoren, warum Teile der „unteren Mittelschicht“ rechte Parteien wählten.

Meurer zitiert eine Statistik, nach der man um 34 Prozent gesünder sei, wenn man gute Nachbarn habe. „Wir brauchen Christen, um Segen zu bringen, und dafür müssen sie zusammenhalten“, betont der Pfarrer. Wichtig sei es auch, zu respektieren was andere tun – „ohne die Power der Frauen kannste eh alles zumachen“, konstatiert Meurer lächelnd und unter begeistertem Beifall von der weiblichen Seite.

Im Laufe des Abends wird klar, dass die Frage „Wozu brauchen wir heute Kirche?“ nur halb beantwortet wird. Tatsächlich bietet Franz Meurer eine vielseitige Antwort auf die Fragen „Wozu brauchen wir heute Religion?“ und „Wozu brauchen wir heute Christen?“. Was die Kirche leisten könne, sei, mehr Willkommenssignale zu setzen: „Wir müssen auf hohem Niveau an den Diskussionen in der Gesellschaft teilnehmen und uns um jeden Preis um die Armen kümmern.“

Um den Vortrag für alle kostenlos zu machen, verzichtet der Pfarrer an diesem Abend auf sein Honorar. Nach zwei Stunden, in denen das Publikum an Franz Meurers Lippen hing, heißt es dann „Küss die Hände, Ende“.

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