Containerbrand KüpperstegZeuginnen widerlegen Aussagen des Angeklagten aus Leverkusen

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Ein Feuerwehrmann sprüht mit einem Schlauch Wasser auf verkohltes Material vor Wohncontainern.

Wer war’s? Feuer am 1. August 2022 im ersten Stock der Caritas-Container in der Heinrich-Claes-Straße.

Was geschah, bevor das Feuer in den Küppersteger Wohncontainern ausbrach? Am zweiten Tag im Prozess gegen den mutmaßlichen Brandstifter schildern zwei Frauen den 1. August 2022 ganz anders.

Bis zum 1. August 2022 lebte der Mann in einem der Container in Küppersteg, die Wohnungslosen als Unterkunft dienen. Dann brannte sein Zimmer aus, 500.000 Euro Sachschaden. Was geschah, wird jetzt vor Gericht aufgearbeitet. Beschuldigt ist der Bewohner selbst, den Brand in der Heinrich-Claes-Straße gelegt zu haben. Sein Verteidiger teilte schon zu Prozessbeginn mit, dass er das bestreite. Am Dienstag sitzt der Angeklagte wieder im Gerichtssaal in Köln, diesmal in Anwesenheit eines psychiatrischen Gutachters. Und diesmal redet der 42-Jährige. Er erzählt, was er stattdessen am 1. August gemacht habe – eine Geschichte, die kurz danach durch Zeuginnen widerlegt wird.

Der Angeklagte erinnert sich so: Um kurz nach 7 Uhr hat er die Unterkunft verlassen, fuhr zu seinem Lieblingsbäcker in Opladen, danach nach Langenfeld. Er hat gemerkt, dass es ihm schlecht geht und hat sich, wie schon oft zuvor, freiwillig in die LVR-Klinik einweisen wollen. Er weiß doch, er hat eine bipolare Störung, muss immer seine Medikamente nehmen. Und wenn er nicht weiterkommt, Hilfe aufsuchen.

In solchen Momenten wirkt der Mann selbstreflektiert, als hätte er aus den vielen Aufenthalten in der Psychiatrie und den Zeiten ohne Wohnung gelernt. „Aber hab‘ mich da auch immer wieder ‘rausholen können“, sagt er dem Richter. Wenn die Justizbeamten ihn in den Pausen abführen, hält er ihnen schon die Hände für die Fesseln hin. Und er sagt, „toll war’s nicht“, dass er mal Gras und Amphetamine genommen habe. Er scheint selbst überzeugt von seiner Schilderung des Brandtags zu sein.

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Sozialarbeiterin traf Angeklagten in der Nähe des brennenden Containers

Dann sagt die erste Zeugin aus. Eine Sozialarbeiterin, die in der Wohnungslosenhilfe der Caritas arbeitete und zweimal pro Woche in der Unterkunft des Angeklagten war. An guten Tagen sei er freundlich, suche die Unterhaltung. Er spreche viel mit sich selbst, aber nicht wahnhaft.

Aber sie erzählt auch von anderen Seiten. An schlechten Tagen schreie er herum, dann hätten seine Nachbarn Angst vor ihm und man verstehe nicht mehr, was er sagt.

Die Version des 1. August der Sozialarbeiterin: Als sie mit dem Bus zur Arbeit kommt, trifft sie den Angeklagten auf dem Weg zur Haltestelle. Nicht gegen 7, sondern um 9.50 Uhr. Ganz sicher, sagt sie, dann beginnt ja ihre Schicht. Er habe eine gepackte Reisetasche und eine volle Einkaufstüte dabei gehabt.

Gegen 9.45 Uhr war die Feuerwehr in der Heinrich-Claes-Straße eingetroffen, da stand der Container schon in Flammen. Demnach hätte der Angeklagte nicht, wie er und sein Verteidiger behauptet hatten, schon Stunden vor dem Feuer die Unterkunft verlassen.

Bezugspflegerin aus der LVR-Klinik begann Beziehung mit Patient

Dass jener Tag einer der schlechten Tage des psychisch Erkrankten gewesen sein könnte, zeigt, was eine weitere Zeugin erlebt. Sie hatte sich zuvor an einer Beziehung mit dem 42-Jährigen versucht. Überein stimmt an ihren Aussagen vor Gericht mit denen des Angeklagten, dass sich beide seit 15 Jahren kennen. Denn sie war Bezugspflegerin in der LVR-Klinik und über die Jahre immer mal wieder für den Mann zuständig.

Einig sind sie sich auch darin, dass die 36-jährige Langenfelderin im Sommer 2021 die Telefonnummer des Patienten aus seiner Akte gelesen und ihm eine Nachricht geschrieben hat. Das scheint für keinen der beiden ein Problem darzustellen. Sie habe ihn gemocht.

Als er im Juni 2021 aus der Klinik entlassen wurde, trafen sie sich weiterhin in ihrer Wohnung. Einige Monate lang waren die Krankenschwester und der Patient ein Paar. Dann gehen die Erzählungen auseinander.

Angeklagter bedrohte und schlug seine Exfreundin

Im Gericht streicht sich die Frau mit zitternder Hand eine blonde Strähne aus dem Gesicht. An ihrer Seite ein Anwalt. Heute hat sie sichtbar Angst vor dem blassen Mann. Sie hat viele Nachrichten von ihm abgespeichert – falls sie die mal vorzeigen müsse. Dieser Moment ist gekommen.

Hunderte Texte voller Drohungen gegen ihr Leben. Oder Sprachnachrichten, ihre Wohnung und ihr Auto in Brand zu stecken. In der Wohnung und auf der Straße habe er sie schon geschlagen.

Und vor allem erzählt sie, dass der Angeklagte am 1. August, einem Montag, – wieder einmal – vor ihrer Tür steht. Mehr noch. Die Krankenschwester schildert: Sie sieht ihren Exfreund schon durch den Türspion im Treppenhaus, läuft ins Wohnzimmer, um ihr Handy zu holen. Sie will die Polizei verständigen. Das hat sie in der Freitagnacht davor auch schon so gemacht. Da hat er an die Wohnungstür geklopft, Flaschen vor dem Haus hochgeworfen.

Aber diesmal kommt es anders. Es gibt einen riesigen Knall, sagt sie, und die Tür fliegt mit dem Rahmen aus der Wand. Ihr Ex-Freund hatte die Tür eingetreten. Die Zeugin rechnete in diesem Moment mit Geschrei, mit einem erneuten Gewaltausbruch gegen sie. Doch dann passiert etwas Unerwartetes. Der Angreifer bleibt stumm. Er wendet sich zur Erleichterung der Frau einfach ab und geht.

Diesen Zwischenstopp hatte der Angeklagte in seiner Erzählung über den 1. August nicht erwähnt. Er liebe sie doch. Was der Mann tatsächlich an dem Tag gemacht hat und ob er weiterhin in einer forensischen Klinik leben muss? Am 27. Februar will die 10. Große Strafkammer Antworten näher kommen.

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