Explosion in BürrigWarum die Behörden jetzt Entwarnung geben

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Flecken und Verfärbungen zeigen sich in vielen Gärten. Nach Auffassung des Landesumweltamts finden sich aber keine Chemikalien in bedenklichem Maß.

Leverkusen – Die Warnungen für Leverkusens Bürger sind aufgehoben. Am Donnerstagnachmittag teilte die Stadtverwaltung unter Berufung auf das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz mit, dass weitere Pflanzen- und Bodenproben „keine relevanten Konzentrationen und keinerlei Grenzwertüberschreitungen“ ergeben hätten. Die Proben seien auf über 450 verschiedene Bestandteile von Agrarchemikalien untersucht worden. Deshalb gehe das Lanuv derzeit davon aus, dass außerhalb der Sondermüllverbrennungsanlage keine chemischen Stoffe niedergegangen sind, jedenfalls „mit hoher Wahrscheinlichkeit“.

Für die Bürgerinnen und Bürger der betroffenen Stadtteile, die in der Windrichtung der Explosionswolke lagen – also außer Bürrig noch Opladen, Küppersteg, Quettingen, Lützenkirchen und Rheindorf - bedeutet dies, dass die seit dem Brand und der Explosion vom Dienstag voriger Woche geltenden Vorsichtsmaßnahmen aufgehoben werden. Trotzdem sollten sie Obst und Gemüse aus dem Garten vor dem Verzehr gut abwaschen oder schälen. Das Wasser aus Regentonnen sollten sie lieber wegkippen, Wasser aus Swimmingpools austauschen. Verschmutzte Gegenstände und Flächen in den Außenbereichen könnten mit viel Wasser und einem haushaltsüblichen Spülmittel selbst gereinigt werden, hieß es. Dabei sollte man aber Einmal-Handschuhe tragen, weil die Rußpartikel sehr sauer waren. Diese sowie Reinigungstücher könnten in den Restmüll.

Spielplätze wurden kontrolliert

Die Stadtverwaltung hat nach eigenen Angaben ihre Spielplätze sowohl in den öffentlichen Anlagen als auch in Kindergärten, sowie die Außenanlagen von Schulen kontrolliert. Ruß sei an Currenta gemeldet worden. Der Chempark-Betreiber wolle die Flächen begutachten und je nachdem den Sand austauschen. Auch die Spielgeräte würden gesäubert. Spielplätze, die vorsorglich gesperrt wurden, wo aber keine Rußniederschläge gefunden wurden, würden sofort wieder geöffnet.

„Mich erleichtert das sehr“, kommentierte Oberbürgermeister Uwe Richrath die Ergebnisse. Die Bürger seien durch die Katastrophe „sehr verunsichert und in Sorge“ gewesen. Jetzt „brauchen wir eine lückenlose Aufklärung der Explosionsursachen, damit sich ein solches Unglück nicht wiederholt.“ Auch Currentas Technik-Chef Hans Gennen zeigte sich „erleichtert“, dass für die Betroffenen nun „Sicherheit und Klarheit besteht“. Die vergangenen Tage seien eine große Belastung gewesen und habe die Geduld strapaziert. Man wolle die Reinigung der Stadt nun „so schnell wie möglich abschließen“.

Scharfe Kritik aus Langenfeld

Unterdessen wird der Chempark-Betreiber in der Nachbarstadt Langenfeld scharf kritisiert. Bürgermeister Frank Schneider sieht das „Vertrauen erschüttert“: Currenta versage bei der Nachbereitung der Explosions- und Brandkatastrophe. Es habe geheißen, dass der an Opladen angrenzende Langenfelder Stadtteil Reusrath nicht von der Ausbreitung der Rauchwolke und dem daraus folgenden Ruß-Regen betroffen sei. So habe es Currenta auf eine Nachfrage der Langenfelder Feuerwehr noch am Donnerstag, also zwei Tage nach dem Brand, dargestellt.

Er habe das geglaubt, so Schneider, und diesen Sachstand öffentlich gemacht. Das war falsch, denn es gibt eine Rauchgas-Modellierung des Lanuv, „die genau diese Information widerlegt“. Ihm lägen mindestens zwei weitere Fälle vor, in denen Langenfelder sich an die Hotline von Currenta gewandt „und bisher keinerlei Antwort oder Mitteilungen erhalten“ hätten. In einem Fall sei eine handtellergroße Rußablagerung im Garten aufgetreten, im anderen Fall Ablagerungen im Gartenpool.

Currenta soll reden

Schneider ärgert sich, dass erst auf persönliche Intervention der Stadt überhaupt Kontakt mit den Betroffenen aufgenommen worden sei. So gehe das nicht: Der Bürgermeister fordert Currenta auf, im Sinne einer vertrauensvollen und guten Nachbarschaft zum Chempark Leverkusen die bisherige Haltung zu überdenken und auch in eine Kommunikation mit der Stadt Langenfeld einzutreten. Dazu gehöre in erster Linie die Zusicherung, alle Meldungen auf Langenfelder Stadtgebiet und die gegebenenfalls veranlassten Maßnahmen der Stadtverwaltung unverzüglich mitzuteilen. Des Weiteren müssten alle erforderlichen Messungen an den gemeldeten Stellen schnellstmöglich vorgenommen werden.

„Die Stadt Langenfeld und ihre Bevölkerung sind sich der besonderen Lage und der besonderen Gefahren, die die Nähe zum größten europäischen Chemieverbund mit sich bringen, bewusst“, so Schneider. Letztlich profitiere die gesamte Region auch von der wirtschaftlichen Dynamik der Chemischen Industrie. Es sei aber „unabdingbar, dass diese besondere Verantwortung mit einer offenen Krisenkommunikation und von gegenseitigem Vertrauen gestützt gelebt wird. Dieses Vertrauen ist durch die bisherige Nacharbeit des Vorfalls erschüttert.“

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Unsicherheit herrscht auch bei den Nachbarn in Leichlingen. Die Lebensmittelüberwachung des Rheinisch-Bergischen Kreises hatte nach dem Ruß-Regen auf Bürrig und Opladen auch den Bewohnern von Leichlingen empfohlen, nach verdächtigen Partikeln Ausschau zu halten – gerade mit Blick auf die Obstbauern, sagte Birgit Bär, Sprecherin der Kreisverwaltung. Da sei aber nichts gekommen – die einzigen Ruß-Partikel hätten Bewohner der Leichlinger Innenstadt an die Behörde gemeldet. Die in der Stadt kolportierte Anordnung der Lebensmittelüberwachung, Freilandeier sicherheitshalber zu vernichten, habe es nicht gegeben, sagte Bär auf Anfrage. „Da ist nichts dran.“

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