„Hoffnungsloser Fall“Nebenklage fordert hohe Strafe für Angeklagten im Bunker-Prozess

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Der Angeklagte im Gerichtssaal in Köln.

Der Angeklagte im Gerichtssaal in Köln.

Köln/Leverkusen – Ist der Angeklagte ein Opfer seiner Lebensumstände, ein Täter im Affekt oder ein hoffnungsloser Fall? Über diese Frage stritten sich am Freitag am Landgericht Köln die Staatsanwaltschaft, Verteidigung und der Vertreter der Nebenklage in ihren Plädoyers. Mittelpunkt dieser Diskussion ist Marcus P. (alle Namen geändert), der sich wegen Körperverletzung mit Todesfolge verantworten muss.

Der 21-Jährige war im Juli vergangenen Jahres in der Notschlafstelle im Bunker in Wiesdorf mit dem späteren Opfer Heiko T. aneinandergeraten. Das Opfer trug eine Jacke, die er Marcus P. entwendet hatte. Daraufhin beleidigte man sich, bis es schließlich im Waschraum zur Schlägerei kam. P. trat Heiko T. mehrfach in den Oberkörper - T. starb später an einer Milzruptur.

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Verteidiger nennt Ausgangslage „eine sich über Tage hinziehende Provokation des Opfers“

Im Laufe der Verfahrens unter der Leitung des Vorsitzenden Richters Peter Koerfers war deutlich geworden, dass Marcus P. und Heiko T. bereits öfter gestritten hatten. T. galt in der Notschlafstelle aufgrund seines starken Alkohol- und Drogenmissbrauchs als schwierig.

Zwei Tage vor der Tat soll er den Angeklagten wegen einer Powerbank attackiert und auch geschlagen haben. Für den Verteidiger von Marcus P., Bernhard Scholz, ein ausschlaggebender Punkt für das Verhalten seines Mandaten: „Es hat eine sich über Tage hinziehende Provokation des Opfers gegeben“, sagte er in seinem Plädoyer. Daher sei es nur verständlich, dass Marcus P. dann irgendwann wütend geworden sei. Alle weiteren Zeugen hätten seinen Mandanten als „ruhig und höflich“ beschrieben. Der Verteidiger beurteilte das Geschehen als minderschweren Fall und forderte eine Bewährungsstrafe für Marcus P.

Nebenklage-Vertreter nennt Marcus P. „hoffnungslosen Fall“

Gänzlich anders sah das der Vertreter der Nebenklage, Jens Tuschhoff, der die Schwester und die Ehefrau des Opfers vertritt. Er brachte sogar eine Verurteilung wegen Totschlags ins Gespräch. An Marcus P. gerichtet sagte er: „Sie sind ein hoffnungsloser Fall.“ Bereits in so jungen Jahren würde er nicht mehr „die Kurve kriegen“. Eine Haftstrafe in der Nähe zweistelliger Jahreszahlen sei daher angemessen.

In der Mitte dieser Extreme bewegt sich die Forderung der Staatsanwaltschaft. Es sei zwar nicht von einem minderschweren Fall auszugehen, so der Staatsanwalt. Es sei ein Streit um „nichtige Dinge“ gewesen, den man anders hätte lösen können. Dennoch sieht auch die Staatsanwaltschaft, dass der Angeklagte durch rassistische Beleidigungen und Angriffe des Opfers provoziert worden sei. Dem Angeklagten hätte jedoch bewusst sein müssen, „dass ein Mensch durch derartige Tritte sterben kann“. Das Plädoyer sieht für Marcus P. eine Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten vor.

Angeklagter bittet in Schlussworten um zweite Chance

Der Angeklagte selbst bat in seinen abschließenden Worten um eine zweite Chance. In der JVA habe er sich einer evangelischen Kirchengruppe angeschlossen. Eine Seelsorgerin habe ihm in Aussicht gestellt, dass er darüber einen Platz in einem betreuten Wohnen bekommen könnte. „Ich möchte gerne meine Ziele erreichen: Einen Schulabschluss, eine Ausbildung und eine eigene Wohnung“, sagte Marcus P. – Das Urteil wird am kommenden Donnerstag erwartet.

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