Keinen Ausweg gefundenAngeklagter im Bunker-Prozess spricht über Obdachlosigkeit

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Der Angeklagte im Gerichtssaal in Köln.

Der Angeklagte im Gerichtssaal in Köln.

Leverkusen/Köln – Seit seinem 17. Lebensjahr lebt Marcus P. (alle Namen geändert) in Leverkusen auf der Straße. Die Nächte verbrachte er meist in der Notschlafstelle im Bunker. Dort kam es im Juli vergangenen Jahres zu einem Streit mit einem anderen Obdachlosen um eine gestohlene Jacke. Nach Tritten starb das Opfer an einem Milzriss – nun muss sich Marcus P. wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor dem Landgericht Köln verantworten.

Eine schwierige Kindheit endete auf der Straße

Marcus P. stammt gebürtig aus Kenia und verbrachte seine Kindheit größtenteils bei den Großeltern. Sein Vater war früh verstorben, die Mutter hatte in Deutschland geheiratet. Als Marcus neun Jahre alt war, holte sie ihn zu sich ins Rheinland. Das Zusammenleben mit ihr und seinen Stiefgeschwistern gestaltete sich jedoch schwierig. „Ich habe mich viel mit meiner Mutter gestritten“, gab er an. Sie steckte ihn ins Heim, wo er mit 15 Jahren rausflog, nachdem er ein Mädchen bedrängt hatte.

Es folgten weitere Aufenthalte in sozialen Einrichtungen, Verhaftungen wegen Diebstählen und Raubes, die Verbüßung einer achtmonatigen Haftstrafe.

„Ich habe einfach keinen Weg daraus gefunden“

Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Peter Koerfers, warum er sich nicht um eine Verbesserung seiner Umstände bemüht habe, sagte Marcus P.: „Ich habe einfach keinen Weg daraus gefunden.“ Das schwierige Verhältnis zur Mutter blieb bestehen, in der JVA hat ihn bislang niemand besucht. „Würden Sie sagen, Sie sind sozial isoliert?“, fragte Richter Koerfers. Marcus P. nickte.

Auch eine psychiatrische Gutachterin attestierte Marcus P., dass er „keine sicheren Bindungen“ habe. Dennoch sei er nicht sozial gestört und habe auch Kontakt zu anderen Jugendlichen gehabt.

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Ein Zeuge will bedroht worden sein

Zwei seiner Bekannten wollten nun offenbar sogar Einfluss auf den Prozess nehmen: Ein Zeuge, der die Schlägerei zwischen Angeklagtem und Opfer unmittelbar beobachtet hatte, sagte am Montagmittag ein zweites Mal vor Gericht aus. Dabei gab er an, dass zwei Bekannte von Marcus P. ihn im Vorfeld seiner Aussage dazu gedrängt haben sollen, das Tatgeschehen „abzuschwächen“. Er habe dann aber trotzdem die Wahrheit gesagt, beteuerte er.

Absprachen mit der Nebenklägerin?

Über den Gerichtsprozess hatte sich der Zeuge auch mit der Schwester des Opfers, die als Nebenklägerin auftritt, ausgetauscht. In Chat-Verläufen, die von der Strafkammer ausgewertet wurden, unterstellte die Schwester des Opfers dem Angeklagten, er habe etwas mit der Einflussnahme zu tun. Dies bestritt besagter Zeuge nun aber selbst. Am Freitag sollen am Landgericht die Plädoyers gehalten werden.

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