FinanzenKirche benötigt dringend städtisches Geld für Jugendarbeit in Leverkusen

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Werner Schmitten, Sabine Terfloth, offene Jugendberatungsstelle Leverkusen

Werner Schmitten, Sabine Terfloth, offene Jugendberatungsstelle Leverkusen

Fördertöpfe für die Jugendberatungsstelle der katholischen Kirche sind versiegt. Die Stelle braucht nun dringend Geld von der Stadt für ihre Arbeit. 

„Wir möchten jungen benachteiligten Menschen eine Stimme geben“, sagt Werner Schmitten, Leiter des Fachbereichs Jugendsozialarbeit der katholischen Jugendagentur Leverkusen, und schlägt Alarm: „Letztes Jahr im Juni ist ein Bundesförderungsprogramm und Ende 2022 eine Landesförderung zur finanziellen Unterstützung der offenen Jugendberatungsstelle OJB Leverkusen ohne geeignete Folgemaßnahmen beendet worden. Im Kinder- und Jugendhilfeausschuss vom 2. März wurde gesagt, dass Mittel bereitgestellt werden, um die Zielgruppe der benachteiligten jungen Menschen entsprechend weiter zu fördern. Nun aber scheint der Finanzausschuss dies nicht zu bewilligen.“

Am kommenden Montag werde im Finanzausschuss des Stadtrates über die Verteilung des Geldes entschieden. „Wenn sich die Politik dazu entscheidet, die OJB nicht zu unterstützen, stehen wir vor dem Problem, dass uns Gelder für 2,5 benötigte Vollzeitstellen fehlen und wir die Beratung von 200 jungen Menschen ablehnen müssen“, sagt Schmitten. Somit wäre die OJB keine niedrigschwellige Beratungsstelle mehr, an die Jugendliche sich spontan und ohne Termin wenden könnten.

Der Fachbereichsleiter beziffert den zusätzlichen Finanzbedarf für dieses und die kommenden zwei Jahre genau: „Zur Beratung und Unterstützung von 200 jungen Menschen im Übergang von der Schule in den Beruf wird die Stadt Leverkusen um Bereitstellung einer Fehlbedarfsfinanzierung von 140.727 Euro für das restliche Jahr, 200.749 Euro in 2024 und 214.255 Euro in 2025 gebeten“, so Schmitten.

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Beratungsstelle musste schon über 120 Anfragen ablehnen

„Seit Dezember nehmen wir keine neuen Anfragen mehr an. Wir mussten 121 ablehnen“, berichtet Sabine Terfloth, pädagogische Mitarbeiterin der OJB. „Es ist äußerst schwierig, den Jugendlichen sagen zu müssen, dass wir ihnen nicht helfen können. Somit wird es den sowieso schon benachteiligten Menschen erschwert“, so Terfloth. Man stehe zwischen dem Dilemma von Qualität und Quantität. „Wir möchten die Jugendlichen ganzheitlich und nicht nur deren Bewerbungsprozesse unterstützen“, sagt Sabine Terfloth. „Wir helfen ihnen dabei, sich zu sortieren und persönliche Krisen in den Griff zu bekommen.“

„Die offene Jugendberufshilfe Leverkusen ist seit 30 Jahren eine Anlaufstelle für benachteiligte junge Menschen im Alter von 16 bis 27 Jahren, die Rat und Unterstützung bei ihrem Weg ins Berufsleben und zur gesellschaftlichen Teilhabe benötigen“, sagt Schmitten. Die niedrigschwellige Beratungseinrichtung, in Trägerschaft der Katholischen Jugendagentur LRO, berate jährlich rund 600 junge Menschen.

Für 200 junge Menschen könne dieses Beratungsangebot der OJB in Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen. „Vor allem junge Menschen, die schulische Schwierigkeiten haben, mit psychischen Problemen kämpfen, von Zuhause wenig Unterstützung erfahren oder aufgrund von Pandemie, Kriegsfolgen oder Inflation große Sorgen haben, ihren Alltag zu bewältigen, fragen in der OJB nach Unterstützung“, erklärt Schmitten. Die Katholische Jugendagentur bemühe sich seit Jahren über Landes- und Bundesprogramme Fördermittel für die Finanzierung nach Leverkusen zu holen.

Stadt deckt weniger als zehn Prozent der Kosten

„Um die Nachfrage von 600 Jugendlichen abdecken zu können, benötigen wir insgesamt sieben Vollzeit arbeitende pädagogischen Kräfte“, so Schmitten.  Damit diese sieben Mitarbeiter bezahlt werden könnten, bedürfe es circa 750.000 bis 800.000 Euro jährlich. Die Finanzierung sehe folgendermaßen aus: Rund 56.000 Euro, nur knappe 8,5 Prozent deckele die Stadt, 21 Prozent übernehme die Katholische Jugendagentur und die restlichen 70 Prozent würden aus Landes- und Bundesprogrammen zusammenkommen, erklärt Werner Schmitten.

„Viele Jugendliche leiden unter beruflicher Perspektivlosigkeit, die sich erst durch die Coronakrise und jetzt durch die weiteren entwickelt haben“, sagt Sabine Terfloth, pädagogische Mitarbeiterin der offenen Jugendberufshilfe. Psychische Probleme, familiäre Konflikte oder Wohnungslosigkeit erschwere den Übergang von der Schule in das Berufsleben. „Wir unterstützen nicht nur den Bewerbungsprozess und den Schriftverkehr mit den Behörden“, so Terfloth. „In den Gesprächen öffnen sich die Jugendlichen meist nach einer Zeit und man erfährt von privaten Konflikten, die wir versuchen zu lösen.“

Die Pädagogin berichtet von einem 17-Jährigen, der seit der 7. Klasse keine Regelschule mehr besucht habe. Aufgrund familiärer Probleme habe er lange Zeit in diversen Einrichtungen gelebt, doch nun sei er nach Leverkusen zu seinem Vater gezogen. „Der Junge wollte seinen Schulabschluss nachholen und ist damit zu uns gekommen. Es gab einige bürokratische Probleme, doch jetzt ist er endlich in einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme angekommen, die angemessene pädagogische Betreuung bieten kann“, erklärt Sabine Terfloth.

Hätte der Junge keine Beratung in Anspruch nehmen können, wäre der Frust der Ablehnung durch die Behörden, zum Beispiel wegen fehlender Unterlagen, womöglich so groß gewesen, dass er die Bewerbung aufgegeben hätte, sagt Terfloth. Durch die Unterstützung der OJB habe der 17-Jährige heute einen größeren Antrieb als zuvor. „Für die Jugendlichen ist es wichtig, soziale Anerkennung und Erfolge zu erfahren. Damit wird ihr Selbstwertgefühl gestärkt und sie haben eine berufliche Perspektive“, so Terfloth.

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