Leverkusener Anwalt berät FlutopferWer Chancen auf Schadensersatz hat und – wer nicht

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Der Leverkusener Rechtsanwalt Guido Lenné berät Flutopfer bei der Wahrung ihrer Ersatzansprüche.

Der Leverkusener Rechtsanwalt Guido Lenné berät Flutopfer bei der Wahrung ihrer Ersatzansprüche.

Leverkusen – Wer kommt für die enormen Schäden auf, die im Zuge der Flutkatastrophe Mitte Juli in Leverkusen vor allem im Umfeld von Wupper und Dhünn entstanden sind? In den betroffenen Kommunen, aber auch im nordrhein-westfälischen Landtag, sind Vorwürfe gegen den Wupperverband erhoben worden, dem die wasserwirtschaftliche Betreuung der Wupper und ihrer Nebenflüsse von den Kommunen anvertraut ist.

Dessen Talsperren waren vor dem Starkregenereignis im Sommer schon sehr hoch gefüllt, wurden aber erst abgelassen, als sie nach den enormen Niederschlagsmengen überzulaufen drohten. Die Folge war eine Flutwelle die Wupper hinab. Liegt darin ein nachweisliches Verschulden der Talsperrenbetreiber?

Sammelklage erwogen

Der Wupperverband mit Sitz in Wuppertal bestreitet dies, doch zahlreiche geschädigte Anlieger haben bereits Schadensersatzforderungen erhoben oder erwägen eine Sammelklage. In Wuppertal und Solingen hat der Wuppertaler Anwalt Frank Adolphs eine Strafanzeige gestellt, die dem Wupperverband „das Herbeiführen einer Überschwemmung“ vorwirft. 

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Der Wupperverband

Der Wupperverband ist eine seit 1930 bestehende Körperschaft des öffentlichen Rechts und einer der großen Wasserwirtschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen. Er ist zuständig für die Wasserwirtschaft im Einzugsgebiet der Wupper, hat seinen Verwaltungssitz in Wuppertal und beschäftigt derzeit rund 350 Mitarbeiter.

Der Verband betreibt 14 Talsperren, elf Klärwerke, eine Schlammverbrennungsanlage sowie Hochwasserrückhaltebecken und Regenbecken. Darüber hinaus unterhält er insgesamt rund 2300 Kilometer Flüsse und Bäche. Verbandsmitglieder sind Städte und Gemeinden, Kreise, Wasserversorgungsunternehmen, Industrie sowie Gewerbe.

In Leverkusen hat Rechtsanwalt Guido Lenné bereits über 120 Beratungsgespräche mit Betroffenen geführt. Es geht um jeweils fünf- bis sechsstellige Schadenssummen. „Einige Schadensmeldungen an den Wupperverband sind raus, wird warten nun auf Reaktionen.“ Eine Klage sei noch nicht eingereicht.

Dass auch aus Leverkusen eine Sammelklage gegen den Verband erhoben werden könnte, steht allerdings noch nicht fest. Nachdem der Wupperverband auf Anfragen der Kanzlei Lenné zunächst geantwortet hatte, er sei nicht allein für den Hochwasserschutz zuständig, sondern habe auch andere, gleichwertige Aufgaben zu bewältigen wie beispielsweise die ökonomische wie ökologische Bewirtschaftung der Gewässer, kam von Lenné der Widerspruch, das sei wohl trotzdem nicht mit dem Schutz von Leib und Leben sowie Eigentum der Flussanlieger gleichzusetzen. „Dem hat der Verband nicht widersprochen, sondern mitgeteilt, man prüfe das noch einmal.“

Komplexe Lage

Lenné sieht die Chancen, Schadensersatz an dieser Stelle durchzusetzen, sehr differenziert. In Opladen sei der Sachverhalt noch am klarsten, wo das Wasser vom Oberlauf der Wupper und ihren Talsperren sowie einigen Bächen zusammenlief; da sehe er gewisse Erfolgschancen. In Schlebusch, wo nicht allein die Dhünn, sondern beispielsweise auch Wasser aus dem überlaufenden Oulusee die Überschwemmungen verursachte, sei die Lage viel komplexer.

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Überflutete Straßen am 14. Juli 2021 in Schlebusch,

In jedem Fall würde eine juristische Auseinandersetzung „kein einfaches Verfahren“. Die Bestellung von Gutachtern auf beiden Seiten sei dann absehbar, Kosten und Zeitaufwand würden enorm. „So etwas hat es schließlich in hundert Jahren nicht gegeben.“ Viele Rahmenbedingungen seien zu berücksichtigen, beispielsweise auch die fortschreitende Flächenversiegelung in der Umgebung oder im Flussbett liegende Bäume, die nach ihrer Fällung nicht beseitigt worden seien.

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Rechtsanwalt Guido Lenné

Lenné rät nur jenen Klienten gegen den Wupperverband zu klagen, deren Rechtsschutzversicherung die Verfahrenskosten übernähmen. Das sei je nach Versicherung ganz unterschiedlich. Allerdings dränge die Zeit nicht. Angesichts einer dreijährigen Verjährungsfrist könne eine Klage noch bis Dezember 2024 eingereicht werden. Bis dahin gebe es womöglich mehr Klarheit, wie ein solches Verfahren ausgehen könnte. 

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Die Stadt Leverkusen, selbst als Kommune am Wupperverband beteiligt, plant nicht, gegen die Behörde vorzugehen. „Die Stadt erwägt zum heutigen Zeitpunkt nicht, Schadensersatzansprüche gegenüber dem Wupperverband geltend zu machen. Stattdessen steht die Stadt im engen Kontakt mit dem Land Nordrhein-Westfalen bezüglich Zahlungen im Rahmen der Wiederaufbauhilfe“, so teilte Stadtsprecherin Julia Trick am Freitag auf Anfrage mit.

Enorme Gebäudeschäden

Wie Kämmerer Michael Molitor in seiner Haushaltsrede im Stadtrat am Dienstag mitgeteilt hat, hat die Stadt Leverkusen allein an Gebäuden einen Schaden von über 87 Millionen Euro zu verkraften. Vom Land erhalten hat sei bisher eine Million Euro an Soforthilfe.

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