Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Nach der FlutZülpicher Hochwasserschutzkonzept ist fast fertig – Ärger über lange Prozesse

6 min
Ein Reiher sitzt auf einem Baum im Regen.

Der Niederschlag in der Region hat sich verändert. Der Graureiher erträgt ihn so oder so stoisch.

Jürgen Kremer und Peter Kramp arbeiten seit zwei Jahren an dem Konzept für Zülpich. Es gebe mehr Starkregenereignisse als früher in der Region.

Fast ist es fertig, das Hochwasser- und Starkregenschutzkonzept der Stadt Zülpich. Zwei Jahre haben Jürgen Kremer und Dr. Peter Kramp daran gearbeitet, sich mit Bürgerinnen und Bürgern, Landwirten und Politikern getroffen, Bäche, Durchlässe und Gräben im gesamten Stadtgebiet begutachtet. Herausgekommen ist eine Sammlung an Vorschlägen und Maßnahmenideen sowie Verhaltenstipps für einen besseren Hochwasser- und Starkregenschutz.

Eigentlich sollte über das Konzept in der ersten Ratssitzung nach den Sommerferien abgestimmt werden. „Aber da kommt uns die Kommunalwahl dazwischen“, sagt Kramp. Deshalb werde es vermutlich bis Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres dauern, bis das Konzept offiziell beschlossen sei.

Drei Maßnahmen sollen Zülpicher Orte besonders schützen

Kramp ist Ingenieur und in Sachen Hochwasserschutzkonzept als Berater für die Stadt Zülpich tätig. Kremer ist Teamleiter bei der Stabstelle Wiederaufbau, Hochwasser- und Starkregenschutz. Die beiden sehen vor allem in drei Maßnahmen, die das Konzept benennt, großes Potenzial: der Abschlag des Vlattener Bachs in den Wassersportsee, das Hochwasserrückhaltebecken im Rotbachtal oberhalb von Schwerfen und die Verhinderung des Überlaufens des Vlattener Bachs in Richtung Sinzenich.

Mit diesen drei Maßnahmen könne man viel Schutz erreichen, so die beiden. Die anderen kleineren Lösungen seien eher „homöopathisch“, so Kramp. Im Kleinen und für das Sicherheitsgefühl könnten sie aber durchaus einen Unterschied machen.

Experten führten konstruktive Gespräche mit Zülpicher Bürgern

Wo genau im Kleinen Probleme bei Starkregen auftreten, konnten die Zülpicher Bürgerinnen und Bürger in verschiedenen Workshops zum Hochwasserschutzkonzept äußern. Außerdem konnten sie Kramp und Kremer auch jederzeit direkt anrufen, und die beiden hörten und sahen sich das Problem vor Ort an. Diese Gespräche seien immer konstruktiv verlaufen, berichten sie. Nach jedem Regen informierten sie sich beider Feuerwehr zu den Einsätzen im Stadtgebiet und schauten gemeinsam mit den Ortsvorstehern, wo neuralgische Punkte im Ort und an einzelnen Häusern liegen.

„Überall, wo Wasser eingedrungen ist, sind wir hin“, berichtet Kramp. „Wir machen das zur Überprüfung und Vertiefung des Konzepts.“ Trotzdem geben sie auch Tipps für den Objektschutz, der jedem Hausbesitzer selbst obliegt. „Wir versuchen, mit den Leuten Kontakt aufzunehmen, was aber nicht heißt, dass wir für jeden eine Lösung haben“, formuliert es Kremer.

22.07.2025 Zülpich. Jürgen Kremer und Dr. Peter Kramp stehen an einem Tisch und beugen sich über ein Starkregenkarte.

Studieren Starkregenkarten für das Schutzkonzept: Jürgen Kremer (l.) und Peter Kramp.

Ein Beispiel: In Ülpenich läuft bei Starkregen Wasser über die Rheinstraße und die Ringstraße direkt auf die Pizzeria Soleil zu und dort in den Keller. An der Rheinstraße gebe es zwar einen Gully, berichtet Kramp, dieser sei aber regelmäßig verstopft. Das Problem: Den Schlüssel für den Gully hat laut Kramp der Erftverband. Der Maßnahmenvorschlag: Einen Schlüssel für den Gully in der Pizzeria zu deponieren, damit die Menschen vor Ort diesen notfalls sauber halten können. Das nehme etwas Druck von der Pizzeria, sagen Kremer und Kramp. Gänzlich verhindern, dass Wasser in deren Keller laufe, könne diese Maßnahme aber nicht.

Damit sprechen die beiden etwas Grundsätzliches an. Nach der Flutkatastrophe 2021 wünschen sich viele Betroffene Sicherheit, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Die Maßnahmen im Hochwasserschutzkonzept können da Abhilfe schaffen, sagen Kramp und Kremer. Aber: „Es gibt hier keine Vollkasko-Lösung“, sagt Kramp.

Der Niederschlag in der Region hat sich verändert

Ihn ärgere, dass der Hochwasserschutz in Deutschland keinen höheren Stellenwert habe. „Jedes Bundesland hatte bisher eine Hochwasserkatastrophe.“ Trotzdem gelten seiner Meinung nach noch zu viele bürokratische Auflagen für Schutzmaßnahmen, die die Umsetzung derer in die Länge ziehe.

In Zülpich geht man davon aus, dass mit dem Bau des Hochwasserrückhaltebeckens oberhalb von Schwerfen 2028 begonnen werden kann – sieben Jahre nach der Katastrophe. Und damit sei man noch schnell, so Kremer und Kramp. Problematisch sei die Dauer der Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen vor allem deshalb, weil Starkregenereignisse zunähmen. Erst im Juni überflutete Regen Straßen und Keller in Mülheim und Wichterich. Nicht immer seien die Auswirkungen so gravierend wie 2021, dennoch habe sich der Niederschlag in der Region im Vergleich zu früheren Jahren verändert. „Es hat mal stark geregnet, aber solche Mengen sind neu“, betont Kremer.

Interkommunale Zusammenarbeit beim Hochwasserschutz ist wichtig

Umso wichtiger sei in Sachen Hochwasserschutz die interkommunale Zusammenarbeit, denn Flüsse und Bäche machten selten an Gemeinde- oder Stadtgrenzen Halt. Für Zülpich sei es relevant, was Mechernich und Heimbach machen, sagt Kramp. Zülpichs Hochwasserschutz wirke sich wiederum direkt auf Euskirchen aus. „Jeder, der oben einen Tropfen Wasser zurückhält, hilft unten“, beschreibt es Kremer. „Am Bleibach haben wir in Zülpich wenig Chance“, nennt er ein Beispiel. Weshalb das geplante Hochwasserrückhaltebecken im Mühlenpark in Kommern sehr wichtig für die Stadt sei.

Und auch in Bezug auf Frühwarnsysteme sprechen sich Kramp und Kremer für eine interkommunale Lösung im gesamten Gebiet des Erftverbandes aus. Pilotprojekte wie in Bad Münstereifel und eventuell künftig auch in Schleiden seien Insellösungen, die nicht wirklich zielführend seien. Denn wenn es in Bad Münstereifel an der Erft kritisch werde, müsse beispielsweise die Stadt Euskirchen ebenfalls gewarnt werden. „Da würde ich mich wirklich freuen, wenn da Schwung in die Sache kommt“, sagt Kramp.

So lange konzentrieren sich er und Kremer auf die finalen Schritte beim Schutzkonzept. Sie sind zufrieden mit ihrer Arbeit. „Wir glauben, dass wir einen Entwurf geschrieben haben, der Sinn macht, aber nicht jedem gefällt“, sagt Kramp. Vor allem bei den Verhaltenstipps erwarten die beiden Gegenwehr. Beispielsweise werde in dem Konzept stehen, dass man kein Brennholz in Bachnähe lagern sollte. „Da wird es Leute geben, die jammern werden“, prophezeit Kramp.

Grundsätzlich, betonen beide, sei das Konzept nur eine Sammlung an Vorschlägen, eine Umsetzung sei nicht zwangsläufig. Für diese brauche es Fördermittel, anders sei das nicht zu stemmen, sagt Kremer. „Wir sind zuversichtlich, dass wir die großen Maßnahmen in absehbarer Zeit auch umgesetzt sehen“, betont Kramp. Immerhin: Der Abschlag des Vlattener Bachs befindet sich bereits im Bau und soll Ende des Jahres fertiggestellt sein.


Zwei Brücken in Schwerfen nach Flut 2021 erneuert

Die Flutkatastrophe 2021 hat unter anderem in Schwerfen schwere Schäden verursacht. An der alten Bachstraße wurden nach Angaben der Stadt Zülpich drei kleine Brücken, die über den Rotbach führten und Grundstücke mit der Straße verbanden, so stark beschädigt, dass sie abgerissen werden mussten.

Zufrieden zeigten sich alle Beteiligten beim Ortstermin an einer der beiden neuen Rotbach-Brücken auf der Alten Bachstraße in Schwerfen.

Freude über die neuen Brücken.

Nun seien zwei der Brücken wieder neu aufgebaut worden, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Die dritte habe man nicht wieder errichtet, weil sie sehr nah an einer der beiden anderen Brücken gestanden habe. In Abstimmung mit den Anwohnern sei daher entschieden worden, „dort nur noch eine leistungsfähigere Brücke zu errichten, um somit Hemmnisse für den Durchfluss des Rotbachs zu verringern.“

Die Arbeiten an den beiden Brücken hatten laut Verwaltung bereits 2023 begonnen, verzögerten sich aber wegen der Insolvenz der bauausführenden Firma. Insgesamt habe die Maßnahme 700.000 Euro gekostet, so die Stadt. Finanziert werde das mit Mitteln aus dem Wiederaufbaufonds des Landes.