Der „Leverkusener Anzeiger“ wirft einen Blick auf die drängendsten Themen der Stadt vor der Kommunalwahl. Dieses Mal geht es um die Haushaltskrise.
Kommunalwahl 2025Leverkusener Dauerbaustellen – die Stadtkasse ist leer

Die Wirtschaftskrise, vor allem in der Industrie, wirkt sich auf die Finanzen der Stadt Leverkusen aus.
Copyright: Ralf Krieger
Mit einer einzigen Nachricht wird im Sommer 2024 in der Politik und der Verwaltung der Stadt alles auf den Kopf gestellt. Die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt waren massiv eingebrochen: Von jetzt auf gleich wurde eine Haushaltssperre verhängt, die Stadt ist zum Sparen verpflichtet. Eine Chronologie der Ereignisse.
19. Februar 2024: Die Mehrheit des Stadtrats beschließt die Haushaltssatzung 2024. 924,7 Millionen Euro an Einnahmen sah die vor, durch den Einbruch der Gewerbesteuer sollte es anders kommen.
April 2024: Die Stadt muss 46 Millionen Euro an Gewerbesteuern an Unternehmen zurückzahlen. Das gibt die Kämmerei später im Jahresverlauf bekannt. Zu den 46 Millionen werden im August weitere 25 Millionen hinzukommen. Das waren laut Verwaltung die zwei höchsten Gewerbesteueranpassungen seit dem 1. Januar 2021.
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29. Juli 2024: Kämmerer Michael Molitor wird von seiner Abteilung über die jüngsten Entwicklungen informiert. Er informiert OB Uwe Richrath. Am Tag darauf, am 30. Juli, wird der restliche Verwaltungsvorstand unterrichtet.
2. August 2024: Kämmerer und Oberbürgermeister geben bekannt, dass Leverkusen sich eine Haushaltssperre auferlegen muss, wegen der massiv eingebrochenen Gewerbesteuereinnahmen. „Der Haushalt war auf Kante genäht“, sagte dazu Michael Molitor. So habe die Stadt versucht, sich mehr Handlungsspielraum zu verschaffen. Ein folgenschwerer Irrtum.
Kämmerer und OB betonen seitdem, dass das alles nicht vorherzusehen gewesen sei. Massive Steuerrückzahlungen an Unternehmen habe es in diesem Jahr gegeben, die Wirtschaft, vor allem die Industrie, steckt in der Krise. Das bekomme eine Stadt wie Leverkusen ganz besonders zu spüren. Dann hat die Stadt offenbar mit Einnahmen geplant, die noch gar nicht sicher waren. Wie zum Beispiel mit einem riesigen Gewerbesteuerbetrag der Axa-Versicherung, die mal in Verhandlungen stand, ihren Sitz aus Holweide ins Montanus-Quartier nach Wiesdorf zu verlegen.
26. August 2024: Auf Vorschlag der Grünen beschließt der Stadtrat die Einrichtung einer „Task Force“, eine eilig zusammengerufene Gruppe aus Vertreterinnen und Vertreter von Politik und Verwaltung. Die Gruppe soll Sparvorschläge ausarbeiten. Schnell wurde allerdings Kritik laut, dass diese Schnelleingrifftruppe nicht die nötige demokratische Legitimation habe. Zudem wurden Vorschläge der „Task Force“ immer wieder in Ausschüsse zurückverwiesen. Außerdem beklagten einige Mitglieder, eigentliche Verwaltungsarbeit erledigen zu müssen.
Dezember 2024: Die „Task Force“ wird wieder aufgelöst. Beschlossen hat der Rat dann, 15 Prozent gestaffelt in den kommenden fünf Jahren in allen Dezernaten zu sparen: Methode Rasenmäher. Die Verwaltung sollte intern selbst ausarbeiten, wie man das umsetzen kann. Die 15 Prozent sollten zudem ab Jahr sechs grundsätzlich weiterhin gelten. Aber: Auch das funktionierte nicht. Zumindest nicht so, wie erhofft. Zwar konnte die Kämmerei in den kommenden zehn Jahren Einsparungen in Höhe von rund 800 Millionen Euro erreichen, aber das reicht nicht. Denn das Haushaltssicherungskonzept, das mit der Finanzkrise einhergeht, schreibt prinzipiell vor, im zehnten Jahr wieder einen ausgeglichenen Haushalt zu haben. Das wird Leverkusen Stand jetzt nicht schaffen.
7. April 2025: Kämmerer und Oberbürgermeister bringen den Haushaltsentwurf für 2025 ein, inklusive Haushaltssicherungskonzept (HSK). Die Kämmerei hat 150 Maßnahmen gefunden, um 800 Millionen Euro einzusparen in der kommenden Dekade. Der Haushaltsausgleich ist aber so nicht zu erwarten, sollte sich nicht dramatisch etwas zum Positiven wenden. Mit dem HSK kann das Defizit lediglich auf rund 150 Millionen Euro gedrückt werden. Die Verwaltung wirbt trotzdem darum, den Haushalt samt HSK zu beschließen. Denn die Bezirksregierung als Genehmigungsbehörde müsse ein Signal bekommen, dass man gewillt sei, zu sparen. Kämmerer und OB erhoffen sich aber vor allem Unterstützung von Bund und Land für Leverkusen, das wie alle Kommunen unter einer strukturellen Unterfinanzierung leidet.
10. April 2025: Der Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Bundesregierung in Berlin steht. Und er sieht vor, den Mindesthebesatz der Gewerbesteuer auf 280 Punkte festzulegen.
Der Einbruch der Gewerbesteuer hat auch in Leverkusen die Frage nach dem Hebesatz wieder auf den Tisch gebracht. Er liegt derzeit bei 250 Punkten, mit der Nachbarstadt Monheim der niedrigste Wert in der gesamten Region. Die Verwaltung verspricht sich davon, Unternehmen anzulocken. Und sie behauptet, das habe auch funktioniert. Mehr noch: Ohne den niedrigen Hebesatz und die damit verbundenen Unternehmensansiedlungen wäre die Lage noch schlimmer. Das ist zumindest die Sichtweise von Oberbürgermeister Uwe Richrath, aber auch von Stefan Hebbel (CDU), seinem mutmaßlich ärgsten Rivalen um das Amt des Oberbürgermeisters.
Leverkusener Dauerbaustellen
Leverkusens Dauerbaustellen sind die Themen, die die Stadtgesellschaft schon lange beschäftigen. Im Vorfeld der Kommunalwahl stellen wir sieben dieser Baustellen in einer Chronologie vor. Alle Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt sind von uns gefragt worden, wie sie die Probleme angehen wollen. Unten stehen die Antworten, die wir erhalten haben.
Kritiker behaupten genau das Gegenteil. In Krisenzeiten, also in Zeiten, in denen ohnehin wenig Steuern in die Stadtkasse fließen, mache der niedrige Satz alles noch schlimmer. Und: Das Steuerdumping ziehe Briefkastenfirmen an, die ihren Sitz nur auf dem Papier nach Leverkusen verlegen, um vom niedrigen Steuersatz zu profitieren. Beispiele für solche Briefkästen sind in Leverkusen in der Tat zu finden.
Daher dürfte der Stadt die Koalitionsvereinbarung einen warmen Geldregen bescheren: Eine höhere Gewerbesteuer, mit der sie Unternehmen aber nicht verprellen kann, da schließlich keine Kommune einen niedrigeren Satz anbieten darf.
7. Juli 2025: Der Stadtrat beschließt den Haushalt nicht. CDU, Grüne und FDP hatten sich schon zuvor dafür ausgesprochen, dem Etat von Molitor und Richrath nicht zuzustimmen. Letztlich scheitert der Haushalt aber nicht nur an den drei Fraktionen, sondern an der breiten Ratsmehrheit, im Oktober soll der Haushalt endlich beschlossen werden: also nach der Kommunalwahl, aber noch vom alten Stadtrat. Der neu konstituiert sich erst im November. In der Juli-Sitzung kommt es zum Eklat: Kämmerer Molitor bittet in einem Brief um seine Abwahl mit Wirkung zu Ende Februar 2026. In einem Brief, den CDU-Fraktionschef Stefan Hebbel in seiner Haushaltsrede verliest, greift Molitor OB Uwe Richrath und Baudezernentin Andrea Deppe massiv an. Somit steht die Stadt Leverkusen am Kommunalwahltag ohne Jahresabschluss 2024, ohne beschlossenen Haushalt 2025, aber dafür mit einer zerstrittenen Stadtspitze dar. Eine Herkulesaufgabe – ob für den aktuellen oder einen neuen Oberbürgermeister.
Wie kommt Leverkusen wieder aus der Finanzkrise?
Uwe Richrath (SPD): „Verlässliche, starke Gewerbesteuereinnahmen sind unerlässlich. Zugleich benötigen wir Mittel aus dem Sondervermögen des Bundes für Investitionen. Verwaltung und Politik haben die Aufgabe, mit einem strategischen Finanzmanagement, einer beschleunigten Digitalisierung und einer Ausrichtung auf Bildung, Wirtschaft und Wohnen Leverkusen weiterhin als Standort zu stärken und so für Unternehmen attraktiv zu halten.“
Stefan Hebbel (CDU): „So banal das klingt: mehr Einnahmen, weniger Ausgaben. Wir müssen Unternehmen nach Leverkusen holen, und die, die schon da sind, stärken. Steuererhöhungen im großen Stil sind gegenüber den Menschen in Leverkusen nicht zuzumuten. Sparen ist nötig, aber mit Weitblick. Wir dürfen dabei nicht die aus dem Blick verlieren, die unsere Unterstützung brauchen, zum Beispiel unsere Kinder oder Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben.“
Sven Weiss (Grüne): „Nur mit einer ehrlichen Diskussion über die ‚Big Points‘, wie ich finde. Das Verharren im Klein-Klein ist äußerst kontraproduktiv. Wir erwarten von der Verwaltung einen Vorschlag, bei dem mindestens eine schwarze Null nach zehn Jahren Haushaltssicherungskonzept steht.“
Valeska Hansen (FDP): „Der Weg aus der Finanzkrise führt nur über klare Prioritäten. Wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren: Kernaufgaben sichern, überflüssige Stellen abbauen und Bagatellsteuern streichen. Weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung – so sparen wir Geld. Und wir brauchen neue Unternehmen in Leverkusen: Sie bringen Jobs, Einnahmen und echte Zukunftsperspektiven.“
Benedikt Rees (Klimaliste): „Indem man Prioritäten setzt und sich von teuren Bauvorhaben wie der neuen Feuerwache Auf den Heunen verabschiedet. Mitarbeiterinnen und Einwohnerinnen befragt, wo und wie gespart werden kann. Gewerbesteuern von 250 Punkten mindestens auf den alten Hebesatz wieder anhebt und reine Briefkastenfirmen und Steuerhinterziehung ahndet sowie die Anzahl der politischen Dezernentinnen und Tochterunternehmen mit eigener Geschäftsführung deutlich reduziert.“
Angelo Deckert (Die Partei): „Wir nehmen die komplette Verschuldung von Leverkusen und stopfen diese in einen unwichtigen Stadtteil, den keiner braucht. Quasi wie eine Bad Bank. Ich würde per Dekret Hitdorf dafür auswählen – hat persönliche Gründe, zum Beispiel Bosheit! Dann würde ich Hitdorf an Monheim verkaufen. Die haben so viel Kohle, die kaufen eh alles! Tamam – Schuldenfrei!“