Seit über 13 Jahren muss Leverkusen mit den Autobahn-Ausbauplänen des Bundes umgehen.
Kommunalwahl 2025Die Autobahn: die Mutter aller Dauerbaustellen Leverkusens

Im Kreuz Leverkusen-West kann man die künftige Breite der Autobahn 1 erahnen: Eine Fahrbahnhälfte der neuen Autobahn 1 ist auf der rechten Seite sichtbar.
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Seit jetzt 13 Jahren hat Leverkusen mit dem Autobahnausbau zu tun. Fast so lange lebt die Stadt mit erheblichen Auswirkungen: Häufige Sperrungen verursachen Auto-Schleichverkehr. Der Rheinradweg zwischen Wiesdorf und Hitdorf ist seit über sieben Jahren gesperrt, genauso die wichtige Radverbindung an der Dhünn in Wiesdorf, die nutzt die Autobahn für ihre Baustelle. Ein Überblick über die Entwicklungen.
Sommer 2012
Öffentlich sichtbar beginnt das Desaster mit der Autobahn 2012 mit einem Schild auf der Brücke: „Arbeiten im Brückenhohlkasten“. Im Inneren der Brücke sind Schweißer pausenlos damit beschäftigt, die Stahlverbindungen zu reparieren, die durch Überbeanspruchung Risse bekommen hatten.
Der Zerstörungen der alten Rheinbrücke lag eine Fehlentscheidung zugrunde, die 1986 getroffen worden war, nach heutigem Kenntnisstand war die Brücke keine mangelhafte Konstruktion. Um eine Fahrspur zu gewinnen, erklärt man die Standstreifen auf der ursprünglich vierspurigen Brücke zu Fahrspuren und verzichtet auf den Sicherheitsstreifen. Auf den äußeren beiden Spuren fahren ab dem Zeitpunkt die schweren Lkw, obwohl die Spuren doch nur zum gelegentlichen Halten konstruiert waren. Das hielt der Stahl nicht lange aus. Durch das ständige leichte Biegen durch die Lkw-Überfahrten bricht das Metall in den Ecken der Konstruktion – wie ein Draht, den man immer wieder biegt. Beim Landesbetrieb Straßen NRW, der damals für die Brücke zuständig ist, geht man ganz zu Beginn noch davon aus, die Brücke, Baujahr 1965, noch einmal reparieren zu können, aber zu der Zeit hat das Verkehrsministerium schon Pläne für einen Neubau.
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2012 spricht man davon, die Brücke bis 2025 ersetzen zu wollen. Von einem groß angelegten Ausbau mit Mega-Stelze war zuerst noch nicht die Rede.
2013
Erst ab 2013 bringt Straßen NRW erstmals öffentlich die große Lösung auf. Im Endausbau soll eine zehnspurige Autobahn auf zwei Brücken über den Rhein führen, was in Leverkusen für Entsetzen sorgt, weil damit klar wird: Auch die Stelze wird ersetzt und sie soll so breit werden wie die Landebahn eines internationalen Flughafens – und das mitten in der Leverkusener Innenstadt.
Den Entscheidern im Bundesverkehrsministerium zählt ein zu jeder Zeit flüssiger Autoverkehr auf der Autobahn mehr als die Probleme, die man in Leverkusen kommen sieht. Als Argument für die Milliarden-Investition wird eine Prognose erstellt, die eine ungeheure Steigerung des Verkehrs auf der Autobahn vorhersagt. Der damalige Minister Peter Ramsauer und sein Landeskollege Michael Groschek versprechen, dass Leverkusen ein Mitspracherecht bei den Planungen haben sollte. Heute weiß man: Das waren leere Worte, vielleicht Beruhigungspillen.
Immer wieder müssen die Schweißer in der Brücke dieselben Schäden reparieren, 2013 wird die Brücke erstmals für Lkw gesperrt, dann wieder freigegeben und wieder gesperrt. Das Tempolimit von 60 bringt ab 2014 Geld in die Leverkusener Stadtkasse, weil sie eine Radaranlage auf der Brücke betreiben darf.
August 2016
Zu viele Lkw-Fahrer halten sich einfach nicht an die Gewichtsbeschränkung von 3,5 Tonnen auf der Brücke. Bis zu 1000 illegale Überfahrten zählt man in 24 Stunden. Ab August 2016 stehen deshalb an allen Zufahrten Schrankenanlagen, Lkw werden abgefangen und abkassiert. Diese Schranken-Posten sind täglich 24 Stunden besetzt.
Aus einer Leverkusener Forderung, statt der breiten Autobahn einen langen Tunnel unter dem Rhein oder einen kurzen zwischen Europaring und Leverkusener Kreuz zu bauen, wird nichts. Die Chemieindustrie wünscht sich wegen der Gefahrguttransporte, dass die Autobahn nicht unterirdisch geführt wird. Die Stadt Leverkusen hat kein Mitspracherecht – Lobbyisten, mit direktem Draht in die Ministerien, können mitreden, das wurde durch E-Mails belegt.
Einzelne Leverkusener, Politiker, Fachleute oder Menschen aus Bürgerinitiativen kämpfen gegen den Ausbau, aber ein Massenprotest wird daraus nicht. Der Oberbürgermeister und Bundeswehr-Reservist Reinhard Buchhorn hatte schon im Dezember 2013 mutig eine Besetzung des Autobahnkreuzes angekündigt, aber das geschah nicht. Er wurde abgewählt.
10. November 2016
Am 10. November 2016 wird der Planfeststellungsbeschluss für die doppelte Brücke veröffentlicht, mit der im Prinzip schon weitere Bauvorhaben vorgezeichnet sind, an einen kurzen Tunnel glauben da schon nur noch wenige. Eine Klage des Netzwerks gegen Lärm mit Unterstützung der Bürgerliste und der Grünen gegen den Planfeststellungsbeschluss scheitert am 11. Oktober 2017 vor dem Verwaltungsgericht in Leipzig. Der Bau des ersten von zwei genehmigten Brückenzwillingen beginnt am 14. Dezember 2017 mit einem Spatenstich in Merkenich.
Den Leverkusenern stößt übel auf, dass für den Autobahnausbau im Kreuz Leverkusen-West an vielen Stellen im Giftmüll gegraben wird, nachdem die Altlast erst seit wenigen Jahren mit einer Folie halbwegs ordentlich verschlossen geruht hat. Wegen dieser Eingriffe gelingt es Bayer, seine giftigen Altlasten der Bundesrepublik zu übereignen.
September 2018
Es wird es still auf der Baustelle: Chinesische Stahlteile sind miserabel verarbeitet. Die Baustelle ruht für Jahre. Ende März 2021 beginnen die Bauarbeiten mit neuen Firmen.
4. Februar 2024
Die erste der beiden Brückenneubauten wird freigegeben. Für viele in der Stadt ist es höchst symbolisch, dass zwar die Bauleute, Karl Lauterbach und Funktionäre gemeinsam mit dem NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst ein Band zur Eröffnung durchschneiden dürfen, nicht aber der Leverkusener Oberbürgermeister Uwe Richrath. Er irrt am Rand der Szene umher. Gleichzeitig beginnt der Abbruch der alten Brücke.
29. August 2024
Ein 22-jähriger Mann stirbt bei einem Unfall auf der alten Brücke. Eines der tonnenschweren roten Tragseile rutscht bei der Demontage aus dem Sattel und schlägt in ein Baugerüst ein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach wie vor wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Baugefährdung.
Die letzten Reste der alten Brücke sind verschwunden, Stahlteile für die zweite Brücke liegen bereit, der Bau schreitet voran.
Vor Monaten hat die Autobahn GmbH bei der Leverkusener Stadtverwaltung einen Antrag auf Herausgabe eines umfangreichen Datenpakets gestellt. Das ist quasi die Grundlage für das nächste, für Leverkusen entscheidende Planfeststellungsverfahren. Die Autobahn GmbH will auf einen Streich eine einzige große Genehmigung zum groß angelegten Ausbau der Megastelze, des Leverkusener Kreuzes und der Autobahn 3 erreichen. Bekannt wurde, dass die Stadtverwaltung Teile der Datenforderung schon zusammengestellt hatte, allerdings verhinderte die Politik einstimmig vorerst die Weitergabe. Ziel ist es, Zeit zu gewinnen.
Die Autobahn GmbH arbeitet derzeit im Verborgenen an einem Antrag für den umfassenden Planfeststellungsbeschluss für eine breite Stelze, das neue Leverkusener Kreuz und die breit ausgebaute A3. Einige Ausbauten könnten erst um 2050 fertig werden. Ein Unding, finden Kritiker: Woher will man jetzt wissen, was 2050 gebraucht wird?
Die Zukunft an der Autobahn malen Kritiker in unschönen Bildern: Erst wird es Enteignungen geben, später wird der Asphalt die Stadt aufheizen, die Lärmschutzwände verschatten die Gärten. Zurzeit keimt Hoffnung auf: Mehrere Gutachten zeigen, dass die Verkehrszahlen weniger stark steigen als vorhergesagt.
12. September 2025
Alle Hoffnungen scheinen vergebens. Das neue Bundesverkehrsministerium wird deutlich: Die Megastelze wird gebaut.
Leverkusener Dauerbaustellen
Leverkusens Dauerbaustellen sind die Themen, die die Stadtgesellschaft beschäftigen. Vor der Kommunalwahl stellen wir sieben dieser Baustellen vor. Alle Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt sind von uns gefragt worden, wie sie die Probleme angehen wollen. Unten stehen die Antworten.
Sand ins Getriebe streuen oder mitmachen? Wie wollen Sie künftig mit der Autobahn GmbH umgehen?
Sven Weiss (Grüne): Wir stehen zum Ratsbündnis „Keinen Meter mehr“ und insofern auch zu der Haltung, die Herausgabe aller Daten und Informationen mit allen politischen Mitteln weiterhin zu verhindern.
Stefan Hebbel (CDU):Solange man sich ohne Rücksicht auf Verluste über die Belange von Leverkusen hinwegsetzt: Sand ins Getriebe streuen. Verhandeln ja, aber bitte auf Augenhöhe. Eine besenrein hinterlassene Baustelle reicht mir nicht, da muss mehr kommen.
Valeska Hansen (FDP): Der Schlüssel liegt im offenen Dialog mit Bund, Land und den Menschen in Leverkusen. Nur gemeinsam finden wir tragfähige Lösungen. Der Ausbau der Autobahnen darf unsere Stadt nicht einseitig belasten. Ich setze mich für machbare Alternativen wie gedeckelte Abschnitte ein und unterstütze den Umbau des Kreuzes Leverkusen.
Benedikt Rees (Klimaliste): Eine Klage der Stadt Leverkusen gegen den Planfeststellungsbeschluss ist vorzubereiten. Von Enteignung betroffene Anwohnerinnen sind in jeder Form zu unterstützen und klagewillige werden durch eine Bürgerstiftung mit Hilfe der Stadt Leverkusen ideell und finanziell unterstützt. Durch eigene Planungen bei Bau und Sanierung der A 1 und A 3 sollte man nicht das Geschäft der Bundesautobahn GmbH betreiben und damit den Ausbau der Autobahnen möglicherweise sogar befördern.
Uwe Richrath (SPD): Das bestimmt schlussendlich der neue Rat der Stadt Leverkusen. Ohne ein Druckmittel aus Leverkusen wird die Autobahn GmbH umsetzen, was aus ihrer Sicht die preiswerteste und schnellste Lösung ist. Unsere Aufgabe ist es, alles zu versuchen, um im Interesse der Stadt auf die Planungen einzuwirken. Die Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, belastet kommende Generationen. Wenn Sand streuen hilft, dann bin ich bereit dazu.
Angelo Deckert (Die Partei): Autobahnen und Autos werden bald überholt sein! Wir stehen für eine technologieoffene Verkehrswende. Ich werde den Flugplatz Kurtekotten zum internationalen Flughafen ausbauen lassen, inkl. Flugtaxistandort. In dem Zusammenhang würde ich dann selber auf meinen Dienstwagen verzichten, wenn ich dafür ein Dienstlufttaxi hätte.