Der „Leverkusener Anzeiger“ hat Stefan Hebbel zum Jahresabschlussgespräch getroffen.
Leverkusens OB im Interview„Es geht nicht alles den Bach runter“

Stefan Hebbel ist seit November im Amt.
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Seit November ist Leverkusens neuer Oberbürgermeister Stefan Hebbel im Amt. Im Jahresabschlussgespräch spricht er über seine ersten Eindrücke, die Haushaltslage und seinen Start ins Amt.
Herr Hebbel, es heißt, Sie kommen jeden Tag mit dem Bus ins Rathaus, stimmt das?
Hebbel: Ja, das stimmt tatsächlich. Wenn mein erster Termin im Rathaus ist. Ich nehme die Schnellbuslinie 20, die fährt bei mir vor der Haustür ab und ist in 18 Minuten an der Rathaus-Galerie. Wenn ich auswärtige Termine habe, dann fahre ich auch mit dem Auto, aber ansonsten immer mit dem Bus.
Sie sind jetzt gute sechs Wochen im Amt. Was ist so gelaufen, wie Sie es gedacht haben und was nicht?

Im Gespräch mit Niklas Pinner Redaktionsleiter des „Leverkusener Anzeiger“ zog Leverkusens neuer OberbürgermeisterStefan Hebbel eine erste Bilanz.
Copyright: Thomas Käding
Ich habe wirklich im Stab tolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Da haben wir sehr schnell eine gute Phase der Zusammenarbeit gefunden. Der Übergang hat nach meiner Bewertung ganz gut geklappt.
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Und was hat nicht so geklappt?
Zum Beispiel das Thema Haushalt. Der Termin bei der Bezirksregierung, der war schon denkwürdig, weil wir ganz klar gesagt bekommen haben: So kann der Weg nicht sein. Das hat schon mal nicht funktioniert. Und es gibt so ein paar Themen, in die ich jetzt natürlich in der Rolle des Oberbürgermeisters tiefer einsteige, weil ich jetzt Teil der Organisation, der Verwaltung bin und ich die Sachen wirklich ganz aus der Nähe kennenlerne. Und dann stellen sich Sachverhalte auch schon mal anders dar, als man so gedacht hat.

Stefan Hebbel bei der konstituierenden Ratssitzung.
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Also schwieriger?
In der Regel tatsächlich schwieriger. Ich vergleiche das immer mit einem Labyrinth, wo man die Ausgänge sucht und die sind zugewachsen. Und da muss man sich vergegenwärtigen: Du bist nicht im Gefängnis, sondern die Ausgänge sind noch da. Du musst einen Weg finden, dass du die wieder freibekommst.
Sie haben den Haushalt selbst angesprochen. War das vollkommen überraschend für Sie, dass die Bezirksregierung das HSK über 15 Jahre nicht genehmigen wird?
Ich habe schon gemerkt, dass es ein paar Knackpunkte geben wird. Ich hätte aber eher gedacht, es gibt noch mal ein paar Auflagen oder ein paar Hinweise und wir kriegen das vielleicht zum Einstieg hin, aber mit klaren Leitlinien für die künftigen Jahre. Das habe ich so ähnlich mal im alten HSK erlebt, als ich noch in der Politik im Rat tätig war. Damit, dass die Bezirksregierung aber so klar nein sagt, habe ich nicht gerechnet.
Gibt es jetzt in der Zwischenzeit, bis der neue HSK-Entwurf steht und an die Bezirksregierung übermittelt werden kann, Gespräche?
Wir haben jetzt erst mal alle Haushaltsdaten angeliefert. Das waren unfassbar viele Maßnahmenblätter, Seiten im dreistelligen Bereich. Wir sind im Gespräch. Ich muss aber auch sagen, dass sich auf beiden Seiten die Ansprechpartner verändert haben. Wir hatten einen Sachbearbeiter bei der Bezirksregierung, der jetzt im verdienten Ruhestand ist. Da hat ein Ansprechpartner gewechselt. Und wir haben uns ja auch ein bisschen umgestellt. Herr Molitor nimmt ja keine Geschäfte wahr und wird das wahrscheinlich auch nicht mehr machen.
Wie werden die Menschen in Leverkusen ganz konkret den Sparzwang zu spüren bekommen?
Wahrscheinlich überall ein bisschen. Zum Beispiel wird wohl der Eindruck entstehen, dass wir jetzt immer mehr bezahlen müssen und dafür immer weniger bekommen.
Zum Beispiel?
Nehmen wir mal an: Wenn wir jetzt eine Steuer erhöhen müssten, dann wird es nicht absehbar mehr sanierte Straßen geben. Das heißt aber nicht, dass wir jetzt in dieser Situation alles kaputtsparen müssen. Es geht nicht alles den Bach runter. Natürlich gibt es immer noch einen Haushalt. In diesem haben wir Maßnahmen verankert. Wenn der Haushalt genehmigt wird, werden wir diese auch umsetzen. Wir werden nur viel mehr gucken müssen, was ist jetzt wirklich am allerwichtigsten? Wir können nicht mehr alle Vorhaben gleichzeitig machen. Beim Thema Schulen zum Beispiel suchen wir noch nach einer Lösung, auch mit einer Schulbaugesellschaft, die dann auch keinen Koffer voller Geld mitbringt. Aber über eine andere Finanzierungssystematik versuchen wir, Tempo zu machen. Am Ende werden immer noch Projekte und Vorhaben ausgeführt. Das sieht man ja, wir haben in der Stadt immer noch Baustellen. Solange es Baustellen gibt, wird noch was verändert.
Wie kann die Stadt denn die wohl notwendigen großen Beträge einsparen?
Große Blöcke sind die Summen, die wir über Personaleinsparungen vornehmen. Personalkosten sind der zweithöchste Kostenblock nach Transferleistungen im Haushalt. Und wir gucken uns Arbeitsabläufe an. Haben wir da auch Einsparpotenzial, ohne dass wir auf die Leistung verzichten? Oder über das Thema Raum für die Verwaltung. Wenn wir irgendwann weniger Personal haben, brauchen wir sowieso weniger Raum. Klar ist, wenn wir jetzt von den Menschen in dieser Stadt verlangen, dass sie den Gürtel enger schnallen, dann müssen wir das überall so halten, auch in der Verwaltung.
Die Sparmaßnahmen stehen auf der einen Seite, die andere Frage ist, wie die Stadt wieder Einnahmen generieren kann.
Das hat an einem Punkt mal nicht geklappt (Axa-Ansiedlung, Anm. d. Red.), aber es hat an vielen Punkten auch gut geklappt. Wir durften tatsächlich auch Unternehmen in Leverkusen begrüßen, die viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitbringen, die Gewerbesteuer zahlen.
Die Gewerbesteuern hängen immer damit zusammen, wie es bei den Unternehmen läuft. Welchen Einfluss haben Sie denn darauf überhaupt?
Das ist schwierig. Was wir machen können, ist Verlässlichkeit zu schaffen. Zum Beispiel in der Form, dass wir jetzt nicht sofort die Gewerbesteuer verdreifachen. Das würde im Übrigen auch dazu führen, dass viele Unternehmen Leverkusen wieder verlassen. Da muss man ein gesundes Maß finden. Der Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung sieht ohnehin eine Anhebung auf 280 Punkte vor, die wir dann logischerweise auch mitgehen.
Wäre es denkbar, noch höher zu gehen? Es gibt seit Kurzem ein neues, von den Grünen beauftragtes Gutachten dazu.
Das schaue ich mir an. Aber meine Agenda bleibt erst mal: Der Satz soll bleiben, solange ich nicht eindeutig widerlegt werde, dass die Senkung der Gewerbesteuer der richtige Schritt war. Denn wenn ich mir im 20-Jahres-Vergleich die Gewerbesteuereinnahmen angucke, dann ist klar, dass die Senkung, nicht ganz verkehrt war. Als wir noch 475 Punkte hatten, hatten wir teilweise nur 31 Millionen Gewerbesteuer. Und jetzt in diesem superschlechten Jahr waren es um die 150 Millionen. Aber ich bin trotzdem gespannt, was das Gutachten hervorbringt. Wenn neue Erkenntnisse da sind, sind sie immer wertvoll.

Stefan Hebbel am Abend des Wahlsieges.
Copyright: Ralf Krieger
Haben Sie in Ihren bisherigen Gesprächen mit den Unternehmen gespiegelt bekommen, dass sie der niedrige Gewerbesteuerhebesatz entscheidend für den Verbleib ist?
Was ich gespiegelt bekomme, ist, dass die Zahl der Insolvenzen so hoch ist wie schon lange nicht mehr oder eigentlich so hoch wie noch nie. Auch in Leverkusen. Ich wage sogar die These, dass einige Unternehmen schon nicht mehr da wären, wenn wir die niedrige Gewerbesteuer nicht gehabt hätten. Aber es gibt schon noch andere Vorzüge, die Leverkusen hat: die geografische Lage. Wir liegen am Rhein, das ist gerade auch für die chemische Industrie wichtig, weil wir Massen an Gütern transportieren. Das würden wir über das Straßennetz oder über die Schiene gar nicht hinbekommen. Wir liegen zwischen Köln und Düsseldorf. Deswegen habe ich auch ein sehr starkes Interesse am interkommunalen Austausch. Ich halte es für sehr wichtig, nicht mehr Könige im eigenen Königreich zu sein. Wenn andere was Gutes erfunden oder entwickelt haben, dann muss ich das nicht nochmal neu erfinden. Dann kann man auch mal voneinander profitieren.
Und das Stadtleben selbst?
Wir haben bei den weichen Standortfaktoren einiges zu bieten, in Sachen Sport und Kultur zum Beispiel. Auch wenn die Finanzierung natürlich zunehmend schwierig ist.
Gerade Kultur als freiwillige Leistung kann da schnell mal hinten rüber fallen, oder?
Diese Automatismen, die gab es ja auch schon mal, zu sagen, dann schließen wir alle Schwimmbäder, das Museum und so weiter. Aber dann stellt man fest, so einfach ist es ja nicht, die Liegenschaften lösen sich ja nicht in Luft auf und man muss immer auch die Wechselwirkungen sehen. Aber es ist schon richtig, dass wir jetzt keine Mittel haben, ein riesiges Kulturprogramm aufzuziehen.
Oder ein Konzerthaus zu übernehmen…
Oder ein Konzerthaus, das Erholungshaus, zu übernehmen, ja. Da bin ich auch ständig im Gespräch. Wenn Sie eine Lösung haben, sagen Sie es mir bitte. Ich finde dieses Haus wunderbar, es hat eine hervorragende Akustik, auch die Lage mit dem Park. Aber mehr können wir an dieser Stelle nicht machen.
Muss die Grundsteuer erhöht werden?
Ich glaube, dass wir da nicht drumherum kommen. Ich wollte es nicht, weil die Berechnungsgrundlage einfach auch hochstrittig ist und zu sehr ungleichen Ergebnissen führt. Aber mit der Auflage, die wir von der Bezirksregierung haben, glaube ich, kommen wir da nicht mehr drumherum.
Lassen Sie uns über etwas anderes als über den Haushalt reden. Was konnten Sie in Ihren ersten Wochen schon auf die Schiene bringen?
Wir haben jetzt eine Kooperation unterschrieben mit der Polizei Köln, da geht es um den Schutz von Kindern und Jugendlichen, in Zusammenarbeit zwischen unserem Fachbereich Kinder und Jugend und der Polizei. Dann zeitlich begrenzte Tempo-30-Regelungen auch an Hauptverkehrsstraßen wie der Rathenaustraße oder künftig auch in Lützenkirchen. Ich habe jetzt einen sogenannten Müllgipfel in Vorbereitung, da bin ich auf der Suche nach einem ganzheitlichen Konzept. Da wird es ein erstes Treffen geben mit allen Akteuren. Auch Beleuchtung an dunklen Stellen bleibt ein Thema, zum Beispiel an der Dünnbrücke hinter dem Forum.
Eine persönliche Frage zum Abschluss, wie blicken Sie auf das Jahr 2025 zurück? Ich nehme an, es war für Sie ein schönes Jahr.
Ja, war es wirklich. Ich habe so viele Menschen kennengelernt, wie noch nie in meinem Leben hier in dieser Stadt. Das war wirklich sehr schön. Da sind viele emotionale Begegnungen dabei, manchmal auch kritische, das gehört auch dazu. Aber alleine mit so vielen Menschen in Kontakt zu kommen, das macht mir auch immer noch am meisten Freude, das ist mir unheimlich wichtig. Und wenn ich zurückblicke, dann bin ich sehr dankbar für die vielen Begegnungen, für den großen Zuspruch und letztlich auch für das Ergebnis, was dazu geführt hat, dass ich jetzt dieses Amt des Oberbürgermeisters wahrnehme. Was ich mit großem Respekt mache, aber auch mit großer Freude. Bei allen Schwierigkeiten gehe ich jeden Tag gerne zur Arbeit.

