An der Manforter Straße liegt der bei weitem größte innerstädtische kommunale Friedhof. Er steckt voller Leverkusener Geschichte.
Friedhöfe in LeverkusenStadt- und Bayer-Geschichte im Schatten einer imposanten Kapelle

Die Friedhofskapelle von Wilhelm Fähler beherrscht den Raum an der Manforter Straße.
Copyright: Peter Seidel
Zunächst eine Klarstellung: Der städtische Friedhof an der Manforter Straße firmiert auf der städtischen Webseite zwar unter „Manfort“ – und gefühlt liegt er auch in dem Stadtteil. Tatsächlich liegt der Friedhof Manfort aber seit den 1960er Jahren in Wiesdorf. Und weiter westlich in Wiesdorf liegen gewissermaßen auch seine Ursprünge.
Bis um die Wende zum 20. Jahrhundert gab es nahe der heutigen Herz-Jesu-Kirche, also nur wenige Gehminuten vom historischen Ortskern Wiesdorfs entfernt, einen Friedhof, wie Stadtführer Ralph Junker bei einem Rundgang erläutert. Doch der wurde dann verlagert an die Manforter Straße und im Jahr 1901 geweiht. Der städtische Friedhof Manforter Straße ist also wie der Schlebuscher Friedhof an der Mülheimer Straße katholisch-kirchlichen Ursprungs. Nur dass für die Totenruhe in Wiesdorf ungleich viel mehr Platz eingeplant wurde als am Rande des Schlebuscher „Dorfs“.
An der Manforter Straße erstreckt sich der Gottesacker auf 115.100 Quadratmeter, elfeinhalb Hektar. Er ist damit der bei weitem größte innerstädtische Friedhof. Derjenige in Reuschenberg ist zwar annähernd doppelt so groß. Aber er liegt eben am Stadtrand zwischen Küppersteg und Opladen.
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Wer den Friedhof Manforter Straße betritt, ist sogleich beeindruckt von der imposanten Friedhofskapelle, die im Zentrum des Areals auf die Besucher wartet. Das Werk des für Leverkusens Stadtentwicklung bedeutenden Architekten Wilhelm Fähler aus dem Jahr 1920 wurde bis 2019 aufwendig restauriert und steht seit 2008 unter Denkmalschutz.

Das Innere der Trauerkapelle auf dem Friedhof Manfort von Wilhelm Fähler
Copyright: Ralf Krieger
Dabei, so weiß Junker zu erzählen, hätte sie ursprünglich ganz anders aussehen sollen. Als Fähler 1917 nach Wiesdorf kam, gab es einen neo-klassizistischen Entwurf. Den überarbeitete Fähler, ab 1919 Gemeindebaumeister der Gemeinde Wiesdorf. Zu den ältesten erhaltenen Grabmalen auf dem Friedhof stammen schlichte Grabsteine aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, zu finden, wenn man den Hauptweg entlang geht und sich vor der Kapelle nach rechts wendet. In direkter Nachbarschaft zu den Soldatengräbern steht eine Gruppe stählerner Kreuze, manche recht klein, manche mehrere Meter hoch, eng beieinander.

Die stählernen Kreuze auf dem Friedhof Manforter Straße von 1927 sollen an das große und das kleine Leid des Kriegs erinnern.
Copyright: Peter Seidel
Junker rekapituliert die Genese dieses Ehrenmals für die Kriegstoten: „Im Februar 1927 beschließt der Gemeinderat von Wiesdorf, dass es ein Kreuz für die Ehrengräber geben soll. Die Genehmigung des Rates datiert auf den 23. Februar. Am 27. Februar war Baubeginn, am 13. März Fertigstellung und Übergabe an Bürgermeister Heinrich Claes. So schnell ging das damals.“ Bei unserem Rundgang liegen vom Volkstrauertag noch die Kränze der Stadt und des VDK an den Kreuzen.
Claes, gestorben 1963, liegt hier ebenso begraben wie andere wichtige Personen der Wiesdorfer und Leverkusener Geschichte vor allem der ersten 60 Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Auf Claes' Grabstein steht „Stadtdirektor“, nicht Bürgermeister. Und das war er ja auch fünf Jahre lang von 1946 bis 1951, nachdem er für ein Jahr von den amerikanischen Besatzern 1945 wieder als Bürgermeister eingesetzt worden war.
Otto Grimms Grabstein von 1969, gar nicht weit entfernt von Claes' Grab, weist diesen hingegen als Oberbürgermeister aus. Das war er auch, allerdings nicht in Leverkusen, sondern in der thüringischen Stadt Altenburg, von 1936 bis 1945. Dort gab es mehrere Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald. An 431 Opfer des Nazi-Terrors wird auf Altenburgs Friedhof erinnert. Der Nazi-Vergangenheit ungeachtet wurde Grimm von der CDU-FDP-Mehrheit im Rat 1951 zum Stadtdirektor Leverkusens gewählt. Das blieb er bis 1963. Dazu Junker: „Ich nehme an, dass damals alle Bescheid wussten. Dopatka musste irgendwie mit ihm klarkommen.“ Erst 2017 benannte die Stadt die nach Grimm 1975 in Wiesdorf benannte Straße um.
Der Sozialdemokrat Wilhelm Dopatka war von 1954 bis 1961 und dann erneut von 1964 bis 1979 Oberbürgermeister der Stadt, als er noch im Amt starb. Auch er und seine Frau liegen natürlich an der Manforter Straße begraben.

Friedhofsführer Ralph Junker vor dem Familiengrab der Duisbergs
Copyright: Peter Seidel
Auch wichtige Männer – und eine wichtige Frau – aus der Geschichte der Bayer AG fanden an der Manforter Straße ihre letzte Ruhe. Beeindruckend groß und repräsentativ mit Bronzefigur ist die Grabstätte der Familie Duisberg, zentral auf dem Friedhofsgelände positioniert. Auch wenn der Generaldirektor und seine Frau Johanna nicht hier, sondern im Flortempel im nach ihm benannten Park begraben liegen, so ist hier neben den Ruhestätten vieler Familienangehöriger auch das Grab von Minna Sonntag.
Sonntag war langjährige und von Duisberg sehr geschätzte Hausdame in der Villa des Generaldirektors. Sie starb 1934. Duisberg überlebte sie nur um wenige Monate. Womöglich hat er ihren Tod nicht verwinden können. Wie wichtig sie ihm war, war auch Duisbergs Umfeld bekannt. So schließt etwa Landrat Adolf Lucas 1933 einen Brief an Duisberg anlässlich dessen 50-jährigen Dienstjubiläums mit dem PS: „Wer es gut mit Ihnen meint, darf auch Fräulein Sonntag nicht vergessen. Auch ihr unser Gruß!“

Der Gedenkstein für die auf dem Friedhof beerdigten Zwangsarbeiter aus der Nazizeit
Copyright: Peter Seidel
Bernhard Heymann, Chemiker und Duisbergs Vorstandskollege der Farbenwerke vormals Friedrich Bayer, liegt an Manforter ebenso begraben wie Ulrich Haberland, „nach Duisberg der zweitwichtigste Manager in der Bayer-Historie“, so Junker. Haberland und Heymann haben natürlich Namen und Vornamen auf ihrem Grabstein, Geburts- und Sterbejahr.
Anders ist das bei einer Reihe von Grabsteinen, die an Zwangsarbeiter erinnern. Auf ihnen stehen nur Nachnamen, kein Geburts- oder Sterbedatum. Die toten Zwangsarbeiter wurden am Südende des Friedhofs bestattet, auf den „Ausländerfeldern“. Das war praktisch, denn das Lager „Eigenheim“, in dem sie untergebracht waren, lag direkt benachbart zum Südende des Friedhofs. Dort, wo heute die Karl-Krekeler-Straße verläuft. Immerhin erinnert ein Gedenkstein an das grausame Schicksal dieser Menschen, von denen „mehr als 200 Erwachsene und 70 Kinder an der Manforter Straße beigesetzt“ wurden, wie es auf dem Gedenkstein heißt.
Junker, der im Hauptberuf Mitarbeiter im Stadtarchiv ist, berichtete, dass das Archiv daran arbeite, den namentlich genannten Toten wenigstens ihre Vornamen wieder zurückzugeben. Die Namensliste solle möglichst bis zum Volkstrauertag 2026 fertig werden. Über einen QR-Code, der am Friedhof aufrufbar sein soll, könnten Interessierte dann die Namensliste einsehen.

