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ÜbergriffeSparkasse Leverkusen erteilt erheblich mehr Hausverbote – Kampagne gegen Gewalt

Lesezeit 5 Minuten
Die Sparkasse sieht sich wegen zunehmender Aggression gegen ihre Mitarbeiter zu einer Kampagne genötigt: "Null Toleranz. Nein zur Gewalt".

Die Sparkasse sieht sich wegen zunehmender Aggression gegen ihre Mitarbeiter zu einer Kampagne genötigt: 'Null Toleranz. Nein zur Gewalt'. 

Die Sparkasse stellt eine wachsende Zahl von Übergriffen gegen Mitarbeitende fest, auch das Klinikum konstatiert eine Zunahme von Gewalt.

Die Sparkasse hat eine Null-Toleranz-Kampagne ins Leben gerufen, um sich damit unmissverständlich gegen gewalttätige Übergriffe zu positionieren, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erleiden müssen. Anlass ist nach Angaben der Sparkasse die wachsende Zahl solcher Fälle in den Geschäftsstellen der Sparkasse. Auch das Klinikum und die Energieversorgung Leverkusen sehen eine wachsende Gewaltbereitschaft gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das ergab eine Umfrage des „Leverkusener Anzeiger“.

„Von 2021 bis heute hat sich die Zahl der Hausverbote verdreifacht, die wir pro Jahr aussprechen“, teilte Sparkassen-Sprecherin Julia Litschko auf Anfrage des „Leverkusener Anzeiger“ am Donnerstag mit. Es könne durchaus sein, dass die Sparkasse am Jahresende 2025 eine Vervier- oder Verfünffachung der Hausverbote konstatieren müsse. Konkrete Zahlen wollte die Sprecherin in diesem Zusammenhang nicht nennen.

Leverkusen: Kunden wurden gewalttätig

Die Hausverbote erfolgten ausnahmslos, weil Kunden oder Kundinnen des kommunalen Geldhauses gegenüber Mitarbeitenden gewalttätig geworden waren – mit Beleidigungen, Drohungen, gewalttätigen Gesten wie Schlagen mit der Hand auf einen Bürotisch oder sogar Sachbeschädigungen. „Wir sind da ähnlich betroffen wie die Mitarbeitenden im regionalen Zugverkehr“, so Litschko.

Der Sparkassenvorstand macht deshalb auf Plakatwänden, digitalen Werbeflächen und auf den Bildschirmen der Geldautomaten klar: „Der Schutz unserer Kolleginnen und Kollegen hat für uns Priorität. Wir verurteilen jede Form von Gewalt. Alle Übergriffe, egal ob körperlich oder verbal, werden von uns zur Anzeige gebracht. Unsere wertvollste Währung ist Respekt. Nein zu Gewalt!“

Die Sparkasse bietet ihren Mitarbeitenden Gewaltpräventionstrainings an und baut einzelne Geschäftsstellen auch um, damit die Sicherheit der Beschäftigten besser gewährleistet ist. Der Personalratsvorsitzende Uwe Pöschke sagte dazu, dass künftig jeder Gewaltvorfall dokumentiert werde: „Wir werden diese besorgniserregende Entwicklung sehr sorgfältig beobachten.“

Der Vorstandsvorsitzende Markus Grawe betonte, dass alle Übergriffe gegen Mitarbeitende – auch Drohungen, Beleidigungen, Sachbeschädigung oder Mobbing – bei der Polizei angezeigt würden. „Da positionieren wir uns eindeutig zum Schutz unserer Mitarbeitenden und unserer Kundinnen und Kunden.“

Im Kampf gegen die gewalttätigen Übergriffe habe man in der Sparkasse einen Prozess etabliert, um solche Vorfälle genau zu dokumentieren, ergänzte Litschko. „Wenn da jemand mehrfach auffällig wird, können wir in Rücksprache mit den zuständigen Kollegen entscheiden, in welcher Form die Geschäftsbeziehungen zu der betreffenden Person noch aufrechterhalten wird oder ob überhaupt.“

Klinikum Leverkusen verfolgt Null-Toleranz-Strategie

Im Klinikum sieht sich das Personal ebenfalls häufiger als früher verbaler oder körperlicher Gewalt ausgesetzt. „Wir stellen fest, dass das mit den Jahren zugenommen hat“, sagte dazu der Klinikumssprecher David Posor auf Anfrage. „Besonders in unserer Zentralen Notaufnahme kommt es vermehrt zu Situationen, die in unangemessenem Verhalten enden – nicht nur durch Patientinnen und Patienten, sondern auch zunehmend durch Begleitpersonen“, teilt das städtische Krankenhaus mit. Das Klinikum verfolge in solchen Fällen eine Null-Toleranz-Strategie. Posor: „Das sind wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schuldig.“ Sie seien aufgerufen, jedwede Form von Gewalt zu melden. Wenn nötig, lasse das Klinikum solche Vorfälle strafrechtlich verfolgen und erteile Hausverbote.

Das Klinikum bietet allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bereits seit 2022 ein Training zur Gewaltprävention an. Geleitet wird es vom Chefarzt für plastische Chirurgie im Klinikum, Marc Busche, und Jessica Odenthal, Stab für betriebliches Gesundheitsmanagement. Die beiden haben sich dazu eigens von der Polizei in Recklinghausen zur Trainerin und zum Trainer des „Berufsspezifischen Interventions- und Sicherheitstrainings“  ausbilden lassen. Das ist das Gewaltschutzkonzept der Polizei für den öffentlichen Dienst. Zunächst schulten sie das Personal in der Notaufnahme.

ie Beschäftigten im Gesundheitswesen sind Gesichter des öffentlichen Handelns. Wir müssen gemeinsam für ihren Schutz und ihre Sicherheit sorgen.
Anja Mitrenga-Theusinger, medizinische Geschäftsführerin Klinikum

Inzwischen lernen Ärztinnen und Pfleger, Verwaltungsangestellte und technisches Personal aus dem ganzen Haus in den Kursen, wie sie sich bei körperlichen Angriffen richtig verhalten, wie sie ihren Körper am besten gegen Schläge schützen, dass Flucht, sofern möglich, immer die erste Wahl ist, um einer gefährlichen Situation zu entkommen, und welche anderen Möglichkeiten es gibt, sich zu schützen und Hilfe zu alarmieren. 

Das Klinikum trat 2024 als erstes Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen auch dem landesweiten Präventionsnetzwerk „#sicherimDienst“ bei. „Die Beschäftigten im Gesundheitswesen sind Gesichter des öffentlichen Handelns. Wir müssen gemeinsam für ihren Schutz und ihre Sicherheit sorgen“, sagte die medizinische Geschäftsführerin Anja Mitrenga-Theusinger aus diesem Anlass. Nach einer Pilotphase erfasst das Klinikum seit 2025 alle Arten von Gewaltvorfällen und bietet Mitarbeitenden, die Vorfälle melden, Hilfe an, etwa, wenn es um eine Anzeige geht.

NRW-weit stieg die Zahl der Gewaltdelikte in Krankenhäusern von 1218 im Jahr 2019 auf 1705 im Jahr. Das Polizeipräsidium Köln/Leverkusen verzeichnete von 2022 auf 2023 einen Anstieg von Gewaltdelikten in Krankenhäusern um 17 Prozent. 2022 wurden 134 Fälle registriert, 2023 waren es 157 Fälle.

Stadtverwaltung hat Beauftragte für Gewaltprävention

Im Rathaus gibt es seit April 2024 eine Beauftragte für Gewaltprävention. Am 7. Oktober 2024 unterzeichneten Oberbürgermeister Uwe Richrath und der Personalratsvorsitzende Maik Gößling die Grundsatzerklärung „Null Toleranz – Nein zu Gewalt“, um sich klar zu positionieren. Seitdem sammelt auch die Stadtverwaltung jeden einzelnen Fall von Übergriffen mit Worten oder physischen Angriffen gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wie viele Fälle seit Herbst 2024 bereits dokumentiert wurden, vermochte die Verwaltung am Freitag nicht zu sagen.

Klar ist aber, dass auch die städtischen Bediensteten vielfältigen Formen von Gewaltandrohung und -anwendung ausgesetzt sind. „Im Rettungsdienst kam es zu Sachbeschädigungen am Einsatzwagen und Bedrohungen durch Externe. In dem medienträchtigen Fall der Abschiebung von Herrn S. bekamen die Mitarbeitenden 'Drohmails' und wurden beleidigt. Des Weiteren kam es schon zu rassistischen Anfeindungen gegenüber Mitarbeitenden“, sagte der städtische Sprecher Erik Butterbrodt im Oktober vergangenen Jahres dem „Leverkusener Anzeiger“. Wie die Sparkasse auch reagiert das Rathaus unter Umständen mit Strafanzeigen und erteilt Hausverbote, wenn Beschäftigte Opfer von Gewalt wurden.

Zusätzlich sichern seit Jahren Wachleute diversen städtische Dienststellen. 2023 gab die Stadt dafür 800.000 Euro aus. Als Kritik daran aus der FDP kam, wies OB Richrath darauf hin, dass die Wachleute am Eingang den Bediensteten ein Gefühl größerer Sicherheit gäben.

Die Energieversorgung Leverkusen verzeichnet hingegen keine wachsende Zahl von Anfeindungen, Beleidigungen oder anderen Formen von Gewalt gegenüber ihren Mitarbeitenden. Man habe darüber anlässlich der Sparkassen-Kampagne unternehmensintern gesprochen, berichtete EVL-Sprecher Stefan Kreidewolf auf Anfrage: „Wir können das Problem nicht feststellen.“ Während der Corona-Pandemie habe die EVL-Geschäftsführung vorsorglich einen Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes im City Point in Wiesdorf stationiert. Aber auch der ist schon lange nicht mehr dort, einfach, weil sich sein Einsatz als nicht notwendig erwies.