Nach FestnahmeWie Leverkusen auf den vereitelten Anschlag in Opladen reagiert

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Eingangssituation am Weihnachtsmarkt Opladen

Eingangssituation am Weihnachtsmarkt Opladen, der Markt war das Ziel eines Terroranschlags.

Einige Tage, nachdem der 15-jährige Burscheider festgenommen wurde, weil er einen Terroranschlag geplant haben soll, werden weitere Einzelheiten bekannt.

Am Donnerstagnachmittag sickert es durch: Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ war der Opladener Weihnachtsmarkt das Ziel eines Anschlags, den ein jugendlicher Islamist aus Burscheid zusammen mit einem Komplizen aus Brandenburg für Freitag, 1. Dezember, geplant haben soll.  Am Mittwoch war der 15-jährige Junge aus Burscheid von Spezialkräften der Polizei festgenommen worden. Zunächst war nur von einem Leverkusener Weihnachtsmarkt die Rede gewesen.

Derweil werden mehr Einzelheiten über den Burscheider Jugendlichen bekannt, der festgenommen wurde. Mahmut D. (Name geändert) ging auf die Burscheider Gesamtschule. Das Krisenteam des Kollegiums habe sofort getagt und man habe sich dafür entschieden, damit offen umzugehen, sagt die Schulleiterin Angelika Büscher. Auf der Startseite im Internetauftritt ihrer Schule heißt es: „Dieser Junge ist Schüler der Johannes-Löh-Gesamtschule[...] Für die Schule hat aber zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung bestanden.“

Man solle am Morgen zügig ins Gebäude gehen: „Aufgrund der Berichterstattung ist am Donnerstagmorgen mit einem größeren Medienaufgebot vor der Schule zu rechnen. Sicher wird es auch Versuche geben, mit Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen ins Gespräch zu kommen. Wir raten Ihnen und Ihren Kindern dringend, keine Aussagen zu machen, sondern auf die Ermittlungsbehörden und die Schulleitung zu verweisen.“

Burscheid: Kamerateams bleiben weg

Die erwarteten Kamerateams seien nicht gekommen, sagt die Schulleiterin Angelika Büscher zum „Leverkusener Anzeiger“. Es habe keine Aufregung gegeben, die Schüler seien eigentlich ruhig gewesen.

Sie selbst habe am Mittwochvormittag die Klasse aufgesucht, in die Mahmut D. (15) gegangen ist. Die Kinder hätten „eher pragmatische Fragen“ gestellt, etwa, ob der Mitschüler jetzt auch im Gefängnis Unterricht hätte, oder ob ihn ein Sondereinsatzkommando festgenommen habe. „Manches konnte ich natürlich nicht beantworten“, sagt Angelika Büscher, die sagt, sie sei etwas überrascht, dass alle gefasst reagiert hätten.

Barbara und Werner Kressner stehen für den Hilfsverein "Horizontes" am Eingang des Opladener Weihnachtsmarkts. Foto: Ralf Krieger

Barbara und Werner Kressner stehen für den Hilfsverein 'Horizontes' am Eingang des Opladener Weihnachtsmarkts.

Ob es mit dem Mitschüler Probleme gab, dazu darf sie keine Angaben machen. Der Jugendliche soll afghanischer Herkunft sein. Nach 2015 habe man in der Schule etwa 20 Geflüchtete aufgenommen. Jetzt seien noch 20 Ukrainer gekommen. Ihre Schule steht unter der Trägerschaft der evangelischen Kirche im Rheinland, es gibt evangelischen, katholischen und islamischen Religionsunterricht, den angestellte Lehrkräfte geben. Erst in Klasse zehn steht der Unterrichts-Schwerpunkt „Kritische Auseinandersetzung mit der Aussage »Der Koran legitimiert (Selbstmord-)Attentate«“ an. Aber so weit war der 15-jährige Terrorverdächtige in seiner Schullaufbahn noch nicht.

Für uns war am Donnerstag wichtig, den Schülerinnen und Schülern ein Gesprächsangebot zu machen.
Schulleiterin Angelika Büscher

„Für uns war am Donnerstag wichtig, den Schülerinnen und Schülern ein Gesprächsangebot zu machen“, man habe zum Beispiel über Social-Media geredet und informiert, sagte Frau Büscher. Es ging sicher auch darum, was man nicht posten darf, zum Beispiel Fotos des Verdächtigen. In einschlägigen, unmoderierten Facebook-Kanälen, die sich um lokale Dinge drehen, kocht am Donnerstag erwartungsgemäß die allgemeine Hetze gegen Flüchtlinge hoch.

Der neuralgische Punkt auf dem Opladener Weihnachtsmarkt ist der Eingang an der Aloysiuskapelle. Dort hat der Hilfsverein „Horizontes“ von der Gesamtschule Schlebusch den ersten Stand. Als Werner Kressner hört, dass der Opladener Weihnachtsmarkt das mutmaßliche Anschlagsziel war, sagt er sofort: „Deshalb stand bis gestern drei Tage lang ein Lkw an der Einfahrt zum Markt.“ Am Tag der Eröffnung wurde tatsächlich ein kurzer Lastwagen an der Kreuzung so platziert, dass man nicht hätte auf den Markt einfahren können. Barbara Kressner: „Was mich wirklich erschreckt, ist das Alter von dem Jungen.“

Leverkusens Oberbürgermeister Uwe Richrath sei am Mittwochabend von der Polizei über die Hinweise informiert worden, teilt die städtische Pressestelle auf Anfrage mit. Die Stadt stehe in engem Kontakt mit der Polizei, der lägen keine Erkenntnisse über eine akute Gefahr vor. Hinweise darauf, dass weitere Personen in mögliche Planungen involviert waren, gebe es nicht.

Grundsätzlich seien die Weihnachtsmärkte in Leverkusen durch Steinbarrieren geschützt. Die Stadt will die Sicherheitsmaßnahmen noch einmal mit der Polizei prüfen. „Die Bürgerinnen und Bürger können gewiss sein, dass Stadt und Polizei höchstes Augenmerk auf die Sicherheit auf den Weihnachtsmärkten legen“, teilt die Stadtverwaltung mit.

Leverkusens Bürgermeister lobt Zusammenarbeit mit der Polizei

Richrath sagt: „Ich bin sehr froh, dass die Zusammenarbeit der Behörden fruchtete. So konnte der extremistische Plan rechtzeitig vereitelt werden.“ Die Stadt werde alles tun, um die Polizei zu unterstützen. „Unser KOD (Kommunaler Ordnungsdienst) wird die Weihnachtsmärkte im Blick haben, auch wenn derzeit keine akuten Hinweise auf eine weitere Gefahr bestehen.“

Auf dem anderen größeren Leverkusener Weihnachtsmarkt, in Wiesdorf, herrschen am Donnerstagmittag entspannte Stimmung und normaler Betrieb. Oder doch nicht? Am Vormittag haben Miriam Christine-Diehl und Sabine Mies bemerkt, wie ein VW-Bulli der Polizei langsam durch den Weihnachtsmarkt Streife fuhr. Die beiden Frauen sitzen im „Sozialhäuschen“ und bieten Selbstgestricktes feil. Der Erlös kommt dem Hospiz in Steinbüchel zugute. „Bei mir war kurzes Entsetzen über das Alter der beiden“, sagt Sabine Mies. Beide haben sich über die aus ihrer Sicht reißerische Art und Weise gewundert, wie im Fernsehen über die Festnahmen der Jugendlichen berichtet worden sei. Ein Sender habe die Nachricht mit Bildern vom islamistischen Anschlag vom Dezember 2016 in Berlin aufgemacht. „Wenn wir jetzt Angst bekommen würden, dann hätten diese Islamisten doch erreicht, was sie wollen“, sagt Mies.

Wiesdorfer Händler fühlen sich sicher

Aber nein: „Wir fühlen uns hier weiterhin sicher“, betont Miriam Christine-Diehl. Ein anderer Marktbeschicker, der anonym bleiben möchte, sagt hingegen: „Man ist beunruhigt, macht sich Gedanken, warum es immer die kleinen Leute treffen soll. Wir können doch nichts dafür, was in der Welt alles passiert.“ Ab einer gewissen Uhrzeit sollte aus seiner Sicht die Fußgängerzone für Fahrzeuge aller Art gesperrt werden, um sie sicherer zu machen, auch für die Wagen der DHL und Geldtransporter, die tagsüber noch über den Wiesdorfer Platz fahren dürfen. In der Whatsapp-Gruppe der Marktbeschicker seien sie alle aufgefordert worden, wachsam zu sein. 

Thorsten Schmidt am Stand der Monschauer Senfmühle findet hingegen, dass man das Geschehen nicht dramatisieren solle. Unsere Polizei macht schon einen guten Job, so der Pulheimer. Von Pollern oder anderen Zufahrtshindernissen am Jakob-Windisch-Platz oder am Friedrich-Ebert-Platz hält er nichts. „Dann kommt hier ja kein Lieferant mehr durch.“ Schmidt sorgt sich eher etwas um das Geschäft auf dem Weihnachtsmarkt: „Wenn man die Leute vergrault durch übertriebenes darüber Reden …“

Von Dirk Pott, dem Organisator des Weihnachtsmarkts in Opladen, ist bislang keine Stellungnahme zu bekommen. Axel Kaechele, Organisator des Wiesdorfer Christkindchensmarkts, warnt am Donnerstagvormittag vor Panikmache. „Wir arbeiten gut mit der Polizei zusammen“, sagt er. Er sei er beruhigt, dass die Behörden die Sache so ernst genommen hätten. „Wir dürfen nicht in Hektik verfallen.“

Grundsätzlich gehöre ein Sicherheitskonzept immer zur Vorbereitung eines solchen Marktes, und damit seien nicht nur Steine vor möglichen Zufahrten gemeint, sondern auch zum Beispiel der Brandschutz. Mit seinen Standbetreibern gebe es eine gemeinsame Whatsapp-Gruppe, in der merkwürdige Vorkommnisse gemeldet werden können. Dann entscheide man gegebenenfalls, ob der Ordnungsdienst oder die Polizei einzuschalten sei. „Und glauben Sie mir: Ich habe dann eine andere Nummer als die 110.“

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