Neue TeststrategieWenn Kinder sich auf dem Schulhof selbst testen müssen

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Arbeit an der Kapazitätsgrenze: Mitarbeiterin von Synlab in Leverkusen.

Arbeit an der Kapazitätsgrenze: Mitarbeiterin von Synlab in Leverkusen.

Leverkusen – Wieder gab es Emails mitten in der Nacht, wieder stehen Schulleitungen, Eltern und Kinder verunsichert und ratlos vor dem, was die Landesregierung spontan am Dienstagabend beschlossen hat: Wenn ein PCR-Pooltest einer Klasse positiv ist, kann die Einzelauswertung wegen fehlender Kapazitäten nicht mehr im Labor erfolgen. Diese Aufgabe wird kurzerhand den Schulen übertragen.

„Schülerinnen und Schüler eines positiv getesteten Pools werden am nächsten Tag zu Unterrichtsbeginn in den Schulen mit Antigenschnelltests getestet“, heißt es von der Landesregierung. „Dieses Verfahren ist unmöglich und eine Bankrotterklärung“, empört sich CDU-Ratsherr und schulpolitischer Sprecher Bernhard Marewski. „Das ist keine Aufgabe von Schulleitungen, das kann man nicht einfach delegieren.“ Und schon gar nicht über Nacht. „Solche Entwicklungen brauchen Vorlaufzeit, solche Panikaktionen helfen niemandem weiter“, klagt Marewski.

Nächtliche E-Mail

Mehrere Leverkusener Grundschulen sahen sich dadurch gezwungen, die Eltern noch in der Nacht darüber zu informieren, dass sie im Falle eines positiven Pools vor Schulbeginn ein Testzentrum aufsuchen müssen. Darunter auch die wegen Hochwasserschäden nach Schlebusch ausgelagerte Remigius-Grundschule – schließlich reisen die Kinder hier mit dem Bus an. Selbst wenn die Schule Tests vor Ort stemmen könnte, säßen positive Kinder vorher 20 Minuten lang mit im Bus. Eine Mutter hatte bereits das Vergnügen mit diesem Verfahren. Am Dienstagvormittag kam die Meldung, dass der Pooltest der Klasse ihrer Tochter positiv ist. „Immerhin bekamen wir schon am Nachmittag von der Schule die Anweisung, selbst ein Testzentrum aufzusuchen“, sagt die Mutter. „Aber ich konnte die Welt nicht mehr verstehen.“

Kitas bleiben zunächst bei Nachtestung

Bei den Kindertagesstätten bleibt die Stadt zunächst dabei, dass weiterhin neben dem Pooltest auch eine Rückstellprobe abgegeben wird. Wegen der derzeit längeren Wartezeiten sollen zusätzlich Schnelltests zum Einsatz kommen. Und zwar für den Fall, dass Poolergebnisse inklusive Einzeltestungen bis 7 Uhr am Folgetag nicht vorliegen.

Dezernent Marc Adomat sieht das als einzige Chance, den Betrieb weiter aufrecht zu erhalten. „Aktuell haben wir Wartezeiten von bis zu fünf Tagen“, berichtet Adomat. Dass Kinder so lange Zuhause auf ihr Ergebnis warten müssen, bringt nicht nur Eltern in Bedrängnis. „Da die Teilnahme an den Kita-Tests freiwillig ist, steht auch zu befürchteten, dass die Motivation zur Teilnahme abnimmt, wenn die Kinder dann so lange zu Hause bleiben müssen“, sagt Adomat. Das wolle man natürlich nicht.

Außerdem werden die Auflagen wieder verschärft, so müssen die Gruppen zumindest am Tag der Pooltestung in ihren eigenen Settings verbleiben.

Ob es bei dieser Regelung bleiben wird, ist unklar. Die Stadtverwaltung prüfe, ob der Vertrag mit dem beauftragten Labor in der aktuellen Situation in eine „Ruhendstellung“ versetzt werden soll. (stes)

Die Proben der betroffenen Kinder liegen schließlich bereits im Labor vor. Seit Jahresbeginn werden vorsorglich neben dem Pooltest auch eine sogenannte Rückstellprobe für jedes Kind abgegeben – eben genau zu dem Zweck, dass der Einzelnachweis im positiven Fall schnell erfolgen kann. Das geschieht nun nicht mehr. „Ich habe direkt einen Frustbrief an Herrn Lauterbach geschrieben“, sagt die Mutter.

Kinder müssen selbst testen

Eine andere Schule beschreibt in einer nächtlichen Mail an die Eltern das Verfahren: Kinder aus einem positiven Pool werden am Morgen auf den Schulhof separiert und müssen dann einen Schnelltest selbst durchführen, „aus Gründen des Selbstschutzes werden wir ihnen dabei nicht helfen“. Nach 15 Minuten Wartezeit werden die Eltern jener Kinder angerufen, die wieder abgeholt werden müssen, der Rest darf in die Klasse. „Da dieser Ablauf für alle Betroffenen nicht angenehm ist, bitten wir Sie sehr, vor dem Schulbesuch einen Bürgertest durchführen zu lassen“, appelliert die Schulleitung.

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Auch Milanie Kreutz findet die Kurzfristigkeit der Strategieänderung schwierig. Inhaltlich hat die SPD-Fraktionsvorsitzende aber ein gewisses Verständnis: „48 Stunden und mehr auf ein PCR-Ergebnis zu warten, ist unerträglich. Die Betreuung des Kindes ist in dieser Zeit nicht mit einer Berufstätigkeit vereinbar.“ Deswegen müssten in der Omikronwelle nun neue Möglichkeiten für schnelle Ergebnisse gefunden werden. Das könne ein fachgerecht und sicher durchgeführter Bürgertest leisten.

Gesundheitsamt will Pooltest ganz aussetzen

Das Leverkusener Gesundheitsamt schreibt auf Anfrage, dass PCR-Tests an Schulen wegen ihrer höheren Sensitivität den Schnelltests vorzuziehen seien. Dieser Vorteil gehe aber verloren, wenn man gleichzeitig auf die Nachprüfungen bei positiven Pools verzichtet. „Man findet auf diese Weise nicht mehr Fälle, als wenn von vorneherein nur mit Schnelltesten getestet würde.“ Deswegen könne man dann zur Entlastung der Labore temporär auch ganz auf die Pooltests verzichten.

GGS Opladen mit kreativer Lösung

Friederike Stahl, Schulleiterin der großen GGS Opladen, sieht sich und ihr Personal ebenfalls nicht in der Lage, Kinder selbst zu testen. „Dafür sind wir auch nicht geschult“, sagt sie. In der 515 Kinder starken Grundschule an zwei Standorten wären das nach jüngsten Erfahrungswerten zwischen 100 und 150 Tests pro Woche. „Ich will den Eltern aber auch nicht zumuten, dass sie früh morgens irgendwo hin laufen müssen, um ein Testzertifikat zu besorgen.“ Ihre Idee: „Ich will das Testzentrum an die Schule holen.“ Sie stehe dazu schon in gutem Kontakt. Wichtig ist Stahl vor allem auch, dass das Testen nicht die Schulzeit auffrisst. „Wir müssen auch zeitnah mit dem Unterricht starten.“ Und eine gute Nachricht hat sie auch: Gestern wurden 20 Luftfilteranlagen geliefert.

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