Im Sommer vor 20 Jahren tobte der bislang härteste Kampf Leverkusens um Arbeitsplätze: Im Ausbesserungswerk Opladen.
Kampf ums Opladener Ausbesserungswerk vor 20 Jahren„Heute zahlt man für die Fehler von damals“
Die zunehmend schlechten Botschaften für die Arbeiter und Angestellten im Opladener Ausbesserungswerk hatten schon seit 1999 nichts Gutes zu bedeuten. Schrumpfkur hieß es, aber an eine Schließung des Werks dachte da – wenigstens in Opladen – noch niemand. 1200 Mitarbeiter, die meisten Eisenbahner aus Überzeugung, hatte das Ausbesserungswerk. Eine „unverzichtbare Perle“ wurde es in Fachkreisen genannt. Schritt für Schritt wurde abgebaut: erst sollten 71 Mitarbeiter gehen, dann auch noch der Gleisbauhof an der Torstraße. Das waren dann 200 Mann.
Im Juni 2001 dann der Hammer: Der DB-Chef Hartmut Mehdorn verkündete auf einer Pressekonferenz in Berlin das Ende des Ausbesserungswerks Opladen – und sieben weiterer Werke – zum 31. Dezember 2003. Mehdorn, ein Günstling von Kanzler Gerhard Schröder, trieb umstrittene Projekte voran: die Privatisierung und den Börsengang der Bahn, ebenso Stuttgart 21. Die Schließung in Opladen müsse wegen des „Zwangs zur Wettbewerbsfähigkeit“ sein.
Ruf des Ausbesserungswerks war erstklassig
Das Opladener Werk hatte einen erstklassigen Ruf. Die Wahrheit vermuteten die Gewerkschaften deshalb in einer Entscheidung im Kanzleramt: Ostdeutschland sollte nicht noch mehr bluten, statt Opladen sollte eine DB-Werkstätte in Dessau überleben.
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Alle Demonstrationen und Versuche, das bestens ausgestattete und erst kurz zuvor runderneuerte Werk zu retten, liefen ins Leere.
Der Sommer 2003 vor 20 Jahren stand in Leverkusen ganz im Zeichen des Arbeitskampfs um das Werk: Zehn Mitarbeiter begannen am 8. Mai einen Hungerstreik, um das Werk zu retten: „Lieber verhungern als das Werk aufgeben“, stand auf einem Banner am Zelt der Streikenden am Werkstor auf der Werkstättenstraße. Leverkusen erklärte sich solidarisch: Schüler besuchten die Arbeiter. Nach über einer Woche, 195 Stunden, dann eine Unterbrechung: ein neues Konzept gab Hoffnung.
Aber auch die starb. Ein zweiter Hungerstreik machte im Hochsommer bundesweit Schlagzeilen, es gab Solidarität, auch Reiner Calmund besuchte die Streikposten. Bald brachte man den ersten Hungernden ins Krankenhaus. Am 3. Juli schlossen die Arbeiter das Haupttor und besetzten das Werk, zwei Tage später war der Kampf der Arbeiter verloren.
Bittere Tränen um das Opladener Ausbesserungswerk
Der Betriebsratsvorsitzende Kuno Dreschmann musste die Niederlage auf der Werkstättenstraße verkünden, nachdem er bei einem letzten Gespräch in der DB-Zentrale in Berlin mit Politik und Bahn-Vorstand alle Hoffnungen aufgeben musste. Bei Augenzeugen bleibt ewig unvergessen, wie ihm vor seinen Kollegen die Gesichtszüge entgleisten, wie der Mann nach dem langen harten und verlorenen Kampf seine Wut und Trauer nicht verstecken konnte und weinte.
Heute sagt Dreschmann, für dessen Arbeitsleben der Opladener Arbeitskampf zentral und einzigartig war: „Dieser Stachel sitzt immer noch tief.“ Der Eisenbahner Dreschmann sagt, die damaligen Entscheidungen hätten die heutige Misere der Bahn mitverursacht.
Zwei Kollegen verkrafteten das Ende des Ausbeserungswerks nicht
Für die strategischen Fehler von damals müssten die Kunden und die Eisenbahner heute bezahlen, die Verantwortlichen dieser falschen, auf Verschleiß angelegten Unternehmensführung könne man heute leider nicht verantwortlich machen. „Es wurden sinnlos die besten Werke geschlossen, sinnlos Strecken still gelegt, sinnlos Vermögen verbrannt“, sagt Dreschmann, „alles, was wir angeprangert haben, ist wahr geworden.“
Besonders die Schicksale der Opladener Kollegen bewegen ihn noch heute: Zwei der 900 betroffenen Opladener Eisenbahner hätten die Sache nicht verkraftet und sich das Leben genommen: „Einer direkt nach dem Beschluss, einer ein halbes Jahr später.“ Der Betriebsrat versuchte, für die Kollegen etwas herauszuholen: Es gab Mitarbeiter, die gingen mit 53 Jahren in den Vorruhestand – gut ausgebildete Leute.
Andere setzte die Bahn mit 64 Jahren noch in Call-Center. Als im Oktober 2004 Werkzeuge und Inventar im Forum versteigert wurden, war auch die Idee einer privaten Lokomotivenwerkstätte gestorben. Aus dem Ausbesserungswerk wurde bald die „Bahnstadt“. Für Eisenbahner ist das kein Ersatz.