LeverkusenStädteplaner über die Mega-Stelze der A 1: „Ein fürchterliches Monstrum“

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Nachtaufnahme unter der Stelzenautobahn. Ein einzelnes Auto steht auf dem Parkplatz unter der Stelze.

Die A1-Stelzenautobahn durchschneidet Leverkusen. Und sie soll noch viel breiter werden als sie heute schon ist.

Rainer Gleß, gebürtiger Leverkusener, studierter Städteplaner und Technischer Beigeordneter in Sankt Augustin, lässt kein gutes Haar an den Autobahnplänen.

Herr Gleß, Sie sind Technischer Beigeordneter in Sankt Augustin, in Rheindorf aufgewachsen und haben in Berlin Stadt- und Regionalplanung studiert. Wie beurteilen Sie den Plan der Autobahn GmbH, eine viel breitere A 1 auf einer Stelzenkonstruktion durch die Stadt zu führen?

Rainer Gleß: Aus meiner Sicht ist das ein fürchterliches Monstrum und Zeichen einer rückwärtsgewandten Planung.

Bei der Autobahn GmbH heißt es, die Mega-Stelze sei der beste Kompromiss aus Kosten, schneller Baubarkeit und Umweltaspekten.

Der Kostenunterschied zwischen 470 und 920 Millionen Euro für eine Tunnellösung ist doch zunächst mal nur eine Schätzung. Sicherlich ist der Tunnel teurer. Aber das kann nicht das einzige Argument sein. Man muss auch die Stadt und ihre Bewohner sehen. Die sind jetzt schon enormen Belastungen durch den Verkehr ausgesetzt. Vom Ausbau der Autobahnen sind rund 70.000 Menschen in der Stadt betroffen. Aus meiner Sicht ist es Zeit, dass man den Leverkusenern auch mal etwas zurückgibt.

Rainer Gleß

Rainer Gleß

Nach den überarbeiteten Plänen werden die Lärmschutzwände auf der Stelze noch höher. Die Planer sprechen davon, dass die Anrainer kaum noch etwas hören würden. Kann das sein?

Man muss immer bedenken, dass bei solchen Planungen die jeweilige Lärmquelle einzeln betrachtet wird. Was sonst schon an Lärm – nennen wir es mal Grundrauschen – da ist, spielt keine Rolle. Eine Prognose mit kumuliertem Lärm gibt es nicht. Das gilt aber nicht nur bei Straßenbau-Projekten. Abgesehen davon machen diese noch höheren Wände die Stelze noch fürchterlicher.

Bei der Autobahn GmbH ist immer von „Vorzugsvarianten“ die Rede. Das impliziert, dass alles sorgfältig verglichen wurde.

Die Bürger können diesen Eindruck nicht haben. Wenn man das Gesamtkonzept für den Ausbau der Autobahnen sieht, fehlt mir da einfach Abwägungsmaterial. Städtebauliche und stadtgestalterische Aspekte haben wohl bei der Abwägung überhaupt keine Rolle gespielt. Vielmehr scheint es so zu sein, dass man bei den über zehn Varianten einfach die Wände in den Simulationen so lange erhöht hat, bis eine im Vergleich günstigere Betrachtung des Lärmschutzes dabei herauskam. Und: Man stelle sich vor, was man mit der gewonnenen Fläche alles anfangen könnte, wenn die A1 in Tunnellage geführt würde. Grünzüge und Radwege etwa.

Das Ausbaukonzept in Leverkusen folgt dem alten und überkommenen Reiz-Reaktionsmuster
Rainer Gleß, Technischer Abgeordneter der Stadt Sankt Augustin

Weil es vorher Festlegungen gab? Etwa die kaputte Rheinbrücke schnellstmöglich zu ersetzen?

Das spielt sicher eine Rolle. Aus meiner Sicht ist deutlich zu wenig Grundlagenarbeit geleistet worden. Das Ausbaukonzept in Leverkusen folgt dem alten und überkommenen Reiz-Reaktionsmuster: Es gibt Staus, also müssen die Autobahnen verbreitert werden. Das ist mir aus heutiger Sicht zu kurz gedacht.

Weil überall von Mobilitätswende und Klimazielen gesprochen wird?

Genau. Man kann im Bund nicht immer für die Mobilitätswende werben und dann nichts dafür tun. Das ist Wein predigen und Wasser ausschenken.

Stichwort Bund: Die Stadt Leverkusen hat faktisch kein Mitspracherecht und keinen Einfluss auf die Planung.

Das ist ja das Problem aller Kommunen. Wir sollen im Kleinen die Mobilitätswende vorantreiben. Und wenn es um Großprojekte wie Autobahnen geht, spielen die heutzutage so wichtigen Aspekte einer nachhaltigen Mobilität keine Rolle mehr. Oft bleibt dann nur der Gang zu den Gerichten.

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