Landrat Jochen Hagt zu Corona-Lockerungen„Im Moment richtig und verantwortbar“

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Dass zu Ostern Präsenzgottesdienste abgehalten werden, gefällt Jochen Hagt nicht, „aber ich hätte es ja untersagen können“.

Dass zu Ostern Präsenzgottesdienste abgehalten werden, gefällt Jochen Hagt nicht, „aber ich hätte es ja untersagen können“.

Oberberg – Aus freien Stücken ist Oberberg bei der Corona-Notbremse ausgeschert und verfolgt eine „Lockern-und-Testen“-Strategie. Dass er damit die Inzidenzzahlen nicht herunterbekommt, ist Landrat Jochen Hagt klar, wie er im Interview mit Harald Knoop sagt.

Die Zahl der Corona-Infektionen in Oberberg hat jetzt die Grenze von 10 000 überschritten. Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie das erfahren haben?

Jochen Hagt: Diese Situation hat sich ja schon seit Tagen und Wochen angekündigt. Trotzdem ist es ein Moment nachzudenken, wie es weitergeht und ob wir die Lage in den Griff bekommen.

Sie haben sich trotz hoher Inzidenz gegen die Notbremse und für die Option „Lockern und Testen“ entschieden. Warum?

Wir haben schon länger eine hohe Inzidenz. Sie unter 50 zu drücken, halte ich im Moment für unrealistisch. Wir müssen lernen, mit der Pandemie zu leben. Wir hatten die Wahl, weiter mit Restriktionen zu leben oder den Menschen und Geschäften wieder ein Stück Normalität zu ermöglichen, verbunden mit dem Anreiz, sich testen zu lassen. Einschränkungen haben wir trotzdem immer noch.

56 Infizierte im Krankenhaus

425 Menschen im Kreis sind (Stand Dienstag, 0 Uhr) aktuell mit dem Coronavirus infiziert. Gegenüber dem Vortag waren das zwar 45 weniger, gleichzeitig stieg aber innerhalb eines Tages die Zahl der schweren Krankheitsverläufe auf 56 (+7). Sie alle werden im Krankenhaus behandelt. Neun von ihnen (+3) müssen beatmet werden.

10 037 Oberberger haben sich seit Beginn der Pandemie angesteckt, allein seit Dienstag vergangener Woche kamen 440 neue Fälle hinzu. 180 Menschen sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben.

9432 Personen gelten als genesen (+83). Nach wie vor in Quarantäne befinden sich 1273 Menschen (-53). (kn)

Konnten Sie frei wählen?

Im Grunde ja. Wir haben sorgfältig abgewogen, unsere Argumente und die Teststrategie dem Gesundheitsministerium vorgetragen – und es hat zugestimmt.

So kriegen Sie die Infektionszahlen aber nicht runter ...

.. aber wir gehen davon aus, dass sie auch nicht weiter steigen.

„Lockern und Testen“ legt mehr Verantwortung in die Hände der Bürger als der Lockdown. Glauben Sie, dass die Menschen das anerkennen und danach handeln?

Die allermeisten Menschen verhalten sich sehr verantwortungsbewusst.

Die katholischen Kirchengemeinden ignorieren ihren Appell, zu Ostern auf Präsenzgottesdienste zu verzichten, ein Teil der evangelischen auch. Geht es Ihnen wie Frau Merkel, die Herrn Laschet auch nicht von der Notbremse überzeugen konnte?

Den Vergleich mit der Bundeskanzlerin maße ich mir nicht an. Natürlich hätte ich es lieber gesehen, wenn ganz auf Präsenzgottesdienste verzichtet worden wäre. Die Entscheidung der Kirchengemeinden muss ich so hinnehmen, ich hätte es ja untersagen können.

Bis zu welchem Inzidenzwert können Sie „Lockern und Testen“ durchhalten? Wann müssen Sie den Lockdown doch noch ausrufen?

Das kann ich nicht sagen. Es hängt sehr von der weiteren Entwicklung ab und den Entscheidungen der Ministerpräsidenten und der Kanzlerin. Ich scheue mich, eine Zahl zu nennen. Im Moment ist es richtig und zu verantworten, was wir tun. Ob und wann wir diese Sichtweise ändern, muss man abwarten.

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Was erwarten Sie von den Oberbergern?

Nach einem Jahr Pandemie muss jedem klar sei, dass wir in einer gefährlichen Situation sind. Ich erwarte, dass die Menschen sich verantwortungsbewusst verhalten. Jeder weiß doch, wie das geht, auch im privaten Bereich. Jeder muss mitanpacken, es reicht nicht, wenn Kanzlerin oder Landrat irgendetwas anordnen.

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